Dresden: Erst eins, dann zwei, dann drei, dan

addn.me 21.12.2012 10:15 Themen: Antifa Blogwire Freiräume
Noch immer müssen sich in Dresden Menschen für die verhinderten Naziaufmärsche 2010 und 2011 vor Gericht verantworten. Während die Staatsanwaltschaft in ihren Ermittlungsverfahren für einen durch Massenblockaden verhinderten Aufmarsch am 13. Februar 2010 vor allem Politikerinnen und Politiker der parlamentarischen Linken im Visier hatte, betrifft die Repression 2011 vor allem diejenigen, die hinter dem Dresdner Hauptbahnhof stundenlang die Straßen blockiert und damit den geplanten Aufmarsch von etwa 600 Nazis unmöglich gemacht. Zeitgleich war es im Aufmarschgebiet in der Dresdner Südvorstadt immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Linken und der Polizei gekommen.
Nachdem das Dresdner Amtsgericht im November das Verfahren gegen den Linke-Politiker André Hahn eingestellt hatte, wurden heute vom Amtsgericht auch die Verfahren gegen Janine Wissler und Willi van Ooyen eingestellt. Die beiden waren zuvor im Mai diesen Jahres gegen einen Strafbefehl über 3.000 Euro wegen des Vorwurfs der Rädelsführerschaft in Berufung gegangen. Der parlamentarische Geschäftsführer der Linken im Hessischen Landtag, Hermann Schaus, zeigte sich erfreut und kündigte ungeachtet des Verfahrens an, auch in Zukunft zu protestieren, "wenn Neonazis aufmarschieren". Im Hinblick auf die Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds sprach er von einem "verheerenden Signal, dass diejenigen strafrechtlich verfolgt werden, die sich den Neonazis in den Weg gestellt haben". Die Staatsanwaltschaft hatte den Abgeordneten der Linken vorgeworfen, eine der möglichen Routen der geplanten Nazidemonstration am 13. Februar vor fast drei Jahren blockiert zu haben.

Zugleich wird bei einem Blick auf die Übersichtsseite (Detaillierte Übersicht) von Johannes Lichdi (Die Grünen) deutlich, dass noch immer Ermittlungsverfahren gegen Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den erfolgreichen Massenblockaden vom 19. Februar 2011 laufen. Demnach mussten sich bis Anfang Oktober 2012 erst drei Personen wegen der Teilnahme an einer der Blockaden vor Gericht verantworten. Die Prozesse vor dem Amtsgericht endeten mit einem Freispruch und zwei Verurteilungen. Insgesamt 153 Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz wurden bislang eingestellt, 134 dieser Verfahren endeten mit der Zahlung einer Geldbuße. Da die Mehrzahl der Betroffenen jedoch Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt hatte, wurden bislang lediglich acht Personen rechtskräftig verurteilt. Obwohl an dem Tag mehr als 200 Menschen durch die Polizei verletzt worden waren, wurde lediglich gegen drei namentlich bekannte und 11 unbekannte Beamte wegen Körperverletzung im Amt ermittelt, eines dieser Verfahren endete mit einer Einstellung nach §153 der Strafprozessordnung.

In insgesamt 17 Fällen wurden Verfahren wegen Rechtsbeugung im Amt eingeleitet. Nur 10 der knapp 300 Verfahren wegen schweren Landfriedensbruch endeten mit einer Anklage, die 14 an andere Staatsanwaltschaften abgegebenen Verfahren betreffen mit ziemlicher Sicherheit Mitglieder des Nazinetzwerks "Aktionsbüros Mittelrhein", die am Übergriff auf das Löbtauer Wohnprojekt Praxis beteiligt gewesen sein sollen. Dresdens Oberstaatsanwalt Lorenz Haase zeigte sich gegenüber der Dresdner Neuesten Nachrichten zuversichtlich, auch die 222 offenen Verfahren der insgesamt 860 Ermittlungsverfahren im kommenden Jahr abschließen zu können.

Weiterer Artikel: 13./19. Februar 2011 in Dresden: Juristisches Nachspiel dauert noch bis 2013
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