[FFM] militante Reaktionen auf IVI-Urteil

IVI-Soli 17.02.2013 00:15
Das seit mehr als neun Jahren besetzte Institut für vergleichende Irrelevanz (IVI) in Frankfurt ist seit Freitag morgen akut räumungsbedroht. Mit dem Urteil des Frankfurter Landgerichts vom 15.02. wurde die rechtliche Grundlage für eine Räumung geschaffen. Reaktionen der betroffenen und solidarischen Strukturen ließen nicht lange auf sich warten. Noch am selben Abend zogen 400 wütende Menschen durch Frankfurt und demonstrierten für mehr selbstverwaltete Zentren und erzeugten erheblichen Sachschaden in der Innenstadt. Parallel besetzten Aktivist*innen kurzzeitig zwei neue Häuser. Am darauf folgenden Samstag wurde das ehemalige Sigmund-Freud-Institut besetzt.

IVI - Institut für vergleichende Irrelevanz

Der 15.02. war ein langer Freitag in Frankfurt. Um 9:00 Uhr morgens begann der Gerichtsprozess, bei dem über die Rechtsform des besetzten Institut für vergleichende Irrelevanz (IVI) entschieden werden sollte. Das Immobilien-Unternehmen Franconofurt kaufte das IVI Anfang 2012 von der Uni Frankfurt. Seitdem machte Franconofurt bei jeder Gelegenheit das eigene Rechtsverständnis deutlich (1, 2, 3) Juristisch ist die Situation alles andere als klar. Da dem IVI keine natürliche oder juristische Person zugeordnet werden kann, ist unklar, gegen wen sich eine mögliche Räumung richten könnte. Daher versuchte Franconofurt zuletzt, das IVI als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zu begreifen. Diese juristisch mehr als fragwürdige Konstruktion wurde nun vom Frankfurter Landgericht in erster Instanz bestätigt. Damit wurde der Weg für eine Räumung geebnet.
Vor dem Landgericht versammelten sich etwa 200 Menschen und brachten ihre Solidarität mit dem IVI zum Ausdruck. Zum Prozess wurden nur etwa 30 Beobachter*innen zugelassen, was einem De-facto-Ausschluss der Öffentlichkeit aus einem öffentlichen Gerichtsverfahren gleichkommt.

Direkt im Anschluss an das fragwürdige Urteil beschloss das IVI-Plenum, die Arbeit im Haus selbstverständlich fortzuführen. Der Uni-AStA sowie der Arbeitskreis kritischer Jurist_innen äußerten in Pressemitteilungen Erschütterung und Unverständnis und zweifelten das Gerichtsurteil an.


entschlossene Soli-Demo am 14.02. für selbstverwaltete Zentren

Abends fand eine spontane Solidaritäts-Demonstration statt. Mindestens 400 Menschen liefen vom Uni-Campus Bockenheim zum IG-Farben-Campus und machten unterwegs deutlich klar, was sie von der Räumungsdrohung halten. Vom IG-Farben Campus ging es weiter in die Innenstadt. Die Stimmung wurde zunehmend kämpferisch. Von der Hauptwache zurück zum Uni-Campus Bockenheim schließlich entluden sich Wut und Unverständnis über die drohende Räumung. In der Nobel-Einkaufs-Passage Goethestraße, die gesamte Bockenheimer Landstraße entlang und vereinzelt im Luxusviertel Westend wurden Banken, Bürogebäude, Sicherheitsfirmen angegriffen. Viele Scheiben gingen zu Bruch, Baustellengerät landete auf der Straße. Der entstandene Sachschaden dürfte hoch sein. Die anwesende Polizei wurde ebenfalls angegriffen und erfolgreich verjagt. Bevor verstärkende Einheiten eintreffen konnten, zerstreute sich die Demonstration.

Parallel zu der Demonstration besetzten solidarische Aktivist*innen im Westend zwei leerstehende Gebäude: den ehemaligen Biocampus sowie die bereits letztes Jahr kurzfristig besetzte Schumannstraße 2. Beide Besetzungen wurden im Verlauf des Freitagabend selbstgewählt beendet.

Doch damit nicht genug: bereits am darauf folgenden Samstag wurde das ehemalige Sigmund-Freud-Institut in der Myliusstraße 20 besetzt (1, 2) Die Besetzung besteht bisher weiter, ein Programm für die nächsten Tage findet sich auf aktion152.blogsport.de. Das Institut gibt sich bisher kooperativ und will über die weitere Nutzung des Gebäudes verhandeln.

Unter dem Strich waren die Ereignisse der letzten beiden Tagen eine sehr deutliche Antwort auf die konkrete Räumungsdrohung. Franconofurt, die Stadt Frankfurt und die Polizei haben einen ersten Vorgeschmack davon bekommen, was ihnen bei einer tatsächlichen Räumung des IVI bevorsteht. Studentische und linke Strukturen in Frankfurt haben glaubhaft bewiesen, dass sie im Zweifelsfall den politischen und wirtschaftlichen Preis einer Räumung massiv in die Höhe zu treiben. Bezeichnend, dass gerade die Ereignisse zum Ende der Demonstration bisher von Politik, Polizei und bürgerlicher Öffentlichkeit totgeschwiegen werden.

In diesem Sinne: IVI bleibt stabil und geht weiter.


auch Kids sind für's IVI zu haben

PS: sorry für die Bilder, bisher sind keine anderen aufgetaucht

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Ergänzungen

Flachenpost auf Schiffen mit sieben Segeln

hr.home 17.02.2013 - 15:44
Tausende Flaschen werden bersten, sollte das Institut für vergleichende Irrelevanz in Frankfurt /Main tatsächlich geräumt und abgerissen werden. Es sind nur Flaschen aus Glas und es ist nur ein Haus aus Beton und Stein. In diesem Haus waren diese Flaschen befüllt worden. Flaschenposten, Buddelschiffe deren Inhalt sich gegebenenfalls auf die Meere begeben, die Flüsse hinauf und nicht mehr hinunter fahren. Sie selbst werden die Botschaft sein. Das Haus kann schwinden – die Irrelevanz bleibt.

Gegen Banken und Bonzen?

Ivi - support 17.02.2013 - 15:47
Ich habe das IvI und dessen Kultur- und (selbst)bildungsveranstaltungen immer als Gegenpol zu einer gressiven Kapitalismuskritik verstanden. Ich bin die Diskussion über Symbolpolitik gegen Symbole leid. Verkürzte Kapitalismuskritik ist nun mal verkürzte Kapitalismuskritik und hat immer eine offe Flanke in Richtung Antisemitismus.

Jetzt wo ein Raum den Angriffen des Staates ausgesetzt ist, der für eine progressive Kritik steht, geht mensch auf Kuschelkurs mit dem Freiraum-Mob und den Bankenentglasern der M31-Proteste. Verkauft wird das ganze dann als strategisch notwendiges Übel.

Mir, wie auch anderen Besucher*inn , die über die letzten Jahre das IvI besucht haben, bereitet dies große Sorgen. Auch die Bereitschaft Polizist*innen als "Bullen" zu entmenschlichen hat seit der Räumungsbedrohung vertsärkt zugenommen. Ich wurde über das IvI und auch andere Menschen und Läden in FFM politisiert und muss sagen, dass von den zivilisatorischen Mindeststandarts (gegen Dehumanisierung, Kritische Theorie, Israel-Solidarität) die ich im IvI vermittelt bekommen habe aktuell immer weniger zu spüren ist. Auf ein mal ist mensch gegen das "Scheinesystem" und lässt Demoteilnehmer*innen vollkommen unkritisch Parolen wie "ACAB" rufen (Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit). Warum wurden und werden im IvI emanzipatorische Standarts vermittelt, so wie auch bei mir, eine ganze Generation an Studierenden politisiert, wenn diese Standarts dann wegen einer drohenden Räumung über Bord geworfen werden?

Franconofurt handelt nach den Gesetzen des Marktes wie alle anderen auch. Der stumme Zwang der Dinge lässt sich nicht mit eingeschlagenen Bankscheiben aufheben. Darum ist es unverantwortlich gegen das Urteil zu protestieren. Lediglich eine gesamtgesellschaftliche, so wie individuelle, tiefgreifende Reflektion kann eine Lösung bieten. An statt sich nun der Regression hin zugeben sollte das IvI an dem festhalten, was es für viele Menschen zu einem emanzipatorischen Raum gemacht hat: Party, Kritik und Veranstaltungen gegen den Normalzustand - bis alle rausgetragen werden.

Das wäre eine Räumung die dem Ivi würdig wäre und auch seiner eigenen politischen Praxis und "Tradition" in Frankfurt entspräche. Gesellschaftskritisch aber ohne Verhandlungsreformismus, Forderungen an den Staat, oder Angriffe auf antisemitisch konotierte Platzhalter für den "Zinsjuden".

Es gibt weder Freiräume im Kapitalismus, noch die Möglichkeit diese realistisch zuerkämpfen oder zu erhalten, ohne zu personalisieren.
Hört bitte, bitte auf mit diesem Bewegungsblödsinn und diesem volks-linken, antisemitischen Freiraum-Murks!

Für die Zivilisation! Gegen jeden Antisemitismus und regressive Kapitalismuskritik!


@Ivi - support

Marodierender Pöbel 17.02.2013 - 17:14
Dein hysterisches "Antisemitismus"-geplärre kannst du dir sonst wo hin schieben !

Wer stellt denn den Bezug zwischen Finanzen/Spekulanten/Macht/whatever ... und Juden her ?
Richtig. Du und deine anti-DEUTSCHEN Freund_innen. Somit seid ihr ja wohl die Antisemiten.
Jetzt mal davon abgesehen, das ihr den Begriff sowas von inflationär verwendet, das er seinen Schrecken verliert und ihr wirklichen/anderen Antisemiten in die Hände spielt.

Jetzt mal abgesehen davon, das es super unsolidarisch ist, zu versuchen die Dynamik aus der Bewegung nehmen zu wollen und statt dessen "noch´ne letzte Party" zu fordern ..

Klar lassen sich Räumungen nicht militärisch verhindern, aber den Preis bestimmen immernoch wir.


An die ganzen anti-DEUTSCHEN Spalter, Hetzer, Polemiker, .. verpisst euch in die 90er-Jahre Diskos aus denen ihr gekommen seid !!!

An alle, die solidarisch handeln.
Bildet euch, bildet andere, bildet Banden !
Lasst´s krachen !
(A) !

Foddos

(muss ausgefüllt werden) 17.02.2013 - 22:17
verspätet noch paar Foddos vom Abend

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sowas... — xtc

Aushaltbare Widersprüche? — kritischer Bonzentheoretiker