8. Mai: Feiern im Land der TäterInnen*

Dr. med. den Rasen 08.05.2013 00:46 Themen: Antifa Antirassismus Militarismus
Wien feiert den 8. Mai 2013 auf dem Heldenplatz auf Initiative des Mauthausen Komitees mit den Wiener Symphonikern ohne Burschis - dafür aber mit dem Österreichischen Bundesheer.
Am 8. Mai 1945 übergab die Deutsche Wehrmacht die vollständige Kontrolle über das Deutsche Reich an die alliierten Siegermächte. Mit der bedingungslosen Kapitulation wurde formal das Ende einer Zerstörungsapparatur besiegelt, welche das grösste dokumentierte Menschheitsverbrechen angetrieben hat.

Diese Zerstörungsapparatur, bildlich geblieben, trieb einen in Perfektion systematisierten Hass an. Doch ermöglicht wurde er durch die Summe von Einzelpersonen, die sich einer grunddetaillierten, kollektiven Konstruktion verschiedener Feindbilder und dem Hass hingaben und zusammenschlossen.

Doch wie feiert es sich im Land der TäterInnen*?

Genau darum sind es Begriffe wie „Befreiung“, die das Potential mit sich bringen, eine gefährliche und vollkommen reale Bigotterie verschleiern zu können: Befreiung heisst, Opfer zu sein. Dem sich angenommen wurde, um es von seinem Leid zu erlösen.
Erlöst wurde jedoch nur die Zeitgeschichte vom Dunkelsten Kapitel – ein Opfer ist Österreich trotzdem nicht!

Es sind daher auch Begriffe wie „Anschluss“, die uns in Österreich zusammenzucken lassen sollten: er vermag Österreich als „eh antinationalsozialistischen“, unschuldigen, lediglich 1938 annektierten Staat darstellen, verwischt dabei jedoch die ideell hochkompatible Verbindung von Austrofaschismus und dem Nationalsozialismus des Deutschen Reiches.
Denn wo Faschismus war, ist Rassismus nicht weit: dies zeigte sich deutlich damals wie auch heute bei der strategischen Betonung und aber auch Unterschlagung der Begriffsbedeutung von „Anschluss“ in Argumentationslinien von deutschtümelnden, traditionell völkisch-sehnenden Organisationen wie dem hartgesottenen Kern der Burschenschaften in Österreich und Deutschland. Geht es um (christlichen) Traditionsreichtum, sei Grossdeutschland in jedem dreckigen Loblied bei drei Bier gepriesen. Geht es um Faschismus, Rassismus und Nationalismus, wird die Zahl der toten ÖsterreicherInnen* betrauert – mit oder ohne Platzverbot am Heldenplatz.

Eben diese Bigotterie zeigt sich ausserdem nicht nur durch die Scheinheiligkeit einer unzureichenden Aufarbeitung der Geschichte Österreichs und Deutschlands und die mangelnde Zuerkennung an die tiefe, zeitgeschichtliche Verschmelzung zum systematischen Menschenhass, sondern auch durch die Ignoranz und scheinbare Immunität gegenüber jegliche Kritik: Kritik, die betonen möchte, dass die Welt eben nicht vom nazigetauchten Faschismus befreit ist und stattdessen von einer Neuen Rechten beschattet werden muss.

Die Neue Rechte hat eben keine grundideologisierte Massenbasis, sondern die Bequemlichkeit der freien Wahl des imaginierten Feindbildes: grossdeutschlallende Burschenschaften ihren Rassismus und Antifeminismus, die Identitäre Bewegung ihren kennzeichnenden Ethnopluralismus, die Kellernazis von FPÖ und nebenan das ganz moderne Feindbild „Islam“, ganz allgemein das gemütlich-omnipotente Feindbild „Ausländer“ und das über zweitausendjährige bekannte religiöse und dann rassifizierte Feindbild „der Jude“.

Dieses Jahr alles anders?

Diesjährig verlautete SPÖ-Verteidigungsminister Gerald Klug das Platzverbot für Burschenschaften jeder Couleur am Heldenplatz unter Bundesheerpräsenz zur Mahnwache und betonte dabei ganz besonders seinen Geltungsbereich speziell für die Abendstunden. Ob es am Abend am Heldenplatz brennende Fackeln der Trauer geben wird oder sich Menschen konspirativ in Räumen aufhalten werden: gefährlichstes Gedankengut lebt und gärt weiterhin direkt in der gesellschaftlichen Mitte, direkt unter uns.

Es ist einer der Versuche der gesellschaftspolitischen Zäsur, die mit dem dezidierten Platzverbot für einschlägige Trauergruppierungen einhergeht. Jährliche Demonstrationen gegen den Ball des Wiener Korporationsrings kritisieren eben die Verortung der Neuen Rechten in der Mitte und damit die breite, gesellschaftliche Anerkennung von deutschnationaler Gesinnung. Und dennoch glaubt man, medienwirksamen Ausdruck deutschnationaler Gesinnung auf dem Heldenplatz mit der Präsenz des nationalen Militärs entgegenwirken zu können, welches, noch dazu, den selben Namen trägt wie das der 1. Republik und damit des Austrofaschismus.

Zwar mag dies, nochmals, ein erster Schritt zu einer Zäsur sein. Und es ist auch weiterhin wichtig, den leider üblichen Trauermärschen grossdeutschversiffter Burschenschaften mit einer betont feierlichen Haltung zu begegnen und ihnen ins Gesicht zu schreien – vor Freude. Ja, dieser Tag mag für uns wie ein Tag der Freude erscheinen, denn heute ist nicht mehr gestern. Aber ist es daher nicht umso schlimmer, dass sich inmitten der Gesellschaft reaktive Spuren von gestern auch heute noch finden? Ob in Ungarn, Griechenland, überall und doch ganz besonders in einem Land der TäterInnen*?

Jeder Faschismus; jeder Rassismus; jeder Antisemitismus ist nach dem Holocaust der Gefährlichste, den es jemals geben wird: die Existenz von Gedankengut, welches das grösste Menschheitsverbrechen und seine reale, grausamen Folgen fortdauern kann, kann sich für immer erhalten, wenn wir nicht einschreiten.

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