Rückblick: Buschkowsky in Dietzenbach

Heinz Buschkowsky 14.12.2012 12:13 Themen: Antifa Antirassismus Medien Soziale Kämpfe
Im hessischen Dietzenbach (Kreis Offenbach), hielt am vergangenen Dienstag, 11.12.2012, der Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky, auf Einladung der örtlichen CDU eine Lesung seines aktuellen Buches „Neukölln ist überall“ ab. Buschkowsky war in der Vergangenheit mehrfach wegen seiner rassistischen und sozialchauvinistischen Positionen auch bundesweit in die Kritik geraten. Protest gegen die Veranstaltung gab es kaum. Dennoch gelang es einer kritischen Öffentlichkeitsarbeit, Buschkowskys Auftritt wenigstens im medialen Diskurs nicht unwidersprochen zu lassen und in der Berichterstattung eigene, kritische Akzente zu setzen. Eine Zusammenfassung.
Im Vorfeld

Die Frankfurter Rundschau (FR) berichtete bereits im Vorfeld über die geplante Veranstaltung. Genauer gesagt: Über den geplanten Protest. So habe eine Gruppe, die sich „AK Buschkowsky“ nennt, in einer E-Mail angekündigt, die Veranstaltung „mit verschiedenen, dezentralen und direkten Aktionen“ verhindern zu wollen. Neben diesem Drohszenario kamen allerdings auch inhaltliche Aspekte in der FR zu sprechen. So heißt es in dem Artikel vom 8./9.12.2012 unter anderem: „Die Gruppe kritisiert, Buschkowsky sei »Sarrazin light«. Seine Politik sei geprägt von latenter Fremdenfeindlichkeit, die hin und wieder in offensiv rassistischen Ausfällen gipfele. Sie weist etwa auf ein Interview in der Zeit hin, in dem Buschkowsky sagte, er würde Familien, die ihren Kindern den Weg in die Gesellschaft versperrten, »gern beim Kofferpacken helfen«. Solche Äußerungen gefielen offenbar der Dietzenbacher CDU, deren Forderungen vor Nationalismus, Rassismus und Sozialdarwinismus strotzten“.

Die Dietzenbacher Jusos sahen sich durch die Kritik des „AK Buschkowsky“ offenbar in Zugzwang und forderten Buschkowsky auf, die Veranstaltung abzusagen. „Er lasse sich sonst für die ausländerfeindliche Politik der CDU instrumentalisieren“, hieß es im genannten Artikel der FR. Verkehrte Welt: Buschkowsky als Opfer einer rassistischen Instrumentalisierung durch die CDU? Merkwürdige Herangehensweise. Aber immerhin: Dass die CDU fremdenfeindlich ist, darin war man sich einig. Auch die Linksfraktion im Offenbacher Kreistag meldete sich nun zu Wort und gab eine Pressemitteilung unter dem Motto „Herr Buschkowsky, Mölln und Solingen sind überall!“ heraus.

Der Tag

Schon eine Stunde vor Beginn hatten sich mindestens 30 Bullen, hauptsächlich BFE, weiträumig um das Bürgerhaus postiert.. Die „Drohungen“ des „AK Buschkowsky“ hatten wohl Wirkung gezeigt und wenigstens dazu geführt, dass eine rechtspopulistische Veranstaltung auch im beschaulichen Dietzenbach nicht ohne Polizeischutz über die Bühne gehen kann. Als etwa eine halbe Stunde vor Beginn zwei junge Menschen auftauchten, die sich vor das Bürgerhaus stellten und Flugblätter aus ihren Taschen holten, fackelte die Besatzung eines Mannschaftswagens nicht lange. Bevor der erste Flyer verteilt werden konnte, wurden die beiden Aktivisten von martialisch ausgerüsteten BFElern angesprochen. Zunächst wollten sie nur die Flyer sehen, um dann herauszubekommen, wer die unter „V.i.S.d.P“ genannte Person sei und woher bzw. von wem die beiden Aktivisten die Flyer hätten. Als der Ursprung der Flyer nicht so recht festgestellt werden konnte, überprüften die Bullen noch die Personalien der zwei Aktivisten, ließen sie dann aber gewähren. Dennoch eine recht hysterische Reaktion auf das bloße Verteilen von kritischen Flugblättern.

Das Flugblatt enthielt auf der einen Seite ein Quiz, in dem die BesucherInnen der Veranstaltung verschiedene Aussagen entweder Heinz Buschkowsky oder der NPD zuordnen sollten. Viele BesucherInnen zeigten sich im ersten Moment erfreut über das Quiz; einige fragten, bis wann sie es ausgefüllt haben müssten und wo sie es anschließend abgeben könnten. Der rassistische Gehalt von Buschkowskys Thesen dürfte wohl bei einigen BesucherInnen für Irritationen gesorgt haben. Auf der Rückseite befand sich ein kurzer Text, in dem der Sinn der Aktion und die Kritik an Buschkowsky näher erläutert wurde. Mit über 100 verteilten Exemplaren dürfte wohl auch über die Hälfte der BesucherInnen einen Flyer erhalten haben.

Die Berichterstattung

Während der Print-Artikel der Offenbach Post (OP) vom 13.12.2012 einer bedingungslosen Abfeierei von Buschkowskys Rede gleicht und kritische Aspekte dementsprechend überhaupt nicht erwähnt werden, wird in dem dazugehörigen Filmchen immerhin eine halbe Minute über die kritischen Stimmen in Form der Flyer-Aktion berichtet. Ein Aktivist kommt darin sogar zu Wort: „Es geht uns darum, dass uns Heinz Buschkowsky nicht als adäquater Diskussionspartner in der Integrationsdebatte erscheint, weil er (…) oft durch rassistische Kommentare aufgefallen ist. Und das zeugt eben nicht gerade von Integration, sondern eher von Ausgrenzung“.

Auch die FR berichtet am 13.12. über die Flugblätter: Vor der Tür, in der Kälte, stehen zwei einsame Gegner von Heinz Buschkowsky. Die jungen Männer verteilen Flugblätter, auf denen Zitate wie »Multikulti ist gescheitert« abgedruckt sind. »Wer hat’s gesagt? Buschkowsky oder die NPD?«, steht darüber. Auf der Rückseite des Zettels wird Buschkowsky, der Bürgermeister von Berlin-Neukölln, der an diesem Dienstag im Dietzenbacher Bürgerhaus auftritt, als »ausgewiesener Rassist« bezeichnet“. Unabhängig davon ist der Artikel in der Rundschau angenehm kritisch und reflektiert; an einer Stelle verweist der Autor darauf, dass das Publikum ein ganz bestimmtes Milieu der Bevölkerung repräsentiere, es sei nämlich "durchweg weiß, gutbürgerlich gekleidet, jenseits der 50". Im Vergleich zum Redakteur der OP fielen dem Verfasser des FR-Artikels wohl auch die subtil-fremdenfeindlichen Botschaften in Buschkowskys Rede auf. So heißt es abschließend: „Dabei kratzt Buschkowsky auch an der Grenze zum Rassismus. Ständig betont er die Unterschiede zwischen »uns« und »den Fremden«, beschwört die scheinbar ewigen Grenzen zwischen »den Kulturen«. Behauptet, die Gesellschaft sei ein Körper. Erzählt, dass in Neukölln unterschiedliche Ethnien unterschiedliche Probleme machten. Und versteigt sich sogar zu der Behauptung, in »Schwarzafrika« würden die Menschenrechte von Frauen besonders schwer verletzt. Sein Publikum stößt sich nicht daran. Sein Publikum liebt ihn. Obwohl zur Lage in Dietzenbach nicht ein einziger Satz fällt, nicht einmal bei den Nachfragen. Es geht, so scheint es, vielen im Saal gar nicht so sehr um Buschkowskys Ideen zur Bildungspolitik oder um reale Probleme. Es geht offenbar eher um die Bestätigung eines Unbehagens mit »Fremden«. Und da bleiben bei Buschkowsky wirklich keine Wünsche offen.“

Fazit

Natürlich wäre es wünschenswert gewesen, wenn es tatsächlich größere Proteste und Versuche der Verhinderung gegeben hätte. Doch es erscheint zweifelhaft, dass die Veranstaltung hätte real blockiert werden können. Dass sich die Buschkowsky-Fans nicht von Demonstrationen hätten beeindrucken lassen, ist klar. Und es darf bezweifelt werden, dass den kritischen Stimmen bedeutend mehr Raum in der medialen Berichterstattung zugesprochen worden wäre, wenn sich vor dem Bürgerhaus ein- bis zweihundert Menschen versammelt hätten. Daher lässt sich im vorliegenden Fall die Relation zwischen Aufwand und Nutzen durchaus als erfolgreich beschreiben.

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Sehr schöne — Bürgerinnen und Bürger gegen extreme Rechte