Todesstrafe mit der Giftspritze

Abolish the Death Penalty 20.02.2013 18:36 Themen: Antirassismus Repression Weltweit
Auch wenn in der EU die Todesstrafe derzeit nicht praktiziert wird (die EU Verfassung lässt eine Wiedereinführung im Kriegszustand eindeutig zu), sind europäische Konzerne für Jahre Profiteure von Hinrichtungen z.B. in den USA oder Vietnam gewesen. Auf Druck der Anti-Todesstrafen-Bewegung gibt es neuerdings Lieferprobleme für die Gefängnisbehörden einzelner US Bundesstaaten. Daher versucht derzeit Ohio, Apotheken und Ärzte gesetzlich zur Beteiligung an der staatlichen Ermordung von Gefangenen zu beteiligen.

Im folgenden möchten wir den Hintergrund der Giftspritzen-Methode und die ökonomischen Interessenlagen beleuchten und Wege zur Abschaffung der Todesstrafe aufzeigen.
Seit 1977 werden in den USA Hinrichtungen mittels „Todesspritzen“ (lethal injection) durchgeführt, deren Pharmaka vor allem aus Europa eingeführt wurden. Bis dato wurden etwa 1150 Menschen mit Todesspritzen in den USA hingerichtet. Neben den USA werden Todesspritzen auch in China, Taiwan, Guatemala, Thailand und in Vietnam für die Hinrichtungen von Menschen verwendet. Die Hinrichtungen erfolg(t)en nach den Regelungen des „Drei-Drogen-Verfahrens“, wobei ein Cocktail aus 3 Pharmaka zur Hinrichtung verwendet wird, deren pharmazeutische Komponenten nicht in den USA produziert und daher importiert werden müssen: 1) sodium thiopental oder Pentobarbital, 2) Pancuronium Bromide, 3) Potassium Chloride
 
Gegen die Hinrichtungen mittels Todesspritzen erfolgte eine breite Protestwelle von Menschenrechtsorganisationen, wie Reprieve in London, und sonstigen Gegnerinnen und Gegner der Todesstrafe, die auf ein generelles Verbot von Pharmaka zur Hinrichtung von Menschen abzielen. Es gelang inzwischen durch nationale und internationale Aktivitäten vor allem in Europa (Information der Printmedien, Befassung der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlamentes durch parlamentarische Anfragen usw.) ein Ausfuhrverbot der in Europa erzeugten Pharmaka zu Hinrichtungszwecken durch die Europäische Kommission zu erreichen. Die Liste der entsprechenden Pharmaka muss ständig aktualisiert werden, da immer wieder Pharmaka auftauchen, die ebenfalls zur Ermordung von Menschen verwendet werden können.
 
Vor dem Ausfuhrverbot der EU konnten sich einzelne US-Staaten und vor allem Texas, - bedingt durch das zögerliche Verhalten der Pharmakonzerne -  jedoch noch reichlich vor allem mit Pentobarbital, das vom dänischen  Pharma-Unternehmen Lundbeck in den USA vertrieben wurde, am Markt eindecken, so dass derzeit die meisten Hinrichtungen noch aus den alten Beständen an Pentobarbital von den Gefängnissen durchgeführt werden können. Pentobarbital wurde inzwischen von einem US-Unternehmen gekauft, das jedoch die Endverbraucher-Richtlinie der Fa Lundbeck, ein Verbot für US-Abnehmer zum Verkauf von Pentobarbital zu Hinrichtungszwecken, übernommen haben dürfte, die von der Firma Lundbeck nach heftiger Protesten in Europa schließlich abgeschlossen wurde.
 
Durch das Exportverbot von Pharmaka für Hinrichtungen seitens der EU sahen sich die US-Staaten, die weiterhin Hinrichtungen durchführen, veranlasst, auf das „Ein-Drogen-Verfahren“ mit den Pharmaka Pentobarbital oder Propofol umzusteigen, die noch reichlich in den Lagerbeständen der US-Todesmaschinerie lagern dürften. Die Tötung erfolgt nunmehr in den meisten US-Staaten durch eine Überdosis eines einzigen Präparates – meist Pentobarbital – im „Ein-Drogen-Verfahren“. Das hatte zur Folge, dass häufig Berufungen gegen die neue Tötungsmethode erfolgten, da die verwendeten Präparate nur bei der Tötung von Tieren bisher eingesetzt wurden und keine Erfahrungen bei der Hinrichtungen von Menschen vorlagen und auch die gesetzlichen Grundlagen für das „Ein-Drogen-Verfahren“ (protocol) erst neu geschaffen werden mussten. Durch die Schwierigkeiten der Gefängnisse, sich am amerikanischen Markt auf legalem Weg mit neuen Pharmaka zur Hinrichtungen von Menschen versorgen zu können, kam es zu einem merklichen Rückgang von Exekutionen bzw. zu Verfahrensverzögerungen bei der Hinrichtung durch Berufungen in den USA. Einzelne Staaten schreckten jedoch nicht zurück, sich auch auf illegalem Weg am Schwarzmarkt mit Todesdrogen zu versorgen. Besonders makaber ist, dass sich US-Gefängnisse sogar zu Lasten von Spitälern und Ärzten mit Pharmaka für Hinrichtungen eindeckten, wodurch es zeitweilig zu Engpässen der Pharmaka zur Behandlung von Hilfe suchenden Patienten-innen und zu Preiserhöhung der Medikamente in den USA kam. Für die amerikanische Tötungsmaschinerie hat die staatliche Ermordung von Menschen offenbar Priorität gegenüber der Gesundheit von Patienten, die  auch auf diese Pharmaka angewiesen sind.
 
Um den durch das europäische Export-Verbot entstandenen „Stau“ an Exekutionen abzubauen und die Todesmaschinerie wieder anzuwerfen, werden derzeit Überlegungen in den USA angestellt, wie dem derzeitigen „Engpass“ an Todesdrogen begegnet werden könnte. Dazu gehört z. B. auch der Vorstoß von Ohio, der Apotheken gesetzlich verpflichten will, Todesdrogen selbst herzustellen und den Gefängnissen zu liefern. Weiter beabsichtigt Ohio, das an den Hinrichtungen beteiligte Personal, wie Ärzte_innen und Krankenpfleger_innen, dadurch zu „schützen“, dass deren Namen der Öffentlichkeit nicht bekannt gegeben werden dürfen.
 
Auch Vietnam, das ebenfalls vom Export-Verbot der EU betroffen ist und seine Hinrichtungen wegen Mangels an Drogen einstellen musste, beabsichtigt nunmehr ebenfalls, die Pharmaka für die Todesspritzen selber zu produzieren.
 
Die Kampagne zur Beendigung der Hinrichtung von Menschen mit Todesspritzen muss daher verstärkt und öffentlichkeitswirksam fortgesetzt werden, um die Todesmaschinerie in den USA zu hindern, neue Präparate für Hinrichtungen erwerben zu können. Dies kann dadurch erreicht werden,
 
(1)dass jene Pharma-Unternehmen bzw. Apotheken, die bereit sind, um des Profits willen, Pharma-Präparate an die Todesmaschinerie zu liefern, öffentlich an den Pranger gestellt werden. Wie sich gezeigt hat, scheuen diese „Menschenfreunde“ Öffentlichkeit wie der Teufel das Weihwasser. Um ihr humanitäres Image als „Freunde der Menschheit“ aufrechtzuerhalten, sind Pharma-Unternehmen unter Druck bereit, keine Todesdrogen an die Gefängnismaschinerie zu liefern und durch Endverbraucher-Regelungen sicherzustellen, dass die entsprechenden Pharmaka nicht zu Hinrichtungszwecken geliefert werden.

(2)Bei entsprechender Öffentlichkeit sind auch die nationalen und supranationalen Parlamente und Regierungen in Europa bereit, den Export von Pharma-Prokukten zu Hinrichtungszwecken zu verbieten, da die Todesstrafe in der EU abgeschafft wurde. Leider musste auf die EU erst Druck gemacht werden, bevor sie sich zu einem Export-Verbot von Pharmaka für Hinrichtungszwecke in andere Länder entschloss. Bei jedem Versuch der USA, neue Pharma-Prokukte zu Hinrichtungen einzusetzen, muss daher rasch und umfassend reagiert werden, um das neue Präparat ebenfalls auf die Verbotsliste der Europäischen Kommission zu setzen. Wie sich gezeigt hat, sind Pharma-Unternehmen bei entsprechender Information der Öffentlichkeit bereit, durch Endverbraucher-Vereinbarungen  - bereits vor der Aufnahme in die Verbotsliste der EU - entsprechende Regelungen in die Geschäftsvereinbarungen mit ihren US-Partnern aufzunehmen, um weiteren Image-Schaden von ihrem Unternehmen abzuwehren. Stoppt die pharmazeutischen „Todesprofiteure“ – ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Todesstrafe.

(3) Die Anti-Todesstrafe-Bewegung in den USA muss verstärkt darauf drängen, dass die Gefängnisse verpflichtet werden, die Lieferanten von Todesdrogen öffentlich bekannt zu geben. Die amerikanische Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, welche Todesprofiteure vom Geschäft mit der Todesstrafe aus Steuermitteln profitieren.

(4) Es muss verhindert werden, dass die Personen und vor allem das medizinischen Personal, das bereit ist, bei Hinrichtungen mit Todesspritzen mitzuwirken, sich nicht unter der Anonymität des „Datenschutzes“ verstecken kann. Ziel muss es sein, dass sich auch das medizinische Personal in den US-Gefängnissen bereit erklärt, einen Hypokratischen Eid auf das Leben zu leisten statt öffentliche Gelder für die Mitwirkung an der staatlichen Ermordung von Menschen zu kassieren. Ärztliches Personal darf sich nicht weiter – wie bei den Nazis – als Schergen bei der staatlichen Ermordung von Menschen missbrauchen lassen.
 

Dem Kampf gegen das „Todesspritzen-Projekt“ (Lethal Injection Project- SLIP) kommt im Rahmen der nationalen und internationalen Ächtung der Todesstrafe ein besonders hoher politischer Stellenwert zu. Es ist wichtig, hievon auch unsere Freunde_innen unter den amerikanischen Anti-Todesstrafen-Akitivisten_innen zu überzeugen. Der individuelle und moralische Kampf um das Leben eines von der Hinrichtung bedrohten Menschen muss verbunden werden mit weiteren Aktivitäten gegen die Todesspritzen: Ohne Todesspritzen wird auch die derzeit noch vorhandene Mehrheit der US-Bürgerinnen und Bürger in weiteren US-Staaten, die sich noch für die Beibehaltung der Todesstrafe aussprechen, abnehmen und die Barbarei der Exekution von Menschen in den USA zusammenbrechen. Stoppt das Todesspritzen-Projekt, stoppt die Todesstrafe – in den USA und weltweit!
 
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Ergänzungen

Aufschub für Warren Hill in Georgia

Abolish the Death Penalty 20.02.2013 - 19:04
Der US Bundesstaat Georgia hat nur noch bis zum 1. März 2013 gültiges Pentobarbital. Danach ist es abgelaufen und darf laut US Gesundheitsdbehörde (FDA) nicht mehr für Hinrichtungen eingesetzt werden. Georgia hat derzeit keine weiteren Hinrichtungspharmaka und offensichtlich große Schwierigkeiten, diese "legal" zu erwerben.

Gestern sollte Warren Hill dort hingerichtet werden - 30 Minuten vor der Hinrichtung gelang es seiner Verteidigung, einen gerichtlichen Aufschub zu erwirken.

Georgia inmate Warren Hill granted stay of execution 30 minutes before lethal injection
 http://www.guardian.co.uk/world/2013/feb/20/warren-hill-stay-of-execution

Morgen (Donnerstag) soll dort noch ein weiterer Gefangener staatlich ermordet werden.

ehemaliger Todestrakt Gefangener spricht

2012 in Berlin 20.02.2013 - 19:19
Hier ein Video mit Harold Wilson, der knapp 18 Jahre im Todestrakt von Pennsylvania sass. 2005 konnte er wg. erwiesener Unschuld ein neues Verfahren und seine Freiheit erkämpfen.

Auf einer Demo für die Freiheit von Mumia berichtete er im letzten Jahr über seine Behandlung durch die Polizei, sein Gerichtsverfahren und den Widerstand der Gefangenen im Todestrakt.

Hier ein dzt./engl. Video von seiner Rede
 http://www.youtube.com/watch?v=TEPZ7CkzP_s

in Arkansas haben sie jetzt auch einen Weg

gefunden 21.02.2013 - 13:30
die Hinrichtungen weiter zu betreiben, nachdem sie seit 2005 damit aufgehört hatten. Im wesentlichen besagt das neue Gesetz, dass die Gefängnisbehörde selbst entscheiden kann, mit welchem Präparat sie Gefangene umbringt.


Ark. governor signs lethal injection legislation
by The Associated Press
6:12 p.m. CST, February 20, 2013

LITTLE ROCK, Ark. -- Arkansas has a new lethal injection law. Gov. Mike Beebe's office said Wednesday that he signed legislation that rewrites the state's lethal injection law, despite his misgivings about the death penalty.

The new law spells out in greater detail the procedures the state must follow in carrying out executions. It says the state must use a lethal dose of a barbiturate but leaves it up to the Department of Correction to determine which one.

The legislation came up after the Arkansas Supreme Court last year struck down the state's lethal injection law passed in 2009.

The new law means Arkansas could potentially resume capital punishment, but court challenges may further delay the state from executing a prisoner for the first time since 2005.

»Die USA verwandeln sich in ein großes Freilu

Interview von Democracy Now! 24.02.2013 - 14:48
»Die USA verwandeln sich in ein großes Freiluftgefängnis«

Gespräch mit Mumia Abu-Jamal, Noelle Hanrahan und Stephen Vittoria. Über »Todesstrafe auf Raten«, Reden über Freiheit und die Teilnahme Gefangener an öffentlichen Debatten
Interview: Amy Goodman und Juan Gonzáles