S-H: Mölln '92 - Gedenken und anklagen!

Autonome Antifa-Koordination Kiel 26.11.2012 17:18 Themen: Antifa Antirassismus
800 Menschen demonstrieren in Mölln - 500 Menschen in Kiel. Die letzten Wochen standen für schleswig-holsteinische AntifaschistInnen im Zeichen des Gedenkens an die Opfer der rassistischen Brandanschläge von Mölln, der Opfer des NSU und faschistischer Gewalt.
Für den 17.11.12 riefen die Antifa Herzogtum Lauenburg (AHL), der Freundeskreis in Gedenken an die rassistischen Brandanschläge von Mölln '92 und die bundesweite Kampagne "Rassismus tötet!" zu einer überregionalen Gedenkdemonstration in Mölln auf. Rund 800 Menschen folgten dem Aufruf, zusammen mit der Familie Arslan an die Opfer zu gedenken und die rassistischen Verhältnisse in Deutschland anzuklagen. Die Demonstration war geprägt von linken und antifaschistischen Gruppen, der Freundeskreis und die Familie Arslan liefen in den ersten Reihen der Demonstration. Etwa 60 AntifaschistInnen aus Kiel reisten gemeinsam nach Mölln zur Demo, die Autonome Antifa-Koordination Kiel war mit einem großem Transparent "Der Verfassungsschutz macht keine Fehler, er ist er Fehler!" präsent. Es gab beeindruckende Redebeiträge vom Freundeskreis, Ibrahim Arslan und VertreterInnen linker und antifaschistischer Initiativen. Die AHL kritisiert in einer ersten Stellungnahme die geringe Beteiligung Möllner Bürgerinnen und Bürger, was mit einer überzogenen Gefahrenprognose der Polizei anlässlich der Beteiligung antifaschistischer Gruppen aus dem norddeutschen Raum begründet wurde. Während der Demonstration schlossen sich jedoch auch viele Menschen spontan an, als sie die Familie Arslan in der ersten Reihe laufen sahen.
Am Abend fand in Mölln noch ein gut besuchtes Gedenk- und Solidaritätskonzert statt, wleches vom Freundeskreis organisiert wurde.

Im Kontext der darauf folgenden Gedenkwoche in Mölln errichteten AntifaschistInnen der Antifa Herzogtum Lauenburg am 22.11. in der Ratzeburger Straße in Mölln ein Gedenkschild, um an die Opfer des rassistischen Brandanschlages von 1992 zu erinnern und führten symbolisch "in Gedenken an die beim Brandanschlag in der Mühlenstraße verstorbene Bahide Arslan die Umbenennung des „Lohgerbergang“ in den „Bahide-Arslan-Gang“" durch.Zum Eklat kam es bei der "offiziellen" Gedenkfeier der Stadt Mölln und des Landes Schleswig-Holstein, als Torsten Albig (SPD), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, und Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) nach ihren obligatorischen Reden den Ort des Geschehens schnellstmöglich verlassen wollten. Die Familie Arlsan stellte sich den beiden in den Weg und forderte sie auf, der Veranstaltung bis zum Ende beizuwohnen.

Fotos der Möllner Demo bei flickr

Zur Demonstration in Kiel am 24.11. hatte der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus unter dem Motto "Wehret den Fortsetzungen!" aufgerufen. Das antifaschistischen Bündnis in Kiel wollte damit auch in der Landeshauptstadt ein Zeichen gegen Neonazis und faschistische Gewalt setzen und den Opfern von Mölln und des NSU gedenken. Etwa 500 Menschen verschiedenster politischer Couleur beteiligten sich daran, von linken und antifaschistischen Gruppen und Organisationen über Türkische Gemeinde, Gewerkschaften und Linkspartei bis hin zur SPD waren viele Fahnen und Transparente vertreten. Die Demo zog nach einer Auftaktkundgebung mit Redebeiträgen des Runden Tisches, des Jugendbündnis gegen Rechts und von Avanti vom Hauptbahnhof auf einer leider etwas menschenleere Strecke über die Gablenzbrücke nach Gaarden. Hier wuchs die Demo noch einmal an und machte mit Kundgebungen auf dem Bahide-Arslan-Platz und dem Vinetaplatz auf ihr Anliegen aufmerksam. Auf dem Bahide-Arslan-Platz sprach nach einem Sprecher des AK Migration ver.di Kiel-Plön wie schon in Mölln eine Vertreterin des Freundeskreis in Gedenken an die rassistischen Brandanschläge von Mölln '92 und verlas Grußworte der Familie Arslan. Auch sie berichtete vom Kampf in Mölln, Straßen oder Plätze nach den Opfern, ähnlich wie in Kiel, zu benennen. Die Demo endete auf dem Vinetaplatz mit einer Abschlusskundgebung, auf der neben dem Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein und der Partei DIE LINKE die Autonome Antifa-Koordination Kiel einen Redebeitrag mit dem Titel "Das Problem heißt Rassismus - Rassimus tötet!" hielt und die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen rassistische Brandanschläge und NSU erst möglich würden, kritisierte.

Die Kieler Demo kann aufgrund ihrer TeilnehmerInnenzahl als positiv gewertet werden, sie entsprach den Erwartungen des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschimus. Leider kritisiert werden muss das teilweise unangemessene Verhalten einiger Demo-TeilnehmerInnen, die durch den Konsum von Alkohol und/oder dem Werfen von Böllern auf Bürgersteige, inhaltlich unpassende Parolen und Pseudo-"Vermummung" dem Anliegen der Demonstration - würdiges Gedenken und Herstellen von kritischer Öffentlickeit - zuwider handelten. Eine permanente selbstkritsche Reflektion antifaschistischer Demokultur bleibt weiterhin eine aktuelle Herausforderung nicht nur organisierter Antifaschist_innen.

Gleichzeitig zu der Demonstration in Kiel gingen in Berlin etwa 5000 AntifaschistInnen in Gedenken an den 1992 von Faschisten ermordeten Antifa und Hausbesetzer Silvio Meier auf die Straße.

In diesem Sinne: Das Erinnern erkämpfen!
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Ergänzungen

FSK Radiobeiträge

jep 27.11.2012 - 16:47
Der 20. Jahrestag der Brandanschläge von Mölln - Der Kampf um Erinnerung
 http://www.freie-radios.net/52310
+
Den Schmerz mitteilen. Den Nationalsozialismus bekämpfen.
-Der Beitrag des Überlebenden des Möllner Brandanschlags Ibrahim Arslan auf einer Veranstaltung im Hamburger Gängeviertel am 8. November.
-Der Beitrag des Botschafters Hüseyin Avni Karslioglu auf der Gedenkveranstaltung am 23. November in Mölln.
-Der Beitrag von Kenan Kolat Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland auf der Gedenkveranstaltung am 23. November in Mölln.
-Die Livesequenz der Familie Avci von der Gedenkdemonstration am 17. November in Mölln.
-Der Beitrag von Beate Klarsfeld auf der Gedenkveranstaltung am 23. November in Mölln.
-Die Livesequenz mit der Rede von Faruk Arslan auf der Gedenkdemonstration am 17. November in Mölln.
 http://www.freie-radios.net/52314

Partyfotos

Felicitas, die Fotographin 29.11.2012 - 01:43
Was sollen denn die Partyfotos vor dem Brunnen und dem Bild 2er Menschen, die einen Redebeitrag gehalten haben? Kritikpunkt: Fotos unter einem Gedenkdemonstrationsbericht, auf welchem sich Menschen freuen und "Thumbs up" zeigen, sind nicht so toll. Ebenso wenig ist es "klug", "inhaltlich ergänzend" oder gar repräsentativ, 2 RednerInnen zu fotographieren und zu veröffentlichen, wenn sie zum einen eh unkenntlich gemacht werden oder zum anderen inhaltlich keine kontroversen Diskussionen herausgefordert haben.

Das Erinnern erkämpfen

Nein Dame 01.12.2012 - 15:01
Hier ein Videobericht allgemein als Ergänzung zum Thema Erinnerung und wer sie wie gestaltet:
"Brandanschläge in Mölln - Das Erinnern erkämpfen"
 http://youtu.be/p7tgQcKs3FQ