Rostock: Demo gegen die IMK

Kombinat Fortschritt 03.12.2012 02:48 Themen: Antifa Antirassismus Soziale Kämpfe
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Bis zu 300 Menschen zogen am Samstagnachmittag mit einer Demonstration gegen die demnächst stattfindende Innenministerkonferenz (IMK) durch Rostock. Die Veranstaltung bildete den Auftakt zu einer Reihe von Aktionstagen gegen das Treffen der Innenminister der Länder und des Bundes in Warnemünde am zweiten Dezemberwochenende. An der Demonstration beteiligte sich unter anderem eine Gruppe der Füchtlinge, die im Rahmen des Refugeestreiks in Berlin derzeit am Oranienplatz und am Brandenburger Tor gegen den staatlichen Rassismus der Asylgesetzgebungen protestieren. Neben dieser Kritik am rassistischen Asylregime der BRD stand thematisch vor allem die Ausweitung der Kompetenzen von Polizei und Geheimdiensten angesichts der Verstrickungen von Geheimdienst und Nazimörderbande im Mittelpunkt der Protestveranstaltung.
Bei sehr unfreundlichem Wetter setzte sich die Demonstration kurz vor 16 Uhr vom Hauptbahnhof Süd in Richtung Innenstadt in Bewegung. Provokationen durch die Polizei blieben weitgehend aus, auch wenn das entgegen der Absprache beim Kooperationsgespräch fortgesetzte Filmen einer friedlichen Demonstration einmal mehr beweist, dass die Geltung des Rechts für die Polizei nur im Sinne einer Einbahnstraße von Interesse ist: Recht ist woran sich die anderen halten müssen und wozu man sie im Zweifelsfalle mit dem Schlagstock zwingen muss. Um ganz sicher zu gehen, lässt die Polizei an diesem Tage von Anfang an Zivilpolizisten in und dicht an der Demo laufen. Lauti und Demo machen lautstark Empörung hörbar – die auffällig-unauffällige Begleitung hält sich allerdings weiter rund um die Demo auf.

Am Friedhofsweg bog die Demo ab, um zu einer Zwischenkundgebung auf den Doberaner Platz zu gehen. Am Parkhaus über dem REWE-Supermarkt wurde plötzlich Pyrotechnik abgeschossen. Die Aufmerksamkeit der Demonstratrierenden richtete sich schlagartig auf das Gebäude.

An dessen Flanke hatten sich Aktivisten mit Kletterausrüstung abgeseilt um ein Transparent zu präsentieren, dass eine Solidaritätsadresse an die streikenden Flüchtlinge und alle rassistisch Verfolgten sendete. Jubel brauste auf und auch Passantinnen und Passanten schauen gespannt auf das Geschehen an der Parkhauswand. Kurz darauf hat die Demo den Doberaner Platz erreicht.

Auf einer Zwischenkundgebung werden Redebeiträge verlesen. Einer thematisiert erneut den seit mehreren Monaten laufenden Flüchtlingsstreik und die Bedeutung den dieser für die Flüchtlingsaktivisten hat. Hinsichtlich der Anzahl der Teilnehmenden ist dieser Auftakt der Aktionswoche sicherlich nicht die größte Demonstration der linken Szene Mecklenburg-Vorpommerns in der letzten Zeit gewesen, es war allerdings - das machen die Redebeiträge deutlich - eine sehr wichtige.

Denn diese Demonstration führte noch einmal eindrücklich eine Entwicklung der letzten Wochen und Monate vor Augen, die insgesamt zu einer gewandelten Wahrnehmung antirassistischer Kämpfe in der Bundesrepublik geführt hat. Der selbstbestimmte und selbstorganisierte Protest der Flüchtlingstreikbewegung verschiebt den Fokus weg von einem Betroffenenstatus, vom passiven Gegenstand der rassistischen Grenz- und Ordnungspolitik, hin zu politisch kämpfenden Aktivistinnen und Aktivisten. Antirassistische Kämpfe erscheinen durch ihre vielgestaltigen und zahlreichen Aktionen in diesem Jahr in einem neuen Licht. „Wenn die Flüchtlinge das Lager verlassen, blickt niemand mit einem wehmütigen Auge zurück.“ hieß es in einem der Redebeiträge. Gemeint ist damit die Freiheit, die durch den politischen Kampf gewonnen wird, das Ausbrechen aus der aufgezwungenen Isolation und Passivität, zu dem der in das Ausländerrecht gegossene Rassismus die Flüchtlinge in den Lagern zwingt. Ausbruch aus Isolation und Passivität bedeute an diesem Tag auch, dass die Flüchtlinge ihre Anliegen selbst in eigenen Redebeiträgen über die ganze Demonstration hinweg vertreten haben. Ganz wichtig ist dabei allerdings auch schon die bloße Anwesenheit der Versammelten gewesen. Wo die Protestierenden sich zu einer politischen Demonstration versammeln, brechen sie in einem Akt des zivilen Ungehorsams das Recht, welches zwischen Bürger_innen und Nichtbürger_innen trennt und sie dementsprechend unterschiedlichen Geltungsbereichen und Intensitätsgraden von Zwängen und Herrschaft zuteilt, auf. Die solidarisch Versammelten werden zumindest zeitweise zu einer Gemeinschaft von Gleichen, ein Recht, welches ihnen die Gesetze der BRD versagen.

Vom Doberaner Platz in der Kröpeliner Tor Vorstadt setzte sich die Demonstration dann in Richtung Innenstadt in Bewegung. Aufgrund des derzeit stattfindenden Weihnachtsmarktes im Bereich der Langen Straße, waren die Straßen nun mit Menschen und damit mit einer breiteren Öffentlichkeit gesäumt, an die das Anliegen der Demonstration mitgeteilt werden konnte. Eine weitere Zwischenkundgebung wurde am Neuen Markt unweit der im Sommer diesen Jahres abgebrannten Ausländerbehörde abgehalten: Nachdem die zuständigen Rostocker Behörden Ali Reza Samadi, einen jungen Afghanen trotz attestierter schwerer Traumatisierung und hoher Suizidgefahr erst "gesundgeschrieben" und dann abgeschoben hatten, war von Unbekannten zunächst die beteiligte Gesundheitsbehörde angegriffen und danach die Ausländerbehörde angezündet worden. Verschiedene in der Solidaritäts- und Unterstützungsarbeit aktive Initiativen hatten zunächst auf einer Kundgebung scharf gegen dieses Vorgehen der Schreibtischtäter protestiert. In den anschließenden Nächten wählten allerdings andere Menschen noch andere Mittel, um Widerstand gegen das Abschieberegime zu praktizieren. Die nach dem Brand geschlossene Ausländerbehörde konnte in der Folge im laufenden Monat keine weiteren Abschiebeverfahren bearbeiten und das Verhalten des Mediziners, der gegen seinen Amtseid Menschen fit-to-fly erklärt, erhielt eine große Aufmerksamkeit.

Auf der Zwischenkundgebung an diesem Ort wurde ein Redebeitrag verlesen, der auf die jüngsten Sammelabschiebungen aus dem Lager Horst aufmerksam macht. Dort waren Roma-Familien gedrängt worden ein Papier zu unterzeichnen, welches es den Behörden erlaubte, die Menschen in einer konzertierten Aktion nach Serbien und Mazedonien abzuschieben. Gegen diese Abschiebung hatten Antirassistische Initiativen aus Mecklenburg Vorpommern und Hamburg mit einer Sitzblockade demonstriert, die den Bus für mehrere Stunden aufhalten konnte. Polizisten gingen mit Gewalt gegen die Protestierenden vor und die NPD lobte in einer Pressemitteilung ausdrücklich das Innenministerium für diese vorbildliche Umsetzung von einer der wiederkehrenden Kernforderungen der Neonazis im Parlament. Den Hintergrund dieser Abschiebungen sowie der anstehenden Innenministerkonferenz bilden dabei rassistische Äußerungen des Innenministers Lorenz Caffier (CDU), der den Roma-Flüchtlingen in neonazistischem Duktus Asylmissbrauch vorwirft.

Der Rückweg zum Bahnhof vorbei am Gebäude der Ostsee-Zeitung war dann auch geprägt von Beiträgen, die sich auf den Innenminister MVs und seiner Kollegen aus Bund und Ländern befassten. Noch einmal wurde festgestellt, dass in Bezug auf den Terror des "Nationalsozialistischen Untergrundes" in keiner Weise von einem Versagen der Geheimdienste gesprochen werden kann, wenn die Neonazis das Geld, welches sie über die V-Leute vom Staat erhalten auch für die neonazistischen Mordtaten verwenden. Aus diesem Grunde kann, wie in mehreren Redebeitragen festgestellt wurde, eine linke Forderung nicht eine Reformierung der Geheimdienste sein - wer staatlich finanzierten rechten Terror verhindern will, kann konsequenterweise nur die Auflösung dieser Unterstützungsstrukturen fordern.

Das Video des MKM dazu:

Video

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Ergänzungen

Pressemitteilung

IMK versenken! 03.12.2012 - 09:51
Hier die PM vom Rostocker Bündnis gegen die Innenministerkonferenz:

Protestwoche gegen die Innenministerkonferenz startet mit lautstarker Demo durch Rostock

In Rostock haben heute deutlich mehr als 300 Menschen unter dem Motto „Von Innenminister_innen geht eine Gefährdung aus- Entgrenzen, entsichern, entern! IMK versenken!“ gegen die Innenministerkonferenz demonstriert. Aufgerufen hatten das lokale Rostocker Bündnis gegen die IMK und verschiedene Antirepressionsgruppen und antirassistische Initiativen. Mit dabei waren viele Geflüchtete, die extra aus Berlin angereist waren, um ihren seit Wochen dort bestehenden Protest gegen die von den Innenminister_innen verantwortete rassistische Politik nach Rostock zu tragen. Eine zentrale Forderung der Demonstrierenden ist das Bleiberecht für Asylbewerber_innen, die in Deutschland Schutz suchen.

Gemeinschaftlich wurden die Abschaffung der Residenzpflicht und ein konsequenter Abschiebestopp gefordert. „Erst kürzlich wurden mehrere Roma-Familien aus Mecklenburg-Vorpommern nach Serbien und Mazedonien abgeschoben, wo sie nachweislich starker rassistischer Verfolgung ausgesetzt sind. Das ist kein menschenwürdiger Umgang mit Not leidenden Menschen“, so Katharina Schmied vom „Bündnis gegen die IMK“.
Zwei Kletteraktivisten befestigten unter zustimmenden Rufen der Demonstrierenden auf 10 Metern Höhe ein riesiges Banner am Parkhaus an der Rostocker Stampfmüllerstr. mit dem Inhalt „Solidarity with the fighting refugees – against every racism“.

Die Demonstrant_innen forderten weiter die Abschaffung des Verfassungsschutzes, der „durch die unglaublichen Schlampereien im Zusammenhang mit dem NSU-Skandal das rechtsradikale Morden geradezu gedeckt hat“, empört sich Franka Rohde, eine Teilnehmerin der Demonstration, die auch aus Berlin angereist war. Kritisiert wurde ferner die von den Innenminister_innen beabsichtigte Aufhebung der Trennung von Polizei und Verfassungssschutz, wie sie in der jüngsten Eröffnung des gemeinsamen Extemismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) seinen Niederschlag fand.

Für Unmut sorgte das Verhalten der Polizeibeamt_innen. Sie hinderte nicht nur eine Gruppe von vier Personen am Weitergehen und ließ diese erst nach einer Stunde wieder frei, sondern schottete auch die Weihnachtsmarktbesucher_innen relativ strikt von der Demonstration ab, so dass diese vor lauter Polizeipräsenz kaum etwas von den Transparenten erkennen konnten. „Das passt gut zu dem skandalösen Verhalten des Rostocker Rathaussprechers Ulrich Kunze, der in einem Interview in der heutigen Ausgabe der Ostseezeitung im Vorfeld der Demonstration ‚Blut und Scherben‘ herbeifabulierte“, so Charlotte Haas vom Rostocker Bündnis.
„Offensichtlich versuchen die Repressionsbehörden im Vorfeld der Konferenz mit allen Mitteln, die Protestbewegung zu kriminalisieren, um von der menschenverachtenden Politik der IMK abzulenken“. Der Anmelder der Demonstration hat bereits angekündigt, die Entgleisung des Rathaussprechers im Rostocker Stadtrat thematisieren zu lassen.

In den kommenden Tagen lädt das Rostocker Bündnis gegen die IMK zu mehreren Infoveranstaltungen, auf denen die Hintergründe der Aktivitäten der Innenminister_innen beleuchtet werden. Am Sonntag, den 2.12., widmet sich die Protestbewegung der Frage, welche Auswirkungen die diskutierten Überwachungsmaßnahmen von Fußballfans auch auf linke Protestbewegungen haben kann. Und am Montag, den 3.12., geht es ab 20 Uhr im Peter-Weiss-Haus darum, welche konkreten Effekte ein NPD-Verbot auf die
Naziszene, insbesondere in MV haben kann.

 http://imkversenken2012.blogsport.de/

Schöne Demo!

Hansi Hintersee 03.12.2012 - 17:48
War ne gute Demo.
Wo allerdings dat linke MV an dem Tag war ist mir schleierhaft...
Ich hab mit 500+ gerechnet, aber offensichtlich ist alles, was nicht direkt mit Faschos zu tun hat für viele Linke nicht atrraktiv genug...

Schade.

Polizei überall in Rostock

Hirschi 03.12.2012 - 18:55
Ich kann mich nur anschließen, fand die Demo sehr gut. Interessante Redebeiträge, gute Stimmung und coole Kletteraktion. Ein besonderes Dankeschön an die Menschen die aus Berlin gekommen sind, ihr habt maßgeblich Anteil an dieser - für mich - gelungenen Demo. Warum es am Ende doch so wenige waren, kann ich zum einen nicht verstehen und ist auch irgendwie traurig ....

Da waren die Cops zahlenmäßig weit überlegen. Der Artikel am Samstag in der Ostsee-Zeitung hat ja auch Böses erahnen lassen für Rostock. 700 Menschen aus Hamburg, Berlin und Greifswald sollten kommen, böse Linksextremisten. Vergleiche zu G8 wurden gezogen und im Rathaus wurde von Blut vergießen und Scherben gesprochen. Also egal was für ein Anliegen die Demo gehabt hätte, Passant_Innen die an diesem Tag in der Stadt waren wussten sofort - laut Zeitung - da kommen die Bösen und fackeln gleich das Riesenrad an. Transpis etc. konnte ja auch keine_r sehen, die Polizei hat alles abgesperrt und stand sogar zwischen den einzelnen Buden damit bloß niemand was sieht.
Auch im Vorfeld wurde mensch das Gefühl nicht los, dass die heute mit dem Schlimmsten rechneten. In Berlin wurden die Busse und Demonstranten bis an den Stadtrand von der Polizei beobachtet, auf der Autobahn und auf Brücken ging es dann weiter, in Rostock übernahmen die Observation auch zivile Kräfte, allen voran die MAEX (Mobile Aufklärung Extremismus). Am Dobi und vorm Peter-Weiß Haus war mensch nahezu nie unbeobachtet.

Und dann war am Ende alles friedlich - wie erwartet. Mal schauen was die Woche noch so bringt, vllt gibt es ja noch ein paar kreative Aktionen und Demonstrationen die doch noch ein paar Menschen auf die Straße bringen.

presse zu imk-Proteste

leser 05.12.2012 - 01:36

Neues Deutschland zu Protesten in Rostock
Unerhörte Flüchtlingsproteste
Minister befassen sich nur mit »Asylmissbrauch«
Am Samstag begannen die Proteste gegen die am Mittwoch in Rostock beginnende Innenministerkonferenz.
Seit Monaten kämpfen Flüchtlinge aus ganz Deutschland für ihre Rechte. Doch ihr Marsch durch die Republik, ein Protestcamp in Berlin-Kreuzberg und Hungerstreiks am Brandenburger Tor werden von der Politik noch immer ignoriert. Auf der Innenministerkonferenz, die am 5. Dezember in Rostock beginnt, stehen ihre Anliegen nicht auf die Agenda.


mehr hier:
 http://www.neues-deutschland.de/artikel/806139.unerhoerte-fluechtlingsproteste.html