(B) Verurteilen um jeden Preis

Beobachterin 25.11.2012 20:20 Themen: Antirassismus Repression
Gericht will an Freund von Dennis J. ein Exempel statuieren

Am kommenden Dienstag wird der Prozess gegen Walled O. vor dem Amtsgericht Neuruppin fortgesetzt. Der Vorwurf lautet Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Walled O. war bei der Urteilverkündung im sogenannten Schönfließ-Fall als Zuhörer im Gerichtssaal.
Im brandenburgischen Schönfließ bei Berlin hatte der Polizeibeamte Rother am Silvesterabend 2008 Dennis J., einen Freund von Walled O., aus nächster Nähe mit acht Schüssen getötet. Das Gericht bewertete das Verhalten des Polizeibeamten damals als „unverhältnismäßig und nicht gerechtfertigt“, der Zivilfahnder habe mit „bedingtem Vorsatz“ und aufgrund eines „übersteigerten Verfolgungsdrangs“ gehandelt. Rother wurde deshalb im Juli 2010 nach acht Verhandlungstagen wegen Totschlags verurteilt, allerdings nur zu zwei Jahren auf Bewährung. Das skandalöse Urteil löste bei den anwesenden Freunden und Angehörigen von Dennis J. Wut und Empörung aus.

Walled O. wird in diesem Zusammenhang vorgeworfen, er habe die Urteilsverkündung gestört und sei aus dem Sitzungssaal verwiesen worden. Da er sich geweigert habe, hätten ihm Polizeibeamte nach mehrfacher Aufforderung einen Platzverweis ausgesprochen und ihn zur Durchsetzung schließlich in Gewahrsam genommen. Walled O. habe dann wiederholt versucht, sich unter Anwendung körperlicher Gewalt aus dem Griff der Beamten zu befreien.

Ohne ein einziges Beweismittel wurde Anklage erhoben und das Verfahren am 23. Mai 2011 vor Gericht eröffnet. Nicht einmal die Polizeibeamten waren als Zeugen vernommen worden.

Walled O. gab vor Gericht an, dass er die Urteilsverkündung nicht gestört und den Gerichtsaal verlassen hat, um nach einem Freund zu schauen. Dabei wurde er von Polizeibeamten ohne Vorwarnung oder Aufforderung unter Anwendung schmerzhafter Polizeigriffe ergriffen und nach draußen geführt.

Beweismittel gegen ihn gibt es nicht. Selbst die beteiligten Polizeibeamten halten - nach vielen widersprüchlichen Angaben – nicht an der Geschichte fest. Schon deshalb hätte Walled O. nach dem Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ freigesprochen werden müssen. Gericht und Staatsanwaltschaft weigerten sich zudem, entlastendes Videomaterial beizuziehen. Als dies nach vielen Anträgen der Verteidigung endlich erfolgen sollte, war das Filmmaterial bereits vernichtet worden.

Dennoch gelang es im Laufe des Verfahrens und nach mittlerweile 19 (!) Verhandlungstagen die Unschuld von Walled O. zu beweisen: Die Version der Anklage konnte inzwischen widerlegt werden. Auch das Gericht hält nicht mehr an der Behauptung, Walled O. habe die Urteilsverkündung gestört und sei des Saales verwiesen worden, fest.

Am 18. Verhandlungstag am 12. November 2012 waren erneut fünf Zeugen geladen, die allesamt nichts Belastendes gegen Walled O. vorzubringen hatten. Unter ihnen war auch ein Justizbeamter aus Wittstock, der das Geschehen direkt beobachtet und keine Widerstandshandlung des Angeklagten gesehen hat. Trotzdem will das Gericht weiterhin verurteilen - offenkundig auch ohne Tatnachweis. Die Verteidigung erklärte daraufhin, dass sie in ihrer langjährigen Praxis noch nie ein Verfahren mit einer derartigen Verurteilungstendenz erlebt hat und stellte weitere Beweisanträge.

Ein Angehöriger von Dennis hält fest: „Der ganze Prozess ist eine Farce. Er dient in erster Linie der Zermürbung der Freunde und Angehörigen von Dennis - ihre kämpferische Haltung war Polizei und Justiz von Anfang an ein Dorn im Auge. Wir werden uns davon nicht einschüchtern lassen und fordern weiterhin Gerechtigkeit.“

Am kommenden Dienstag, den 27. November 2012 um 13.00 Uhr wird die Verhandlung gegen Walled O. vor dem Amtsgericht Neuruppin (Saal 111) fortgesetzt. Evtl. wird bei diesem Termin das Urteil gesprochen.
Die Freunde und Angehörigen von Dennis J. freuen sich über Unterstützung!
Solidarität ist eine Waffe!


Weitere Infos zur Vorgeschichte:
www.youtube.com/watch?v=vQpVSizUcyg
 http://nojusticenopeace.blogsport.eu/2011/06/15/repression-gegen-freundeskreis-von-dennis/#more-338
www.jungewelt.de/2012/11-10/051.php?sstr=justizskandal
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Ergänzungen