Dresden: Verstrickte Erinnerungen

addn.me 28.11.2012 12:40 Themen: Antifa Blogwire Militarismus
Nach dem Erfolg der letzten Jahre, der mittlerweile dazu geführt hat, dass der alljährliche Nazigroßaufmarsch in der Stadt verhindert werden konnte, beginnt nun wieder das, was in den Jahren vor dem ersten Aufmarsch Gegenstand der öffentlichen Debatte gewesen ist: die Suche nach der richtigen Form des Gedenkens an die Bombardierungen 1945. So wurde schon in den letzten Jahren deutlich, dass mit der Menschenkette auch von offizieller Seite der Versuch unternommen wird, in der Tradition der ersten Kundgebungen vor der Dresdner Frauenkirche im Februar 1982, den Tag zum Symbol dafür werden zu lassen, Frieden in der Welt einzufordern. Welche kruden Formen der Erinnerungsarbeit diese Überhöhung der eigenen Stadtgeschichte im Bezug zum historischen Kontext dabei inzwischen angenommen hat, wird bei einem Blick auf ein für nächstes Jahr geplantes Projekt klar.
Am vergangenen Montag hatte der Verein Louisen Kombi Naht zu einer Veranstaltung unter dem Motto: "Die Kultur des Nicht-Erinnerns: Zur generationalen Weitergabe von Krieg" im Neustädter Kulturzentrum "Scheune" eingeladen. Bei klappernden Stricknadeln referierte Kornelia Beer dabei über Kriegserlebnisse und Erfahrungen im Umgang mit der Weitergabe traumatischer Erlebnisse. Im Vorfeld und zu Beginn des Vortrags hatten etwa 20 Menschen vor der Scheune ein Flugblatt verteilt, in dem die Veranstalterinnen und Veranstalter dazu aufgerufen wurden, sich "mit den historischen Fakten auseinanderzusetzen" und die Idee, gemeinsam mit dem Militärhistorischen Museum der Bundeswehr einen sowjetischen Panzer einzustricken, als "Verhöhnung der Opfer des Vernichtungskrieges" bezeichnet.

Als Zeichen ihrer Unterstützung hatte das erst im vergangenen Jahr nach siebenjähriger Bauzeit wieder eröffnete Militärhistorische Museum für die Aktion "geflechtsbereit" im kommenden Februar einen Panzer zur Verfügung gestellt, der als Zeichen des pazifistischen Geist ihrer Idee öffentlichkeitswirksam bis zum für die Stadtgeschichte vermeintlich so wichtigen Tag wie dem 13. Februar mit 30 bis 40 Kilo gespendeter Wolle eingestrickt werden soll. Warum es aber ausgerechnet ein sowjetischer T-34 Panzer sein sollte, der im Zweiten Weltkrieg einen entscheidenden Anteil daran hatte, den deutschen Vernichtungskrieg im Osten Europas zu beenden, bleibt ebenso fragwürdig wie die Tatsache, das eingestrickte alliierte Objekt der Begierde nach seiner Fertigstellung aus Imagegründen vor dem Museum der Bundeswehr auszustellen.

Das Projekt will, so der Verein in seiner Projektbeschreibung, "den jetzt noch aktiven Überlebenden des Zweiten Weltkriegs die Möglichkeit geben, mit einer besonderen Eindringlichkeit ihre Kriegserlebnisse an jüngere Generationen, insbesondere an die jetzt Heranwachsenden, weiterzureichen und nachdrücklich auf die Notwendigkeit eines friedlichen Miteinanders hinzuweisen". Die gemeinsamen Strickerlebnisse stehen dabei stellvertretend für "ein generationsübergreifendes Netz zwischen Menschen" und sollen einen Beitrag dazu leisten, die "zerstörerische Kraft" des Panzers zu verstricken, so die Psychologin Barbara Niklas in einem Interview mit der Hochschulzeitung ad rem.

Dass sie mit dieser Form der Erinnerungsarbeit nicht nur am Mythos der Stadt Dresden weiterstricken ist nur eines der Probleme, die dabei offenkundig werden. Sich jedoch darüber hinaus auch zum verlängerten Arm der Bundeswehr zu machen, die seit etlichen Jahren darum bemüht ist, ihr angekratztes Image einer "sauberen Armee" gemeinsam mit Unterstützung von Teilen der Zivilgesellschaft zu verändern, ist nicht nur politisch fragwürdig, sondern schlichtweg naiv. Denn letztendlich dient die Aktion nur dem Anliegen der Bundeswehr, sich in der Öffentlichkeit als das zu verkaufen, was sie niemals sein wird: als Handlungsträger ein gleichberechtigter Akteur im gesellschaftlichen Diskurs über Krieg zu sein. Dass damit der Bundeswehr die Gelegenheit gegeben wird, steigende Rüstungsexporte und Kriege an zahlreichen Orten in der Welt als human zu verkaufen, ist nur eines der Ergebnisse, welches den erkennbaren Versuch überlagert, sich in einen "generationsübergreifenden Dialog" zu begeben.

Der Verein, der neben seiner politisch fragwürdigen Auseinandersetzung mit Militarismus auch Workshops bietet, in denen unter Anleitung generationsübergreifend Stricken erlent werden kann, wurde erst im Sommer 2011 im Herzen der Äußeren Neustadt eröffnet. An jedem zweiten und vierten Donnerstag im Monat findet dazu von 15 bis 19 Uhr ein Treffen der älteren und jüngeren Generation in den Räumlichkeiten des Vereins in der Louisenstraße 72 statt, um dabei die Tradition des Selbermachens nicht nur zu erlernen, sondern auch fort- und neuzuschreiben. Schon Ende September hatten sich Menschen aus dem Umfeld des Vereins vor der Altmarktgalerie mit einer öffentlichen Strickaktion an der gewerkschaftsnahen Kampagne "Sachsen kauft fair" beteiligt. Mit ihrer "STRICKtease!" wollten sie darauf aufmerksam machen, dass Berufsbekleidung im öffentlichen Dienst auf Grund einer unzureichend gesetzlich verankerten Vergabepraxis häufig unter unfairen Arbeitsverhältnissen hergestellt wird.

Weiterer Artikel: Geflechtsbereit: Neue Verstrickungen und Verflechtungen
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