Streit um Anti-Medien-Seite von Anonymous

Mitglieder der Hackerorganisation "Anonymous" oder Personen, die sich als solche ausgeben, veröffentlichten kürzlich eine Anti-Medien-Seite. Damit brechen sie ein selbstauferlegtes Tabu. Denn ein Kodex der Organisation besagt: "Never attack the media", was soviel heißt wie "Greife niemals die Medien an".
Die deutschen Vertreter von Anonymous dementierten bereits, dass sie hinter der Seite stecken. Doch der Vorteil der Anonymität ist auch gleichzeitig ein Problem der Gruppe - schließlich kann theoretisch jeder Trittbrettfahrer eine Attacke gegen irgendwen oder irgendwas fahren und das als Aktion von Anonymous ausgeben. Allerdings ermuntert "Anonymous" auch dazu, selbst aktiv zu werden. Sucht man im Internet nach der Organisation mit der bekannten Guy-Fawkes-Maske, so ist der erste Google-Eintrag www.du-bist-anonymous.de .

Jeder kann also mitmachen, per anonymen Attacken Schieflagen zu korrigieren, insbesondere politische. Davon gibt es eine ganze Menge. Der deutschsprachige Twitter-Dienst von Anonymous twittert stündlich wichtige politische Nachrichten. Auch bei Demonstrationen wie "Occupy" oder gegen "ACTA" sind die Hacker mit dabei. Politischer Protest ist also nichts ungewöhnliches, im Gegenteil.
Anonymous ist einerseits auf die Medien angewiesen und die Medien sind froh, interessante Schlagzeilen von der Truppe geliefert zu bekommen.

Doch nun wandelt sich das Bild, die Medien bekommen unter dem Label "Anonymous" erstmals heftigen Gegenwind zu spüren. Stein des Anstoßes ist - ganz anonymous-typisch - ein politischer Gegenstand: Die Piratenpartei.

Die Anonymous-Aktivisten der Anti-Medienseite www.dermedienhype.reads.it werfen zahlreichen Journalisten vor, seit geraumer Zeit angeblich gezielt die Piratenpartei niederzuschreiben. Um diesen Vorwurf zu belegen, stellten die Aktivisten einen Pressespiegel zusammen. Aus dutzenden journalistischen Berichten zitierten die Anonymen vermeintliche falsc nab ehe und gehässige Passagen, mit denen vor allem die BILD-Zeitung, aber auch die WELT, der SPIEGEL, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und andere Zeitungen/Zeitschriften angeblich Front gegen die Piratenpartei macht.

Die offenbar kürzlich ins Netz gestellte Seite löste ein heftiges Echo aus. Wie ein Lauffeuer soll sich der Link per Twitter, Facebook & Co. verbreitet haben. Glaubt man einem Update der Seite, ließ der Protest aus Hackerkreisen um die deutsche Anonymous-Bewegung nicht lange auf sich warten. Ein Team namens m3du5a startete eine Denial-of-Service-Attacke gegen die Seite. Der SPIEGEL glaubt, dass hier ebenfalls Anonymous dahintersteckt. Aber auch das darf bezweifelt werden, denn das m3du5a-Team beschreibt sich nur Anonymous nahestehend, sieht sich aber nicht als offiziellen Teil davon. Die Aktivisten der Medienhype-Seite hingegen haben ihre Seite mit dem typischen Anonymous-Logo überschrieben.

Wer immer auch hinter der Seite steckt, geht ziemlich offensiv gegen die deutsche Presselandschaft vor. Und zwar mit so scharfen Worten, dass sich Bernd Schlömer, der Bundesvorsitzende der Piratenpartei, sogar dazu bemüßigt sah, unmittelbar eine Stellungnahme abzugeben und die Verfasser der Seite als "Verrückte" bezeichnete.

Fraglich, ob der Geisteszustand der Aktivisten wirklich daneben ist. Denn die Enthüller haben sich nach eigenen Angaben angeblich Zugang zu E-Mails verschafft, wonach eine Redaktion angeblich ihren Schreibern die Anweisung gegeben haben soll, die Piraten nicht in wohlwollender Form zu behandeln. Die Seitenbetreiber betonen jedoch, dass es sich dabei um eine einzelne Redaktion handeln soll und man keine Beweise habe, dass Redaktionen übergreifend vereinbart hätten, gemeinsam die Piratenpartei niederzuschreiben.

Auch bezüglich der heftig diskutierten Buchveröffentlichung von Julia Schramm "Klick mich - Bekenntnisse einer Internet-Exhibitionistin" erhebt die Seite den Anspruch, eine gezielte Attacke gegen die Piratenpartei ausfindig gemacht zu haben. Denn Schramm und die Piratenpartei wurden hauptsächlich deshalb kritisiert, weil sie das Buch nicht gratis zur Verfügung stellten. In die öffentliche Wahrnehmung rückte das Buch unstrittig wegen des außergewöhnlichen Vorschuss-Honorars, das Schramm bekommen haben soll. Dieses Honorar stünde jedoch im Widerspruch zu der geringen Startauflage. Die Aktivisten sind sich sicher: Der Verlag wollte mit dem Buch hauptsächlich die Piratenpartei beim Urheberrechts-Thema bloßstellen.

Die Aktivisten unter dem Anonymous-Label sehen sogar die Demokratie gefährdet, weil die Medien angeblich so heftig gegen die Piratenpartei vorgehen. Die Seitenbetreiber kündigten an, zumindest nicht gleich gegen die bösen Schreiber vorgehen zu wollen, sondern ihnen Gelegenheit zur Besserung zu geben.