FU Berlin: Präsidium verbarrikadiert sich

Wladek Flakin (RIO) 25.01.2013 12:40 Themen: Bildung Repression Soziale Kämpfe
"Peter-André Alt braucht Polizeigewalt!" skandierten die Studierenden, die am Mittwoch Abend im Schnee vor dem Henry-Ford-Bau an der Freien Universität Berlin demonstrierten. Im nach dem Antisemiten Henry Ford benannten Hauptgebäude der Uni versuchte in diesem Moment der Akademische Senat, eine neue Rahmenstudien- und Prüfungsordnung (RSPO) zu beschließen. Der Entwurf stößt bei den Studierenden auf heftige Kritik, denn er enthält viele Verschlechterungen. Wegen der angespannten Situation hatte Universitätspräsident Peter-André Alt persönlich die Polizei auf den Campus geholt, wie ihr Einsatzleiter bestätigte. FU-Kanzler Peter Lange verweigerte jeden Kommentar dazu.
So begleiteten rund 50 bewaffnete PolizistInnen die rund 100 Studierenden, die an der – sonst immer öffentlich stattfindenden – Sitzung teilnehmen wollten. Gleichzeitig versuchten mehrere ZivilpolizistInnen, sich einzumischen, fielen aber sofort auf. Der private Wachschutz der Universität ging soweit, die Türen des Gebäudes mit Ketten zu verschließen – als Studierende im Jahr 2009 eine Tür an der politikwissenschaftlichen Fakultät zuketten wollten, wurde das aus Gründen des Brandschutzes untersagt.

Um 15 Uhr versammelten sich die Studierenden in einem abgeriegelten Foyer und verhandelten mit Professoren aus dem Akademischen Senat, die das undemokratische Vorgehen kritisch sahen. Diese Runde vereinbarte, dass ein Vermittlungsausschuss eingesetzt werden sollte. Sobald die Sitzung begann, beschloss die Mehrheit der 25 Senatsmitglieder jedoch, die Öffentlichkeit auszusperren und ohne weitere Diskussion über die RSPO abzustimmen. Aus diesem Grund kam es zu Protesten rund um das Gebäude, in deren Verlauf zwei Studierende festgenommen wurden.

"Das ist nur die Krönung eines Prozesses, der von Anfang an ohne die Beteiligung und gegen die Interessen der Studierenden läuft", erklärte Michael Beron, Referent des AStA für Lehre und Studium. Nicht zum ersten Mal forderte das Präsidium unter dem 2010 gewählten Alt die Polizei gegen Studierende an: "Hier setzt das Präsidium seine repressive Politik fort, wie es im November 2011 das Seminarzentrum durch die Polizei räumen ließ", sagte ein Student, der anonym bleiben wollte. "Damit zeigen sie ihr wahres Gesicht."

Seit Sommer des vergangenen Jahres versucht das FU-Präsidium, die RSPO zu beschließen, die unter anderem eine Verschärfung der Anwesenheitspflicht und eine Begrenzung der Prüfungswiederholungen vorsieht. Da die Unileitung nicht zu Verhandlungen mit der Studierendenschaft und erst recht nicht zu Zugeständnissen bereit war, wurden Sitzungen des Akademischen Senats mehrmals durch studentische Proteste gesprengt, um einen Beschluss zu verhindern ( http://www.klassegegenklasse.org/fu-berlin-prufungsordnung-vorerst-verhindert/).

Durch ein Veto aller studentischen VertreterInnen im Akademischen Senat wurde die Entscheidung auf die nächste Sitzung verschoben. Diese soll am 6. Februar stattfinden und aller Voraussicht nach die RSPO endgültig beschließen. "Unfassbar finde ich, dass die Sitzung unter Polizeischutz stattfand. Eine ernsthafte inhaltliche Debatte ist offensichtlich nicht gewollt", erklärte Mathias Bartelt, der die Studierenden im Senat vertritt. Bei den vor einer Woche stattfindenden Wahlen zum Senat traten zwei studentische Listen an, die bei vielen den Eindruck erweckte, als seien sie auf Initiative von Alt zustande gekommen. Sie bekamen allerdings keinen Sitz, weshalb das Präsidium nun starke Hand zeigt.

Für den 6. Februar gibt es bereits einen Aufruf zu einer Vollversammlung und zu weiteren Protesten. Die Fachschaftsinitiative Wirtschaftswissenschaften schrieb an Unipräsident Alt: "Treten Sie von sich aus zurück! Präsident der Studierenden sind Sie spätestens seit dieser AS-Sitzung nicht mehr."

Um die RSPO noch zu verhindern, müssen wieder mehr Studierenden durch Vollversammlungen eingebunden werden. Die aktuelle Mobilisierung muss mit einer breiten Kampagne gegen die Repression verbunden werden. Schließlich muss auch klar sein, dass das Präsidium in einem kapitalistischen Bildungssystem nicht die gleichen Interessen hat wie die Studierenden ( http://www.klassegegenklasse.org/ihre-interessen-und-unsere/).

von Wladek Flakin, Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO),  http://www.klassegegenklasse.org

eine kürzere Version dieses Artikels erschien in der jungen Welt vom 25. Januar ( http://www.jungewelt.de/2013/01-25/016.php)

weitere Artikel dazu:
ASTA FU:  http://www.astafu.de/content/akademischer-senat-der-fu-tagt-nicht-%C3%B6ffentlich-pr%C3%A4sident-alt-sorgt-f%C3%BCr-robusten-polizeieins
FSI Wiwiss:  http://www.fsiwiwiss.de/blog/2013/01/24/prasidium-der-fu-verbarrikadiert-sich-vor-studierenden-as-sitzung-mit-polizeischutz-und-unter-ausschluss-der-offentlichkeit/
FU Watch:  http://fuwatch.de/?p=1660
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Ergänzungen

@ klassenbewusst

auch klassenbewusst 25.01.2013 - 14:27
jede revolution muss die intellektuellen schichten mit einbeziehen!
Die junge welt berichtet übringds auch darüber ...

Henry-Ford-Bau der FU-Berlin

mops 25.01.2013 - 15:44
Im Henry-Ford-Bau an der Freien Universität Berlin fand auch Ende 2012 eine Konferenz von Jürgen Elsässers Nazi-Querfront-Blättchen "Compact-Magazin" statt.

Richtigstellung zum Henry-Ford-Bau

Antiverschwörer 26.01.2013 - 11:23
Der Henry-Ford-Bau ist nicht nach dem Autor des 1920 bis 1922 erschienenen "internationalen Juden" benannt, sondern nach Henry Ford (1917-1987), der sich für die Finanzierung des Gebäudes bei der Errichtung 1952 bis 1954 verantwortlich zeichnet. So banal können Dinge sein...

Petition & Misstrauensantrag gg. FU-Präsident

fsi wiwiss 26.01.2013 - 16:05
Hier ein Artikel zu den aktuellen Entwicklungen rund um die Geschehnisse bei der Sitzung des Akademischen Senats der FU am 23.1. auf dem Blog der Fachschaftsinitiative Wirtschaftswissenschaften der FU:

 http://www.fsiwiwiss.de/blog/2013/01/26/misstrauens-antrag-petition-prasident-alt-gerat-bedrangnis/


Hier geht es direkt zur Petition:
 https://www.openpetition.de/petition/online/ruecktritt-von-peter-andr-alt

Hier geht es direkt zur Soli-PM des HoPo-Referats des RefRat (AStA) der HU:
 http://www.refrat.de/docs/hopo/PM_FURPOPol.pdf

Es heißt nicht "Henry-Ford-Jr.-Bau"

Wladek Flakin (RIO) 26.01.2013 - 20:50
@Antiverschwörer: Das Präsidium behauptet, der Henry-Ford-Bau sei nach Henry Ford Jr. benannt. Der Historiker Ralf Hoffrogge wies nach, dass das Gebäude seinerzeit nach dem Antisemiten Henry Ford benannt wurde. Erst als die Forderung nach einer Umbenennung erhoben wurde, tauchten von offizieller Seite Behauptungen auf, das Gebäude sei nach Henry Ford Jr. benannt. So banal können Dinge sein.

Hier ein Artikel für diejenigen, die Google nicht bedienen können:
 http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/3786

Aufruf zur blockade der nächsten Sitzung

kängu 30.01.2013 - 19:45
Aufruf zur Blockade. Gegen Polizei an der Uni und anderswo. Unizugang für alle!

 http://www.youtube.com/watch?v=yNmPb0Vkgnw

Pressespiegel

blub 01.02.2013 - 20:29
mittlerweile gibt es einiges an zeitungsartikeln, pressemitteilungen und blogeinträgen zum thema. hier eine übersicht:

 http://www.fsiwiwiss.de/blog/2013/01/24/aktueller-pressespiegel-zur-sitzung-des-akademischen-senats-23-1/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Streik - Semester — Hanna

Wies nach?! — Antiverschwörer