Bengalos in Espressotassen

Waldorf und Sattler 18.02.2013 09:27
Zum Geplänkel vom Samstag den 16.2.2013 in Kreuzberg
Bengalos in Espressotassen

Samstag 16.2.2013, wenige Minuten nach 20 Uhr, Mariannenplatz. Etwas planlos rumstehende Leute warten auf den Beginn DER Demo. Da, eine Rakete geht hoch, Startschuss für den Ersten Helden einen Pflasterstein in einen 25 Jahre alten Mercedes zu werfen, der für 2.500 Euro auf der Kottbusser Brücke stehen könnte. Ok, sehr revolutionär, hat sich seit den 80ern ja nicht viel geändert. Dann kommt "der Schwarze Block" den Mariannenplatz runter. "BRD Bullenstaat! Wir haben dich zum kotzen satt!" Erleuchtet von Bengalos zieht die Menge von einigen Hundert (in einschlägigen Internetforen wird von über 1.000 phantasiert!) schnellen Schrittes über die Mariannenstrasse in die Oranienstrasse. Revolutionsopfer auf dem Weg sind ein KIA und ein weiterer 20 Jahre alter Mercedes. So ein Stern auf der Motorhaube ist immer noch ein Magnet für Pflastersteine - egal wie alt und schedderig der Rest um den Stern auch sein mag. Pawlow lässt grüßen.
Zielstrebig läuft die Demo am Görlitzer Bahnhof direkt in die Arme der bereits wartenden Polizei. "Ganz Berlin hasst die Polizei! Ganz Berlin hasst die Polizei!" Super Timing. Nun kommt Bewegung auf. Die revolutionär-hassende Demo fängt an zu rennen. Nein, nicht auf den Feind, bloss weg von der Polizei, die Skalitzer Strasse und nächste links in die Mariannenstrasse. Die jenigen, die die Parolen ernst genommen hatten und sich unorganisiert getraut haben mutig ihre Flasche oder einen Stein geworfen haben, statt organisiert nur zu rufen, oder die einfach zu langsam waren und gestolpert sind werden nach kurzer Jagd festgenommen. Selber Schuld?
Auf dem Heinrich Platz die ersten "Barrikaden". Barrikaden? Ähm, jaaa da wurden 3 Baustellengitter und 40 Meter weiter ein paar Holzplanken auf die Strasse geworfen. Naja, kommt immer drauf an wer da die Definitionsmacht für sich beansprucht - dann sind das halt Barrikaden. Kommt ja auch immer auf den Horizont an - wie nah oder fern der ist. Zerkloppte Bushaltestellen lassen sich dann je nach Standpunkt genau so revolutionär erklären wie die Autos, die bis zu diesem Zeitpunkt einfach am falschen Ort standen.
Alles erinnert an diesem Abend irgendwie an die späten 80er Jahre, wo der gleiche Unfug passierte und mit wortreichem Geschwafel als linke Politik verkauft wurde. Da wird sich in einer Welt bewegt, die ungefähr die Größe einer Espressotasse hat und jedes Schaumblässchen was beim im Kreis schwimmen entdeckt wird, gilt als neue Entdeckung. Es ist aber eben nur fast wie in den 80ern. Und das liegt nicht an der Höhe der "Barrikaden". Es ist das Auftreten der Leute. Mit feinstem Carhartt-Mazine-Szene-Look für einige hundert Euro am Leib Parolen wie "A, Anti, Anticapitalista!" zu brüllen, den/die ganz Harte/n spielen und dummerweise (?) direkt in die Bullen laufen und dann rennen, das ist einfach nur peinlichiches Mackertum. Oder unglaubwürdig? Oder beides? Eine brennende Mülltonne, bzw. drei brennende Autoreifen auf der Oranienstrasse als "Barrikade" und Farbbeutel auf Senatsgebäude oder die Bundesdruckerei als "Angriff" abzufeiern ist peinlich. Das sind Sandkastenspielchen die eine Menge Bullen bewegen. Mehr wird da nicht bewegt. Schon gar nicht politisch. Der Samstagabend in Kreuzberg war alles Mögliche, aber nicht politisch und schon gar nicht links. Er war manchmal bunt wenn die Bengalos brannten oder sich Presseleute auf eine brennende Mülltonne stürzen konnten. Da war's aber auch schon.

Viel Spass noch in der Espressotasse beim im Kreis schwimmen und immer schön aufpassen, dass die Bengalos nicht nass werden. Wäre schade um die Dinger! Und, lernt zielen!

Mit solidarischen Grüßen, Waldorf und Sattler
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Ergänzungen

guter Text, genauso ist die sog. linke szene

ex kwer 18.02.2013 - 10:43
Genauso sieht es in vielen Städten aus, und wir wundern uns das wir nur ne Szene sind!

do not feed the troll

Wer, wenn nicht wir? 18.02.2013 - 11:29
Diese Demo war wie einiges anderes in letzter Zeit in Berlin sehr gut - unter verschiedenen Aspekten, die aber sicherlich nicht im Internet diskutiert werden sollten.

Dem hier schreibenden Autoren ist seine Verbitterung anzumerken. Leider lässt er nur andeutungsweise Biographisches durchscheinen, so dass ihm an dieser Stelle auch nicht weiter zu helfen ist.

treffender geht's

nicht 18.02.2013 - 12:01
diesem Artikel ist nix hinzuzufügen.
Das sehen auch fast alle, die ich in X-Berg kenne, so. Da muss man auch nicht "verbittert" sein. Es reicht ein gehöriger Schuss poltischer Erfahruzng und etwas gesellschaftliche Verankerung und Wahrnehmung; aber davon scheint es in einem Teil der selbstreferentiellen Berliner Jungautonomen-Szene ja nicht mehr viel zu geben.

@ gegen ageism (hooray 4 Kunstwörter!)

KnallundBauch 20.02.2013 - 18:54
Altersdiskriminierung? Das ist alles was du dazu zu sagen hast? Stell dich der Wirklichkeit, was der Autor dargestellt hat entspricht schlicht und einfach der Realität. Leugne doch nicht, dass du selbst das vermutlich schon bei einem Dutzend oder mehr Aktionen gesehen hast. Irgendwann wird es aber einfach zu offensichtlich, um die Augen davor zu verschliessen und es sich selbst irgendwie schönzureden.
Aber als Mittzwanziger bin ich vermutlich selbst ein "Ageist" (was für ein unglaublich beschissenes Wort einer Szene - ja Szene - die fanatisch auf Bullshit-Style fixiert ist), und sowieso Nazi, VS'ler und Bulle. Andere Leute können sowas ja gar nicht kritisieren, das ist unmöglich. Gut das Wahrnehmung so biegbar ist...

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Berlin - immer viel Gelaber. — hinterwäldler

Kein sachlicher Fehler — mister piggy

Schade — (muss ausgefüllt werden)

Konstruktiv geht anders — gegen ageism

völlig richtig — (muss ausgefüllt werden)

liebe Sandkasten Generäle und *innen — das Internet ist der falsche Ort

^^ — 36

>> — Xers

... — ..

Jaja das Eigentum — Milli Tanz