Antifa-Russland: Silajew-Auslieferung nach Russland abgelehnt

Pit Silajew, aka DJ Stalingrad 20.02.2013 07:33 Themen: Antifa Repression Weltweit
Pjotr Silajew musste nach den Protesten in Chimki bei Moskau (wo der Wald einer Autobahn weichen sollte) ins Ausland fliehen, bekam in Finnland Asyl, wurde aber in Spanien in Auslieferungshaft genommen wurde. Das Auslieferungsgesuch wurde kürzlich abgelehnt. Hier Pjotrs Bericht dazu:
Heute (11.2.2013?) habe ich die endgültige Entscheidung der Audiencia Nacional (des Nationalen Gerichtshofs Spaniens) zu meinem Fall erhalten -- das Auslieferungsgesuch der russischen Polizei wird abgelehnt. Positiv überrascht hat mich die ausführliche Begründung ihrer Entscheidung, die einige für die russische Seite sehr demütigende Teile enthält.

Nicht nur, dass sie den ganzen Hintergrund des Chimki-Falls betonen -- dass "ein anerkannter Journalist, Mitbegründer der russischen antifaschistischen Bewegung, der von den Behörden aktuell wegen seiner regierungsfeindlichen Position bedroht wird, rechtswidrig zum Organisator des Aufruhrs erklärt wurde" und "viele Menschen, darunter JournalistInnen, festgenommen, bedroht, körperlich misshandelt und sogar gefoltert wurden, um Beweismaterial gegen Silajew zu beschaffen". Am meisten beeindruckt hat mich aber, dass das höchste Gericht Spaniens die Anwendung des Paragraphen 213 des Russischen Strafgesetzbuch ("Hooliganismus") und dessen Vereinbarkeit mit europäischem Recht anzweifelt. Da heißt es:

"Laut Auslieferungsgesuch steht Silajew unter "Hooliganismus"-Anklage gemäß dem Russischen StGB. Wie sich aus den von der russischen Seite vorgelegten Dokumenten ergibt, ist die gegenwärtige Anwendung des genannten Artikels nicht vereinbar mit dem spanischen Gesetz, da Silajew nicht wegen irgendwelcher Aktionen angeklagt ist, die die öffentliche Ordnung gestört oder Privateigentum geschädigt hätten (entspr. Span. StGB Art. 557 und 263), sondern nur wegen der Teilnahme an der Demonstration."

Das ist tatsächlich eine bedeutende Entscheidung, weil sie auf der höchsten Ebene des europäischen Justizsystems einen Präzedenzfall setzt.
Zum ersten Mal wird klar festgestellt, dass der berüchtigte Paragraph 213, kürzlich und immer wieder von den russischen Behörden verschärft, dem europäischen Recht nicht entspricht (so wie z. B. "Gotteslästerung").
Während der letzten Jahre wurde dieser Paragraph in Russland weithin bekannt durch seine Anwendung als Hauptinstrument politischer Unterdrückung gegen oppositionelle Bewegungen, um praktisch alle unerwünschten Demonstrationen zu verbieten. Schon durch die Teilnahme an so einer Demo riskieren die Leute eine Anklage wegen einer "schweren" Straftat -- was "Hooliganismus" ist -- und bis zu 7 Jahre Gefängnis.

Ich hoffe, dass diese Entscheidung der Audiencia Nacional einen Wendepunkt für die Bewertung solcher Fälle in Zukunft darstellt -- und dass ich nicht sechs Monate für nichts verloren habe!

Herzliche Grüße an alle GenossInnen, die mir in dieser Zeit geholfen und Mut gemacht haben -- aber das kann ich Euch hoffentlich auch bald persönlich ausrichten.
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Ergänzungen

ich verstehe

das foto 20.02.2013 - 09:24
irgendwie nicht, warum läßt sich dieser "Mitbegründer der russischen antifaschistischen Bewegung" lachend/lächelnd unter zwei hakenkreuzen fotografieren und zeigt dabei auf diese?

Verständnis

Smitty 20.02.2013 - 10:41
Ich nehem an der Teil des Fotos ist abgeschnitten. Er zeigt auf die Schrift daneben. Was da steht? Keine Ahnung. ISt ja wie gesagt abgeschnitten.

Er

zeigt 20.02.2013 - 11:56
auf die beiden missglückten Versuche (die über seinem Zeigefinger ;-) ) ein Hakenkreuz zu zeichnen.

Khimki Antifas.

Juri 20.02.2013 - 22:09
Trotz allen Umständen sollten die russischen Genossen sich ihre Bündnispartner/innen mal genauer anschauen. Tschirikowa, die die Hauptorganisatorin von "Save Khimki Forrest" ist hat nämlich keine Berührungsängste mit Neonazis, wie Nawalny. In dem Video ist zu sehen, wie Nawalny in Khimki eine Rede hält.


"Battle for Khimki takes new turn
The second largest city in the Moscow Region is about to become the stage for this fall’s biggest political confrontation. Evgeniya Chirikova, leader of the "Save Khimki Forrest" environmental movement, has announced plans to run for mayor. Evgeniya Chirikova, leader of the environmental movement to preserve the Khimki forest and an associate of opposition leader Alexei Navalny has announced her intention to run for the office. In summer 2010, a tent camp was pitched in the forest, providing a flash point for tensions between local protestors, construction workers and security personnel. The conflict reached its height in July 2010 when, after yet another attack on the tent camp, anarchists of the Antifa movement attacked the Khimki government building with smoke grenades and stones."
 http://rbth.ru/articles/2012/08/23/battle_for_khimki_takes_new_turn_17617.html

Nawalny & Tschirikowa:  http://www.youtube.com/watch?v=jvM2hWkTR0o

"Alexei Anatoljewitsch Nawalny ist ein russischer Anwalt und oppositioneller Aktivist, der spätestens seit 2009 eine große Popularität unter russischen Bloggern erlangte.
Teilnahme an Aktionen von rechtsextremen und nationalistischen Gruppierungen
2011 begann Nawalny nationalistische Slogans zu verwenden. In einem Video vergleicht er militante Kaukasier mit Kakerlaken, die anders als die Schabe nicht mit einer Fliegenklatsche oder einem Pantoffel, sondern nur mit einer Pistole zu bekämpfen seien. Am 22. Oktober nahm er an einem „Russischen Marsch“ in Moskau teil, zu dessen Organisationskomitee er auch gehörte."
 http://de.wikipedia.org/wiki/Alexei_Anatoljewitsch_Nawalny

@Juri

Xu 21.02.2013 - 07:31
Oh, Herr Major sind aus dem Winterschlaf erwacht! Ich vermisse allerdings Ihren Standardtext?!? Vorerst soll mir der Hinweis reichen, dass in Chimki die Neonazis nach wie vor auf der anderen Seite kämpfen, nämlich als von Subunternehmen des Baukonzerns Vinci angeheuerte Schlägertrupps, was ja bekanntlich das Engagement der Antifa für den Wald und gegen die Autobahn stark intensiviert hat. Nawalny ist kein Neonazi, sondern ein populistischer Dummschwätzer, der auf jeder Welle mitreitet, und wenn sich Tschirikowa mit dem wirklich einlässt, tut sie sich und dem Wald sicher keinen Gefallen. Na, wir werden sehen, wie sich die Dinge dort entwickeln.

@ Juri

Chernjak 22.02.2013 - 02:02
Privet Juri,

abgesehen vom Kommentar von Xu, der die Angelegenheit treffend beschreibt, empfehle ich Ihnen, sich einmal mit der russischen Staatspolitik auseinander zu setzen. Sie werden sehen, dass es da sehr viel mehr Berührungspunkte mit nationalistischem und faschistischem Gedankengut gibt, als eine Rede Navalnys im Khimki-Wald. (Wo ist eigentlich in dem Video der Nationalismus versteckt?)

Sie sollten eigentlich darüber bescheid wissen, dass die russische Opposition völlig anders strukturiert ist, als in Deutschland. Dass es dort eine Opposition "von rechts" gibt - und damit Berührungspunkte mit linken und grünen Gruppen - bedeutet nicht, dass Antifaschisten rechtes Gedankengut tolerieren oder fördern.

Naja, Ihr Comeback in der Kommentarspalte ist leider etwas misslungen. Sie haben sogar vergessen, die Nashi als einzig echte Antifaschisten darzustellen. Oder haben Sie etwa dazugelernt?

@ Mods:
Wenn Juri (warum auch immer) nicht unter den Strich kommt, warum dann die Reaktionen auf seine "Arbeit"?

@Chernjak

Xu 22.02.2013 - 18:15
Das mit der Moderation liegt wahrscheinlich daran, dass man sich mit Russland schon ein bisschen auskennen muss, um nicht auf Juris Staatsantifaschismus reinzufallen. Also mal als Schnellkurs für die Mods: "antifaschistisch" nennt sich die Kremlpolitik seit 1941 traditionell, das ist ungefähr so ein Gemeinplatz wie "USA und Freiheit+Demokratie" (z. B. beim letzten Putsch in Venezuela = "Wir begrüßen die Wiederherstellung der Demokratie"). Die Bewertung verschiedener anderer AkteurInnen, die der russischen Regierung nicht passen, als faschistisch trifft in ganz unterschiedlichem Maße zu. Aber niemals faschistisch ist natürlich alles, was die russische Regierung macht, egal ob sie gegen Homosexuelle und MigrantInnen vorgeht oder Putin sich als "geistiger Führer der Nation" (duchowny lider nazii) abfeiern lässt. Auf dieser Linie argumentiert unser lieber Herr Major.

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Spanische Gerichte ...

Glückwunsch 20.02.2013 - 18:51
Spanische Gerichte sind ja sonst nicht so zurückhaltend, wenn es an die Unterdrückung politischen Widerspruchs geht. Weit über 1000 politische Gefangene, Folterungen und Inhaftierungen ohne Verfahren (per Strafbefehl) in Spanien sind ein deutliches Zeichen, dass es dort kaum noch sog. Bürgerrechte gibt.

Einen Glückwunsch jedoch an den russischen Genossen - Freiheit!