[B] "Rape" @ Refugee-Camp

fidicin 24.05.2013 19:18 Themen: Antirassismus Freiräume Gender Soziale Kämpfe
Wie im Refugee-Protest-Camp mit „Rape“ und anderen sexuellen Übergriffen umgegangen wird

Als das Refugee-Protest-Camp am Oranienplatz in Kreuzberg noch in den Kinderschuhen steckte, gehörte ich, wie viele andere, zu den Supporter_innen, die teils in verschiedenen Arbeitsgruppen aktiv waren oder auch einfach nur hin und wieder eine Schicht im Infozelt übernahmen. Ich verbrachte viel Zeit dort, eigentlich jede freie Minute. Schon von Anfang an waren wir Supporterinnen* vielen Anmachen, Sprüchen, Annäherungen und Berührungen von männlichen Refugees/ Supportern ausgesetzt. Ich persönlich habe mir Anfangs nicht so viel daraus gemacht, da ich nie ein Mensch mit Berührungsängsten war.
Doch mit der Zeit, nach ein oder zwei Monaten, wurde das Verhalten auf Dauer doch sehr unangenehm. Es wurde wie selbstverständlich ein Arm um mich gelegt, wie selbstverständlich umarmte man sich, küsste man sich auf die Wange. Zu der freundschaftlichen und kuscheligen Umgangsweise im Camp passte dieses Verhalten sehr gut. Daher war es schwierig, erstens überhaupt diese Formen der Übergriffe als solche wahrzunehmen, genauso aber sich schließlich dagegen zu wehren. Ich bekam langsam mit, dass immer mehr Frauen*, die supporteten, vom Camp weg blieben. Im direktem Umfeld bekam ich einen konkreten Fall von Stalking mit, bei dem sich die Betroffene allerdings nicht wehrte, da sie Sorge hatte, als „weiße“ Supporterin* ihren Aufgabenbereich, nämlich einfach zu unterstützen, zu überschreiten. Weiterhin ging ich regelmäßig zu meinen Schichten, bestärkte die Betroffene darin, sich an jemanden innerhalb des Camps zu wenden, tat aber weiterhin nichts. Mein persönlicher Kontakt zu besonders einem Mann innerhalb der Campstruktur wurde sehr eng, bis es schließlich zu der Situation kam, dass er sich nahm, was ihm, seiner Ansicht nach, zustand.
Nachdem es mir gelungen war zu flüchten, wandte ich mich sofort an Menschen aus meinem direkten Umfeld. Ich hatte bis dahin aufgrund meiner politischen Auseinandersetzung mit sexuellen Übergriffen und „Rape“ sowie durch die feministische Erziehung meiner Mutter, gelernt, diesen Vorfall nicht für mich zu behalten, sondern mich an Menschen, denen ich vertraue, zu wenden. Das tat ich nun, ein Teil dieser Menschen waren ebenfalls Aktivistinnen* im Refugee-Protest-Camp. Die ersten Reaktionen auf mein Erlebnis waren erniedrigend und beschämend. Es reichte von „du bist ja auch freiwillig in die Wohnung gegangen“ bis „ich habe den Eindruck, du willst das“. Glücklicherweise gab es auch Menschen um mich herum, die mich großartig unterstützt haben und die mir eine Menge Kraft gegeben haben. Ich hatte für mich entschieden, nicht zur Polizei zu gehen, da ich mich den Verhören nicht aussetzen konnte und wollte. Trotzdem wollte ich nicht untätig bleiben und wandte mich an weiblich sozialisierte Personen innerhalb der Campstruktur, denen ich vertraute und zutraute professionell und verantwortungsvoll mit meiner Situation umzugehen. Was nun folgte, war fast schlimmer, als die Tat selbst.
Ich wurde gebeten, den Vorgang detailliert zu beschreiben. Es gab immer wieder Gespräche abwechselnd mit ihm und mir. Ihm wurde immer wieder die Möglichkeit gegeben, sich zu äußern, zu leugnen und mich als berechnendes Wesen darzustellen. Mir wurde ebenfalls detailliert berichtet, wie er die Situation geschildert hat. Der Vorfall wurde weder publik gemacht, noch wurde mir die Garantie gegeben, mich frei auf dem Gelände zu bewegen. Mit dem Resultat, dass ich nie wieder dorthin ging. Die Vorschläge reichten von „wir setzen uns alle gemeinsam zusammen und sprechen darüber, war doch alles nur ein Missverständnis“ über „beide Parteien tragen ihre Variante der Situation an unterschiedlichen Tagen vor dem Plenum vor und dieses entscheidet dann“ bis zu „beide Parteien treten gemeinsam vors Plenum und dann wird beraten“. Dieser Vorgang zog sich unglaublich lange hin und ich hatte währenddessen immer den Eindruck, dass er mehr geschützt wird als ich. Irgendwann also zog ich mich zurück, kapitulierte.

Warum ich nun doch möchte, dass diese Geschichte publik wird, liegt daran, dass ich hundertprozentig weiß, dass ich zu diesem Zeitpunkt bereits der dritte „Rape“-Fall innerhalb des Refugee-Protest-Camps war. Inzwischen ist die Anzahl der Fälle wohl gestiegen. Es heißt, dass sich in die besetzte Schule keine Frau* traut, da sie dort „sofort vergewaltigt würden“.
Es werden immer weniger Supporterinnen*, da vielen ähnliches zugestoßen ist und sie für sich entschieden haben, dem Camp den Rücken zu kehren. Ich habe ebenfalls Informationen darüber, dass es inzwischen Aufklärungs-Workshops zum Thema „Rape“ gibt, allerdings werden diese wohl überwiegend von Frauen* besucht und bilden keineswegs die Männer der Struktur.
Auch wenn mir bewusst ist, dass ich mit starken Anschuldigungen an das Camp und die organisatorische wie politische Struktur heran trete und damit eine Bewegung, die es ohnehin nicht leicht hat, gewissermaßen schwäche, halte ich es für wichtig darüber zu informieren, in welche Gefahr sich eine Frau* begibt, sobald sie sich dort engagiert.
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Ergänzungen

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x 26.05.2013 - 09:18
was dir passiert ist, is absolut scheisse und dass du im nachhinein keine unterstützung bekommen hast auch. allerdings ist deine darstellung sehr gut für rassistische stimmungsmache geeignet und da hätte ich von dir als ex-unterstützerin mehr respekt vor der bewegung und all den menschen erwartet, die im camp, in der schule und in anderen politischen orten gegen sexismus kämpfen.
mir wurde von dem übergriff erzählt und auch, dass du nicht möchtets, dass bestimmte leute davon erfahren. dass fand ich damals traurig für die bewegung und für dich, scheinbar gab es nicht genügend vertrauen. aus respekt vor deiner entscheidung wurde die vergewaltigung nicht auf dem plenum veröffentlicht. allerdings heisst das auch, das bis heute einige frauen im camp nicht wissen, was dieser typ gemacht hat. es könnte sich wieder eine frau auf ihn einlassen, was sie wohl nicht machen würde, wenn sie über ihn bescheid wüsste. der typ kommt nicht mehr zum camp/zur schule und wenn er kommen würde, dann würden wir ihn rausschmeissen, keine frage, dass ist deine definitionsmacht. und für die bewegung ist das selbstschutz.

wirklich schade dass sowas auf indymedia besprochen werden muss! das spielt allen rassist_innen in die hände. und die geflüchteten im camp/in der schule, die hier unter generalverdacht gestellt werden, können sich nicht dazu äußern, weil sie kein deutsch sprechen und/oder indymedia nicht kennen. das ist übrigens strukturell rassistischt: also einen kommunikationsweg zu wählen, der die nicht deutschen menschen der bewegung ausschliesst.

meine kritik an deinem vorgehen soll nicht das relativieren was dir angetan wurde. ich wünsche dir solidarität und starke unterstützung!


gegen sexismus & rassismus
auch in unsrem eigenen handeln!

Wieso sollte der Text Ressentiments bedienen?

a 26.05.2013 - 10:14
Ist doch klar das Sexismus ein Problem ist. Ist doch klar das Sexismus ein Problem innerhalb migrantischer Communities ist. Ein Flüchtlingscamp sit doch kein widerspruchsfreier Raum der frei von Sexismus, Rassismus oder Antisemitismus wäre. Insofern ist eine Thematierung solcher Widersprüche nur gut und ist richtig. Panikmache ala Frau kann sich dort nicht sicher sein, die eine besondere Bedrohung zeichnen halte ich allerdings für unangebracht.

Herrschaftsverhältnisse sind Teil unseres Lebens und werden auch in linken Projekten nicht an der Haustür abgegeben.

Umgangsformen

Linker Spießer 26.05.2013 - 11:29
Vielleicht sollten diese ganzen Umarmungen von an sich wildfremden Menschen, dieses Bussi hier, Bussi da und dieser ganze Quatsch einfach mal dem guten alten Händedruck weichen, dann hätten Menschen mit bösen Absichten weniger Ausreden und einfache Tölpel können nichts missverstehen.

Nur son Gedanke.

@x

y 26.05.2013 - 13:58
Die Aktivist_innen im Camp kennen indymedia nicht? Eine der sehr wenigen Plattformen, auf denen regelmäßig über den Kampf der Geflüchteten berichtet wird? Dann wurden also zahlreiche Berichte von Supporter_innen verfasst und verbreitet, ohne die Geflüchteten einzubeziehen?
Und wer sich nicht in allen auf dem Camp vertretenen Sprachen ausdrücken kann soll die Fresse halten oder ist andernfalls "strukturell rassistisch"? Übersetzen kann/will keine_r?

Fragen über Fragen...

Umgang mit Sexismus in linken Kontexten

gender justice 28.07.2013 - 12:22
Es gibt ein sehr gutes kleines Büchlein, geschrieben von Frauen* aus der linken Szene, das Hinweise für den Umgang mit Sexismus und sexualisierter Gewalt in linken Kontexten gibt: re.ACTion (Readergruppe für emanzipatorische Aktion), Antisexismus_reloaded. Zum Umgang mit sexualisierter Gewalt – ein Handbuch für die antisexistische Praxis. Münster: Unrast-Verlag, 2007. Da geht es genau um die Problematik, wie mit sexistischen Übergriffen innerhalb von linken Kontexten umgegangen werden kann, ohne staatliche Stellen einzuschalten und zugleich ohne den Aggressor unangemessen zu schützen. Vielleicht wäre das eine gute Basis für die weitere Diskussion in Camp und Schule.

leider fehlt

acrata 16.08.2013 - 15:37
der hinweis, wer der vergewaltiger war .siehe hier:  http://www.taz.de/!120745/

das erschreckenste dabei sind die kommentare der "unterstützer*innen" und "antirassist*innen", die einen splitter im auge zu sehen glaubten, aber selber total vernagelt sind und sich in ihrem "against racism" selber rechts im wege stehen

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 24 Kommentare an

traut sich jetzt niemand? — (muss ausgefüllt werden)

fight sexism AND racism — supporterin des Protests

rape is a crime — Verhalten

Was ist da blis los??? — Kotzreiz

. — .

school of rape — weiblich sozialisiertes Wesen

genau sowas — angeekel

break isolation — weiblich sozialisiertes Wesen

@ "angeekel" — Erpresser

ereignis — paule

kleinbürger — name

Kulturrelativismus — vagos

Wichtiger Schritt — vagos

@neuköllnerin — vagos

Rape? — RoteZora

Viel Kraft — Tom

Gut — Jonathan Weise