US: pol. Repression und Anti-Knast-Kampf

Bundesweites Free Mumia Netzwerk 21.01.2013 18:36 Themen: Antirassismus Blogwire Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Rundreise über pol. Gefangene, Masseninhaftierung und 'Decarceration'

Im Januar 2013 redete der Anti-Knast Aktivist Dan Berger in Berlin, Stuttgart, Frankfurt Am Main und Hamburg über die aktuelle Bewegung zur "Dehaftierung" in den USA. Er wurde dabei von vier politischen Langzeitgefangenen durch eigene Beiträge unterstützt. Nach einem historischen Überblick über die sozialen und revolutionären Bewegungen der 1960er und 1970er beschrieb er die Masseninhaftierung, die dort als Antwort gerade gegen die Communities Of Color praktiziert wurde und wird, die an den vorangegangenen Aufstände teilgenommen hatten.
In Berlin begann seine Rundreise mit einem ausführlichen Beitrag auf der Rosa Luxemburg Konferenz, eingeleitet durch eine Rede von Mumia Abu-Jamal ( Video unter  http://www.youtube.com/watch?v=3VS7wuEt9PY&feature=youtu.be , dt. und engl Transkript in der ersten beigefügten PDF), in der dieser auf die Aktualität politischer Repression im Zusammenhang mit Occupy hinwies. Dan Berger beschrieb darauf die Ausweglosigkeit politischen Reformismus im Angesicht der massiven rassistischen Ungleichheit innnerhalb der US Gesellschaft. Unter dem Eindruck politischer Morde gegen herausgestellte Personen wie Malcolm X oder Martin Luther King radikalisierte sich die Bürgerrechtsbewegung zusehends und brachte nach dem Vorbild der Black Panther Bewegung zahlreiche revolutionäre Organisationen hervor. Auch die Ablehnung des offensichtlich kolonialen Vietnamkrieges bestärkte diese Entwicklung. Ähnlich wie in Europa entwickelten zahlreiche Strömungen dieser Zeit bewaffnete Strukturen, die bis Mitte der 1970er eine massive Herausforderung an die Herrschenden in den USA bedeuteten.

Anhand der Biografien der beteiligten politischen Langzeitgefangenen ging Dan Berger auf die Black Liberation Army (BLA), den Weather Underground (WU) oder die puerto-rikanische Befreiungsbewegung ein. Dem folgten Beiträge von Sundiata Acoli (seit 1973 in Haft, siehe dt. Übersetzung in beigefügter PDF 2), David Gilbert, seit 1981 in Haft, ebenfalls dt. Übersetzung in beigefügter PDF 3) und Oscar Lopez Rivera (siehe dt. Übersetzung in beigefügter PDF 4). Aufgrund von Zeitdruck konnte Dan Berger auf der RL-Konferenz nicht seine gesamten Thesen zur modernen Anti-Knast Bewegung der USA darstellen, was er aber in den darauf folgenden Abenden nachholen konnte.

Die revolutionäre Grundstimmung jener Zeit spiegelte sich auch und gerade innerhalb der Gefängnisse jener Zeit wider, die damals soviele politisch Engierte zusammen brachte, dass die Black Panther Party sie in "Schulen der Befreiung" umzufunktionieren suchte. Zahlreiche Streiks und Aufstände sowie deren Niederschlagung sind bis heute im gesellschaftlichen Gedächtnis der USA präsent, so z.B. der Aufstand von Attica im Bundesstaat New York (  http://de.indymedia.org/2012/08/333932.shtml ). Ab 1972 antworte der Staat darauf mit Experimenten der Isolation zur Trennung politischer Zusammenhänge und zur psychologischen "Umerziehung" der kämpfenden Gefangenen. Das "Marion Gefängnis" war das erste Modell seiner Art, wurde aber bald zahlreich kopiert und war innerhalb weniger Jahre us-weit etabliert.

Dan Berger dokumentierte darauf auch jüngere politische Bewegungen (Globalisierungsgegener_innen, Tierrechtlier_innen, Occupy), die alle massiver Repression ausgesetzt werden, die als ein Erbe der brutalen staatlichen Niederschlagung revolutionärer Bewegungen in den 1970ern angesehen werden muss. Besondere Erwähnung fand hier die Praxis der "Grand Juries", in denen Angeklagte ohne Rechtsbeistand gezwungen werden sollen, belastende Aussagen gegen andere zu machen, um jegliche Solidarität zu zerstören. Gerqade in jüngster Vergangenheit gibt es innerhalb der anarchistischen Bewegungen sehr entschlossenen und mit viel Beugehaft bezahlten Widerstand.

In Berlin wurde seine Veranstaltung von einem "Postamt für Gefangene" begleitet, dass vom Free Mumia Bündnis aufgebaut worden war. Zahlreiche Infos und Adressen kämpfender Gefangener in den USA ebenso wie Briefumschläge, Postkarten und Porto standen für Hunderte von Besucher_innen einen ganzen Tag lang bereit. (siehe Foto 1)


„Decarceration“ oder auch „Dehaftierung“

Dan Berger stellte im zweiten Teil seiner Veranstaltung die moderne Anti-Knast Bewegung der USA vor und machte deutlich, dass gerade die zahlreichen Aufstände innerhalb der letzten Jahre auf mehrfache Art Verbindungen zu sozialen Kämpfen in der "freien" Gesellschaft hergestellt haben. So kämpften 2011 die gefangenen Arbeitsverweiger_innen in Georgia und Alabama einerseits gegen ihre extreme Ausbeutung innerhalb des Gefängnisindustriellen Komplexes (  http://arap.blogsport.de/2011/10/05/der-gefaengnisstreik-in-georgia-ist-der-laengste-in-der-us-geschichte-ein-gemeinsamer-aufstand-gegen-sklavenarbeit/ ), andererseits aber auch für ihre grundlegenden Menschenrechte, ohne die sie keine Überlebensperspektive unter den Langzeitstrafen sehen. 2011 und 2012 griffen über 12.000 Gefangene dies in Kalifornien auf, als sie gegen die z.T. über jahrzehnte praktizierte Totale Isolationshaft in einen Hunger- und Durststreik traten, an dessen Folgen inzwischen mehrere Gefangene gestorben sind (  http://rwor.org/a/237/Pelican-Bay-en.html ). Diese Kämpfe wurde in zahlreichen anderen Gefängnissen anderer Bundesstaaten weiter geführt und dauern bis in die Gegenwart an ( Beispiel: Transgender Anarky  http://prisonbooks.info/2012/10/04/trans-women-in-san-diego-prison-stage-hunger-strike/ ). Anders als in den letzten 20 Jahren trafen diese Kämpfe ab Ende 2010 auf ein größeres gesellschaftliches Interesse außerhalb der Gefängnisse, als sich im Zuge der Occupy Bewegung zahlreiche Menschen ebenfalls gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen durch staatliche Privatisierungen und Konzernherrschaft zu wehren begannen. Deutlicher als bei ihrem europäischen Gegenpart formulierte die Occupy Bewegung in den USA klare anti-kapitalistische Vorstellungen und suchte dabei auch an Beispielen aus der Vergangenheit nach Modellen einer breiten und offenen Mobilisierung.

Daraus entstand in den letzten zwei Jahren u.a. die "Decarceration Campaign", eine Kampagne zur Dehaftierung, die besonders in Pennsylvania und Illionois erste Erfolge in Form von Gefängnis Schließungen erreichen konnte. Besonderes Gewicht legen die Beteiligten hier auf zwei Dinge:

1. die Einbeziehung kämpfender Gefangener und eine gesteigerte Beachtung ihrer Forderungen
2. Zusammenhänge zwischen sozialen Kämpfen drinnen und draußen herzustellen

Da von vielen die privatisierten Schulen mit ihren grauenvollen „Bildungsangeboten“ für Arme z.B. als Start für ein Leben in Gefängnissen angesehen werden, bildete sich in Pennsylvania massiver Widerstand gegen Gefängnisneubauten unter der Losung „Build Schools – Not Prisons“ (Baut Schulen – keine Gefängnisse). Gefängnisse verlieren zusehends ihre staatlich behauptete Rechtfertigung als „Bekämpfung von Kriminalität“ und werden als das erkannt, was sie sind: Teil des Krieges gegen die Armen. Inzwischen haben die Behörden zwei Gefängnisse dort geschlossen. Auch das Supermax Gefängnis „Tamms“ in Illinois wurde auf öffentlichen Druck hin 2012 geschlossen, da der Bundesstaat die schweren Verletzungen der Menschenrechte von Gefangenen in dieser Art der Isolation nicht mehr rechtfertigen konnte. Diese Kampagnen sind ein direktes Ergebnis der kalifornischen Hungerstreiks sowie der Erinnerung an den Gefängnisaufstand von Attica. Sie verbinden in Form und Orientierung wesentliche Momente der Black Power Anti-Knast-Bewegung der 1970er mit der Gegenwart.

Ob sich Dehaftierung als Antwort auf den Gefängnisindustriellen Komplex und die massive politische Repression in den USA durchsetzen wird, ist derzeit noch unklar. Allerdings haben viele Menschen dort begonnen, den Kampf dagegen aufzunehmen und sind an einer Vernetzung über die USA hinaus interessiert.

In Frankfurt Am Main wurde eine komplette Veranstaltung (ohne die anschließende Diskussion) auf Video inkl. der deutschen Übersetzung mitgeschnitten (Video  http://www.youtube.com/watch?v=lWpoaAQVwUc&feature=youtu.be ). Ein lokaler Unterstützer von Leonard Peltier gab an diesem Abend auch einen Überblick über indigenen Widerstand in den USA und ging besonders auf die Situation von Leonard Peltier sowie den derzeitigen Hungerstreik von Therasa Spence ein (Video  http://www.youtube.com/watch?v=P8CT1742SpY&feature=youtu.be ).

Insgesamt sahen und diskutierten ca. 800 Menschen die Vorträge von Dan Berger, wovon der überwiegende Teil (ca. 600) an der Berliner RL-Konferenz teilnahm. Ca. 30 Menschen besuchten die Veranstaltung in Stuttgart (siehe Foto 2), ca. 100 in Frankfurt am Main und ca. 70 in Hamburg. Auf Fotos wurde ebenfalls eine Ausstellung vorgeführt, die sich mit politischen Gefangenen in den USA auseinadersetzt (siehe Foto 3). Eine spezielle Internet-Blogseite bereitete die Tour vor und veröffentlicht auch weiterhin Details zu den angeschnittenen Themen:  http://dragons.blogsport.de
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Ergänzungen

Kenny Zulu Whitmore

Free Mumia Berlin 22.01.2013 - 01:22
Im Zuge der Recherche für das "Postamt für Gefangene" nahmen wir Kontakt mit verschiedenen kämpfenden Gefangenen in den USA auf. Einer von ihnen - Kenny Zulu Whitmore - schrieb uns ebenfalls eine Botschaft für die Veranstaltungsreihe, die uns allerdings zu spät erreichte. Sie hängt hier als erste PDF an.

In der zweiten PDF ist ein Flugblatt über Kenny Zulu Whitmore als Kopiervorlage enthalten.

Schreibt den beteiligten Gefangenen!

Bundesweites Free Mumia Netzwerk 25.01.2013 - 10:14
Antwortet ihnen auf ihre Beiträgen


Mumia Abu-Jamal
#AM 8335
SCI Mahanoy
301 Morea Road
Frackville, PA

(Sundiata Acoli)
Clark Squire #39794-066
FCI Cumberland
Federal Correctional Institution
P.O. BOX 1000
Cumberland, MD 21501-1000
USA

David Gilbert
#83-A-6158
Auburn Correctional Facility
PO box 618
Auburn NY 13021
USA

Oscar Lopez Rivera
#87651-024
FCI Terre Haute
PO Box 33
Terre Haute, IN, 47808

"Postamt für Gefangene"

Free Mumia Berlin 26.01.2013 - 22:32
Schreibt Gefangenen!

Auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz im Januar 2013 in Berlin führten wir u.a. auch ein "Postamt für Gefangene" durch, welches nun online fortgesetzt wird. Ihr könnt dort zahlreiche Infos zu kämpfenden Gefangenen und nach und nach auch unsere Korrespondenz mit ihnen finden. Es gibt dort verschiedene PDF-Dateien als Kopiervorlagen für Flyer und natürlich alle Adressen zu den jeweiligen Gefangenen, damit ihr ihnen selbst schreiben könnt. Zur Zeit sind dort hauptsächlich Gefangene aus den USA gelistet, aber das Projekt wird nach und nach erweitert werden - FREE THEM ALL!

 http://www.mumia-hoerbuch.de/post.htm

Jailhouse Lawyers – Knastanwälte

Strafgefangene im Kampf gegen die USA 27.01.2013 - 23:13
vom Bundesweiten FREE MUMIA Netzwerk:

Wir freuen uns, dass nach mehrfacher Ankündigung nun wirklich Mumias Buch „Jailhouse Lawyers – Knastanwälte - Strafgefangene im Kampf gegen die Vereinigten Staaten von Amerika“ in deutscher Übersetzung im UNRAST Verlag erschienen ist.

Erste Stimmen und alle Informationen dazu auf  http://www.unrast-verlag.de/neuerscheinungen/jailhouse-lawyers-knastanwaelte-395-detail

Angela Davis hat das Vorwort zu diesem Buch geschrieben.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Independence day: 4th July

What, to the American slave, is your 4th of J 22.01.2013 - 01:08


During the 1850s, Frederick Douglass typically spent about six months of the year travelling extensively, giving lectures. During one winter -- the winter of 1855-1856 -- he gave about 70 lectures during a tour that covered four to five thousand miles. And his speaking engagements did not halt at the end of a tour. From his home in Rochester, New York, he took part in local abolition-related events.

On July 5, 1852, Douglass gave a speech at an event commemorating the signing of the Declaration of Independence, held at Rochester's Corinthian Hall. It was biting oratory, in which the speaker told his audience, "This Fourth of July is yours, not mine. You may rejoice, I must mourn." And he asked them, "Do you mean, citizens, to mock me, by asking me to speak to-day?"

Within the now-famous address is what historian Philip S. Foner has called "probably the most moving passage in all of Douglass' speeches."

*What, to the American slave, is your 4th of July?* I answer; a day that reveals to him, more than all other days in the year, the gross injustice and cruelty to which he is the constant victim. To him, your celebration is a sham; your boasted liberty, an unholy license; your national greatness, swelling vanity; your sound of rejoicing are empty and heartless; your denunciation of tyrants brass fronted impudence; your shout of liberty and equality, hollow mockery; your prayers and hymns, your sermons and thanks-givings, with all your religious parade and solemnity, are to him, mere bombast, fraud, deception, impiety, and hypocrisy -- a thin veil to cover up crimes which would disgrace a nation of savages. There is not a nation on the earth guilty of practices more shocking and bloody than are the people of the United States, at this very hour.