Krachende Niederlage der NPD Niedersachsen

recherche-nord 21.01.2013 14:55 Themen: Antifa Antirassismus
Das Ergebnis bedeutet für die NPD Niedersachsen eine krachende Niederlage: Bei der Landtagswahl 2013 konnte die neonazistische Partei lediglich 0,8% der Stimmen erringen. Damit ist der NPD Niedersachsen der
Weg der Parteienfinanzierung versperrt, die Zukunft des niedersächsischen Landesverbandes ungewiss.
Während zur Landtagswahl 2008 noch ein Ergebnis von 1,5% der Stimmen errungen werden konnte, musste die NPD Niedersachsen bei der diesjährigen Landtagswahl in Niedersachsen herbe Verluste hinnehmen. Die
NPD verlor nahezu die Hälfte ihrer Stimmenanteile und konnte lediglich 0,8% der Stimmen auf sich vereinen.

Weitaus desaströser als der reine Stimmenverlust dürfte sich das Scheitern an der 1% Hürde auswirken. Diese magische Grenze entscheidet bei Landtagswahlen über staatliche Zuwendungen, besser bekannt als
„Parteifinanzierung“ oder „Wahlkampfkostenrückerstattung“.

Maßgebend für deren Höhe ist die „Verwurzelung in der Gesellschaft“ der jeweiligen Partei, gemessen an den bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen erzielten Stimmen. Bei den Landtagswahlen misst sich
diese „Verwurzelung“ an der 1% -Hürde. Eine Hürde, an der die NPD Niedersachsen, welche mit dem Slogan „Sturmfest und erdverwachsen“ auf Stimmenfang ging, nun scheiterte.

Dass die NPD in ihrem Stammland Niedersachsen, jenem Bundesland, in dem sie 1964 gegründet wurde, nach den vorangegangenen Erfolgen bei den niedersächsischen Kommunalwahlen 2011 nun schwere Verluste einfuhr,
ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Der derzeitige Zustand der niedersächsischen NPD dürfte dabei ausschlaggebend gewesen sein.


NPD Wahlk(r)ampf in Niedersachsen

Die personelle wie strukturelle Schwäche der NPD im Flächenland Niedersachsen offenbarte sich im Zuge des nun stattfindenden Wahlkampfes zur Landtagswahl in beeindruckender Weise. Bis auf wenige Ausnahmen gelang es der neonazistischen Partei entgegen eigener Ankündigungen nicht an Aktivitäten vorangegangener Wahlkämpfe oder Kampagnen anzuknüpfen.

So konnten Wahlkampfaktivitäten wie Informationsstände, Plakatierungen oder Postwurfsendungen nur temporär gewährleistet werden. Dies lag vor allem an der mangelnden Unterstützung durch die Parteibasis, die nur wenig bis gar nicht in den zurückliegenden Wahlkampf eingebunden wurde. Eine Ausnahme bilden lediglich die Aktivitäten im Rahmen der sogenannten "Niedersachsentour", einer Reihe von Kundgebung in mehreren niedersächsischen Städten sowie regionalen Hochburgen, welche im Zuge des Wahlkampfes in Niedersachsen durchgeführt wurde.

Neben dem Wahlkampf versuchte die NPD Niedersachsen mit der „Wahlkampftour“ auch ein Zeichen nach innen zu setzen, die eigene Anhängerschaft für Aktivitäten zu mobilisieren. Doch Aktivitäten blieben rar gesät. Anstatt als politische Alternative in Erscheinung zu treten, kämpfte die NPD Niedersachsen zuletzt gegen einen anhaltenden Mitgliederschwund und mangelnde Unterstützung der eigenen Klientel.



Neonazis und NPD in Niedersachsen Keine Freunde mehr...

Die Rück- und Parteiaustritte zahlreicher Funktionäre der NPD Niedersachsen im Verlauf der letzten Monate lässt eine weitestgehend geschwächte, in sich zutiefst zerstrittene Partei erkennen; eine Entwicklung, die bis in die höchsten Führungsgremien hineinreicht. So trat mit Stefan Klingbeil zuletzt ein Mitglied des Landesvorstandes von allen Ämtern zurück.

Mit seinem kurz darauf erfolgten Parteiaustritt muss die NPD Niedersachsen nun auch auf ein Mandat im Stadtrat von Munster verzichten, das Klingbeil bei der vorangegangenen Kommunalwahl erringen konnte. Ein solches besaß die NPD Niedersachsen bis vor kurzem auch im Kreistag sowie im Stadtrat von Verden. Auch hier verlor sie ihr Mandat, nachdem der dortige NPD-Vertreter Marcus Walter kurzerhand zur Konkurrenzpartei "Die Rechte" wechselte.

Angesichts der vorangegangenen Monate bot Klingbeils Rücktritt im NPD-Landesvorstand allerdings keine wirkliche Überraschung. Bereits im Oktober 2011 trat mit Malte Holzer der damalige Landesgeschäftsführer der NPD Niedersachsen von seinem Amt zurück. Ihm folgten mit Ricarda Riefling und Denny Naterski zwei weitere Mitglieder des Landesvorstandes. Mit dem NPD Funktionär Denny Naterski verlor die niedersächsische Partei gar ihren Schatzmeister. Und selbst der NPD-Landesvorsitzende warf im vergangenen Jahr das sprichwörtliche Handtuch. Derzeit wird die NPD Niedersachsen lediglich kommissarisch geführt.

Auch in den NPD-Unterbezirken verzeichnet die NPD Niedersachsen einen stetigen Rückgang der Mitgliederzahlen. So fiel deren Anzahl in den vergangenen Jahren von rund 600 im Jahr 2009 auf nunmehr 460 Mitglieder. Führungskader wie Thomas Warnat, seines Zeichens Vorsitzender des NPD-Unterbezirk Hannover, sprechen bereits offen vom Zusammenbruch der Partei. So erscheint es nur konsequent, dass auch Warnat in den vergangenen Wochen seinen Rück- und Parteiaustritt erklärte.



Überhaupt keine Freunde mehr…

Doch nicht nur die eigenen Mitglieder verweigern der NPD Niedersachsen zunehmend die Gefolgschaft. Im Gegensatz zu vorangegangenen Wahlkämpfen verweigerten nun auch parteifreie Neonazigrupppen der NPD die Unterstützung. Konnte die Partei in der Vergangenheit noch auf zahlreiche WahlhelferInnen aus dem Spektrum der "Freien Kameradschaften" zurückgreifen, so hat sich dies zumindest in Niedersachsen fundamental geändert. Die Gründe für die mangelnde Unterstützung sind dabei vielfältig. Zum einen kämpft auch die niedersächsische "Kameradschaftsszene" mit erheblichen strukturellen Problemen.

So brachen in der jüngeren Vergangenheit etliche dieser Neonazivereinigungen in sich zusammen, gaben ihre Auflösung bekannt oder wurden wie zuletzt in der Region Hannover durch die Behörden verboten. Langjährige Neonazigruppen wie die „Snevern Jungs“ aus dem niedersächsischen Schneverdingen scheinen derzeit nur noch auf dem Papier zu bestehen. Und dies, obwohl sie von den Behörden als eine der „aktivsten Gruppen in Niedersachsen“ bezeichnet werden.

Darüber hinaus verfügt die parteifreie Neonaziszene Niedersachsens über keinerlei überregionale Vernetzungstruktur, welche die flächendeckende Zusammenarbeit mit der NPD zu koordinieren vermag. Die alten Netzwerke, im Szenejargon auch "Stammtische" genannt, sind zuletzt kollabiert oder durch Desinteresse eingeschlafen.

Auch die durchaus als schwierig zu bezeichnende finanzielle Situation, in welcher sich die NPD Niedersachsen derzeitig befindet, dürfte ihren Anteil zum "Wahlhilfeboykott" beigetragen haben. So gelang es der NPD Niedersachsen im Zuge der Landtagswahl 2009 noch die Mitglieder parteifreier Neonazigruppen durch finanzielle Anreize für Unterstützungs- handlungen zu gewinnen.

Unter der tatkräftigen Mithilfe von des Neonazikaders Christian Worch, der nun die Konkurrenzpartei "Die Rechte" gründete, wurde Honorare für WahlkampfhelferInnen in Aussicht gestellt. Dass die NPD vielen UnterstützerInnen die Zahlungen am Ende vorenthielt, die Zahlungen schlichtweg verweigerte, dürfte allerdings auf nur wenig Gegenliebe gestoßen sein.


„Die Parteijugend vergebens voran!“

Die mangelnde Unterstützung durch unabhängige Neonazigruppen wie auch durch den eigenen Mitgliederbestand rächte sich nun im Wahlkampf. Während in den vergangenen Kommunal- und Landtagswahlen NPD-Informationsstände zum gewohnten Bild etlicher Klein-und Großstädte in Niedersachsen gehörten, konnten diese nunmehr kaum noch gewährleistet werden.

So konnte der NPD-Unterbezirk Stade, der zu den aktivsten und beständigsten in ganz Niedersachsen gezählt werden kann, einen Großteil seiner Aktivitäten nur mit Unterstützung von außen durchführen. Ohne die Unterstützung von Mitgliedern der NPD Jugendorganisation "Jungen Nationaldemokraten" (JN) aus dem Großraum Bremen hätte der NPD-Unterbezirk Stade kaum Aktivitäten entfalten können.

Ohne die Aktivitäten der „Jungen Nationaldemokraten“ wäre der gesamte Wahlkampf der NPD Niedersachsen in großen Teilen nicht durchführbar gewesen. Doch auch deren Vorgehen unterstreicht nur die erhebliche Schwächung der NPD Niedersachsen. So musste die JN Niedersachsen einen eigenen "Aktionstag" im Kreise ihrer Mitglieder ausrufen, um Wahlpropaganda zu verteilen. Ein tagtäglicher Wahlkampf schien nicht möglich. Am besagten "JN Aktionstag" am 05. und 06. Januar 2013 im Landkreis Vechta nahmen JN-AktivistInnen aus dem gesamten Bundesland teil.

In den vergangenen Jahren konnte die NPD Niedersachsen noch auf solche "Aktionstage" verzichten um die eigene Anhängerschaft zu mobilisieren oder aktiv in den Wahlkampf einzugreifen. Doch lokale Strukturen scheinen der Aufgabe nicht länger gewachsen gewesen zu sein. Auch wenn der „Aktionstag“ im Nachhinein als Erfolg gefeiert wurde, wirft er dennoch ein bezeichnendes Licht auf die vorherrschende organisatorische Schwächung der neonazistischen Partei in Niedersachsen.


Repressionen nach Innen

Als Organisator des im Großraum Vechta durchgeführten "Aktionstages" trat der derzeitige JN-Landesvorsitzende Christian Fischer in Erscheinung. Und Fischer scheint Teil des Problems, dies zumindest im Bezug auf die internen Streitigkeiten innerhalb des niedersächsischen Landesverbandes.

Im Rahmen des NPD-Landesparteitages 2012 gehörte Christian Fischer zu jener Fraktion im niedersächsischen Landesverband, welche NPD-Mitglieder massiv bedrohte und kritische Stimmen gewaltsam einschüchterte: eine Einschüchterung, die sich keineswegs auf die niederen Ränge der Parteibasis beschränkte.

Die interne Repression greift inzwischen bis in die Führungsspitzen der niedersächsischen NPD über: So wurde unter anderem der Vorsitzende des NPD-Unterbezirkes Braunschweig, Friedrich Preuß, im Verlauf des letzten NPD-Parteitages von Christian Fischer bedroht und auf seinen Stuhl zurückgestoßen. Preuß hatte während einer Rede des stellvertretenden Landesvorsitzenden Matthias Behrens Kritik am bisherigen Landesvorstand äußern wollen.

Ausgehend von diesem Klima innerparteilicher Repressionen kehrten langjährige UnterstützerInnen der neonazistischen Partei im Flächenland Niedersachsen den Rücken. Unterstützt wurde dies noch durch eine beispiellose Diffamierungskampagne durch VertreterInnen des NPD-Landesvorstandes gegen die eigene Parteibasis.

„Aufmüpfige“ NPD-Unterbezirke und deren VertreterInnen wurde nahegelegt sich mit offen kommunizierter Kritik zurückzuhalten, ansonsten würden „Konsequenzen“ folgen. Um welche „Konsequenzen“ es sich dabei handeln sollte, darüber schwieg sich die Parteiführung bis zuletzt aus. Der Landesvorstand sorgte darüber hinaus dafür, dass diejenigen Kräfte, die als KritikerInnen verortet wurden, von der Landesliste der KandidatInnen zur niedersächsischen Landtagswahl ausgeschlossen wurden.


Propaganda hier! Propaganda Wo?

Auch die im Zuge des Wahlkampfs angekündigte „Propagandaoffensive“ bestätigt das Bild einer strukturell angeschlagenen Partei. So musste die NPD-Niedersachsen zu Beginn des Landtagswahlkampfes zum großen Teil auf Materialien der NPD-Jugendorganisation zurückgreifen, um Wahlkampfstände entsprechend auszustatten. In einigen Regionen lagen den NPD-Unterbezirken bis zuletzt keinerlei eigene Propagandamaterialien zur Landtagswahl vor.

Davon ausgeschlossen blieb die niedersächsische NPD-Wahlkampfzeitung, die jedoch nur durch die Unterstützung anderer NPD-Landesverbände realisiert werden konnte. Auch die Verbreitung ihrer Thesen mit Hilfe der NPD-Wahlkampfzeitung stellte die NPD Niedersachsen vor logistische Probleme. Mangels personeller Unterstützung beschränkte sich die Verteilung auf regionale Hochburgen.

Auch ein eigens für den Wahlkampf produzierter Videoclip bestärkte nur das desolate Image der neonazistischen Partei. Der ohne viel Aufwand im niedersächsischen Buxtehude aufgenommene und später auf dem Heimcomputer produzierte Werbefilm erinnerte vielmehr an eilig aufgenommene Grußworte als an einen scharf geführten Wahlkampf.

Die JN Schulhof-CD, welche im Rahmen des Wahlkampfes durch die NPD flächendeckend verteilt werden sollte, erwies sich ebenfalls als kontraproduktiv. So untersagten die Behörden der Stadt Rotenburg/Wümme das Verteilen des Tonträgers an Jugendliche, nachdem sich herausstellte, dass sich darauf indiziertes Liedgut befindet. Dabei handelt es sich um das neue JN-Bundeslied "Unsere Stunde, die wird kommen", welches als jugendgefährdend klassifiziert wurde.

Doch nicht die Behörden legten der NPD den größten Stolperstein im Wahlkampf in den Weg; die NPD scheiterte vielmehr an sich selbst. Angemeldete Wahlkampfstände wurden ohne Rückmeldung abgesagt. In Städten wie Rotenburg/Wümme denken die Behörden inzwischen offen darüber nach zukünftige NPD-Infostände wegen „mangelnder Ernsthaftigkeit“ zu untersagen.


NPD Wanderzirkus reloaded

Die Einschätzung personeller wie struktureller Schwächung ändert sich auch nicht bei einer genaueren Betrachtung der sogenannten „NPD-Niedersachsentour", in deren Verlauf die NPD in mehreren Städten Kundgebungen durchführte. Vielmehr verstärkt sich dieser Eindruck noch. Besagte Wahlkampftournee wäre ohne die Unterstützung der JN-Niedersachsen sowie anderer NPD-Landesverbände nicht denkbar gewesen. Der NPD selbst schien in Niedersachsen schlichtweg das nötige Personal zu fehlen, um den Ablauf überregional zu gewährleisten. So bestand der Großteil der TeilnehmerInnen auf allen Kundgebungen aus einem festen Kreis von Neonazis.

Diese rekrutierten sich fast ausschließlich aus Strukturen der „Jungen Nationaldemokraten“ und des „NPD-Ordnerdienstes“. Doch auch diese Strukturen waren personellen Schwankungen unterworfen. Die einzige Konstante bildeten der kommissarische NPD-Landesvorsitzende Manfred Börm, der Vorsitzende des NPD-Unterbezirkes Stade Adolf Dammann, der gleichzeitig als Spitzenkandidat der NPD Niedersachsen auftrat, sowie Patrick Kallweit, Pressesprecher der NPD-Niedersachsen.

Weitere Mitglieder der NPD Niedersachsen suchte man hingegen zumeist vergebens. Wenn diese dennoch in Erscheinung traten, dann lediglich am Rand und in abwartender Haltung. Einzige Ausnahme bildete Ricarda Riefling, Vorsitzende des NPD-Unterbezirkes Oberweser. Dass diese jedoch die Wahlkampftour dazu nutzte, ihren Umzug nach Rheinland-Pfalz und somit ihren faktischen Rücktritt zu verkünden, scheint bezeichnend für die gesamte NPD Niedersachsen.

So bleibt am Ende die Feststellung, dass die NPD Niedersachsen trotz überregionaler Bewerbung lediglich eine Handvoll UnterstützerInnen zu den Kundgebungen mobilisieren konnte. Eine Ausnahme bildeten die neonazistische „Kameradschaft Northeim“, welche neben einer Veranstaltung in der Stadt Northeim auch bei der Abschlusskundgebung in Hannover am 19.01.2013 mit einem Dutzend Mitglieder zugegen war und die NPD Niedersachsen unterstützte.

Dies verdankte die NPD allerdings weitaus mehr der Person Marco Borrmann als dem eigenen Wirken. Handelt es sich doch bei Borrmann nicht nur um einen Beisitzer im Landesvorstand der NPD sondern auch um eine tragende Säule der „Kameradschaft Northeim“.

Damit gleicht die nun als "Niedersachsentour" beworbene Veranstaltungsreihe der "NPD Deutschlandtour", einer ähnlich strukturierten Kundgebungsreihe im Sommer vergangenen Jahres. Auch hier kämpfte die NPD zum größten Teil mit erheblichen Mobilisierungsschwächen und konnte nur in regionalen Hochburgen auf Unterstützung hoffen.

Einziger Unterschied zur vorangegangenen "NPD-Tour" bildete der Umstand die nun durchgeführten Kundgebungen als NPD-Wahlkampfveranstaltungen zu deklarieren. In diesem Rahmen war eine behördliche Verhinderung oder Untersagung der Veranstaltung nahezu ausgeschlossen. Doch trotz dieser Sicherheit gelang es der NPD nicht die Kundgebungen mit Teilnehmern auszustatten. Entweder sprachen deren VertreterInnen vor leeren Marktplätzen oder sahen sich wütenden Protesten gegenüber, oft auch beidem.


Ausgesuchtes Personal

Bezeichnend ist allerdings, wer zum Unterstützerkreis der Wahlkampftour gehörte. Neben verurteilten Gewalttätern fanden sich ehemalige Mitglieder der verbotenen "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ) unter den NPD-Ordnungskräften. So auch der ehemalige HDJ-Aktivist Christian Fischer, der 2009 für bundesweite Schlagzeilen sorgte, nachdem bekannt wurde dass er zu den Organisatoren einer "Rasse-Schulung" gehörte. Auch der ehemalige HDJ-Aktivist Sebastian Richter nahm als Ordner an den Kundgebungen teil.

Richter hat inzwischen ähnlich wie Christian Fischer eine neue politische Heimat bei den „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) gefunden und gehört dem JN-Bundesvorstand an. Jahrelang koordinierte er dort die Aktivitäten der JN-Interessensgemeinschaft "IG Fahrt und Lager" die ähnlich wie die HDJ paramilitärisch anmutende Freizeitveranstaltungen und Zeltlager durchführt.

So verwunderte es auch nicht, dass mit Martin Götze auch der ehemalige Einheitsleiter der „HDJ-Einheit Schwaben“ zum Begleitpersonal der "Niedersachsentour" gehörte. Dass sich der derzeitige kommissarische Landesvorsitzende Manfred Börm daran nicht störte, erscheint logisch, gehörte er doch selbst zum Umfeld der HDJ sowie zum Führungskreis von deren Vorgängerorganisation, der "Wiking Jugend" (WJ).

In der WJ agierte Börm als "Gauleiter" der „Wiking Jugend Niedersachsen und Bremen" und gehörte zum Kreis der „WJ Wehrsportgruppe Theorie und Training“, deren Mitglieder später bei der rechts-terroristischen "Wehrsportgruppe Wehrwolf in Erscheinung traten. Börm selbst wurde auf Grund dieser Tätigkeiten zu sieben Jahren Haft wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt.

Während dieser Personenkreis vom 07. bis zum 12.Januar das Erscheinungsbild der NPD-Niedersachsntour bestimmte, wurde die darauf folgenden Woche durch Mitglieder des NPD-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern geprägt. Ehemalige HDJ-Aktivisten um den Greifswalder Neonazi Frank Klawitter übernahmen ab 14.01.2013 die Aufgaben als eingesetzte NPD-Ordnertruppe.


Gewalt war ihr Hobby

Der NPD-Ordnerdienst fiel allerdings nicht nur auf Grund seiner Unbeständigkeit auf. Für Schlagzeilen sorgte dieser vor allem durch einen gewaltsamen Übergriff während einer NPD-Kundgebung im niedersächsischen Lingen.

NPD-Ordnungskräfte attackierten GegendemonstrantInnen mit Faustschlägen, nachdem diese verhindern wollten von den anwesenden Neonazis gefilmt zu werden. Sebastian Schmidtke, seines Zeichens Vorsitzender des NPD-Landesverbandes Berlin, schlug gar mit einem zum Schlaginstrument umfunktionierten Regenschirm auf die bedrängten GegendemonstrantInnen ein. Die Polizei nahm inzwischen Ermittlungen auf.

Dies dürfte allerdings nicht das einzige Ermittlungsverfahren sein, dem sich die NPD in den nächsten Wochen gegenüber sieht. So rammte während einer NPD-Kundgebung in Hannover der Fahrer des NPD-Wahlkampf-LKWs einen Polizeibeamten mit dem Außenspiegel. Der Fahrer, das NPD-Mitglied Gustav Haenschke, darf sich nun auf ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung einstellen.

Weitere Anzeigen zog sich die NPD Niedersachsen zu, nachdem deren Mitglieder in einigen Wahlkreisen die Plakate anderer Parteien abrissen oder überhängten. Auch gegen den NPD-Pressesprecher Patrick Kallweit ermitteln die Behörden und zwar wegen Beleidigung. Inwieweit die derzeitigen Ermittlungsverfahren noch ergänzt werden, bleibt abzuwarten. Mehrere Redner wie der NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel oder auch der Vorsitzende der NPD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern Udo Pastörs bewegten sich in ihren Redebeiträgen nahe am Rande der Volksverhetzung.

Auch mit dem im Wahlkampf eingesetzten Fahrzeugen hatte die NPD Niedersachsen kein Glück. So rammte der NPD-Wahlkampf-LKW im Anschluss an eine Kundgebung im niedersächsischen Northeim eine Bahnunterführung. Der Fahrer missachtete zuvor eine Höhenangabe der Brückenanlage. Auch ein Brandanschlag auf Fahrzeuge des NPD-Ordnerdienstes am 16.01.2013 im niedersächsischen Schneverdingen kommt der NPD teuer zu stehen. Es entstand ein Sachschaden von rund 25.000 Euro.


Und Ende?

Das nun erzielte Ergebnis von 0,8% der abgegeben Stimmen dürfte der NPD Niedersachsen weitere finanzielle Schwierigkeiten bescheren. Durch das Scheitern an der 1% Hürde ist die neonazistische Partei von staatlichen Zuwendungen ausgeschlossen. Für die ohnehin finanziell bereits arg in Schieflage liegende NPD bedeutet dies einen weiteren Rückschlag.

Auch auf die Gemütslage der NPD-Mitglieder in Niedersachsen dürfte sich das nun eingefahrene Ergebnis nur wenig positiv auswirken.  Führende NPD- Funktionäre verkündeten bis zuletzt, dass man von einem Ergebnis von mindestens 2% ausgehe. Einzelne Kandidat_innen wie Martin Zaha aus dem Wahlkreis
Stade hielten gar 3,5% der Stimmen für absolut realistisch. Diese Realitätsverzerrung rächt sich nun. In sozialen Netzwerken mehrten sich bereits wenige Stunden nach Verkündung der Wahlergebnisse die Stimmen unzufriedener NPD-Anhänger_innen, die ihren Austritt aus der NPD in Aussicht stellen.

Angesichts des Wahlausganges bleibt die Zukunft der NPD Niedersachsen ungewiss. Anstatt gestärkt aus dem Wahlkampf hervorzugehen steht die neonazistische Partei einem politischen wie organisatorischen
Scherbenhaufen gegenüber. Parteiinterne Machtkämpfe und Richtungsstreitigkeiten dürften bald offen zu Tage treten. Inwieweit der derzeitige, ohnehin nur kommissarische NPD-Landesvorstand diese zukünftigen Klippen umschiffen kann, bleibt fraglich, zumal dieser mit seiner radikalen Ausrichtung nach Ansicht vieler NPD Mitglieder ohnehin die eigentliche Ursache der derzeitigen Erschütterungen ist.

Die geplante Gründung eines niedersächsischen Landesverbandes der Neonazipartei „Die Rechte“ dürfte von der NPD ebenfalls mit Unbehagen erwartet werden. Übertritte werden erwartet, weitere Mitgliederverluste
scheinen vorprogrammiert. Im niedersächsischen Landtagswahlkampf versuchte die NPD als geschlossene Partei in Erscheinung zu treten. Es bleibt abzuwarten ,wie lange es dauert, bis diese Fassade zu bröckeln beginnt.

recherche-nord

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Ergänzungen

1, 25%

l 21.01.2013 - 16:07
Ist die Schwelle in Niedersachsen nicht 1,25 % für die Wahlkampfkostenerstattung ?
Spielt zwar keine Rolle mehr, aber ist vielleicht interessant zu wissen, dass es nicht immer die 1 % sind.

Ein Prozent

Schlaubaddel 21.01.2013 - 16:47
In der Tat liegt die Grenze der Parteienfinanzierung (früher Wahlkampfkostenerstattung) bei einem Prozent. Geregelt ist das durch ein Bundesgesetz, dem "Parteingesetz" also bundesweit einheitlich, Demnach gelten dei Europa- und Bundestagswahlen 0,5 % und bei Landtagswahlen 1 % der abgegebenen Stimmen.
Siehe auch "§18 Ziffer 4 PartG - Grundsätze und Umfang der staatlichen Finanzierung"

Im Übrigen ein superanalytischer Artikel. Hat Freude gemach, ihn zu lesen.

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