Flüchtlingsproteste: Seit 8 Monaten auf der S

supporter_in 25.11.2012 18:10 Themen: Antirassismus
"Wir werden keine Gesetze respektieren, die uns nicht als Menschen respektieren." - Aus dem Aufruf des Organisationskomitee der streikenden Flüchtlinge in Deutschland, September 2012Zusammenfassung des aktuellen Flüchtlingsprotests in Deutschland. Seit 19. März 2012 auf der Strasse.

[img_assist|nid=72294|title=|desc=|link=node|align=none|width=200|height=200]"Wir werden keine Gesetzerespektieren, die uns nicht als Menschen respektieren." - Aus dem Aufruf des Organisationskomitee der streikenden Flüchtlinge in Deutschland, September 2012

Zusammenfassung des aktuellen Flüchtlingsprotests in Deutschland. Seit 19. März 2012 auf der Strasse.

 

Vor acht Monaten, am 19. März 2012, begannen Flüchtlinge ausdem Iran in Würzburg einen Hungerstreik. Sie reagierten damit auf denSelbstmord von Mohammad Rahsepar im Würzburger Flüchtlingslager. Dazuerrichteten sie zwei Pavillons und einige Zelte vor dem Würzburger Rathaus. Inihrer ersten Pressemitteilung schrieben sie: „Wir werden unseren Streikfortführen, bis die Verantwortlichen für die bayerische Asylpolitik mit unsverhandeln und wir die Anerkennung unseres Asylantrags, sowie eine Verbesserungder Situation all der Schutzsuchenden in Deutschland erreichen.“ Um deneigenen Asylantrag geht es allerdings den wenigsten. Dies beweisen auch bereitsanerkannte Geflüchtete, die weiter kämpfen trotz dubioser Gespräche mit derStadt Würzburg, die den Geflüchteten einen sicheren Aufenthalt versprach, insofernsie den ihre Protestaktion beenden würden. (Natürlich dementiert die StadtWürzburg diese Gespräche. Die erste große Aufmerksamkeit erreichteten die Geflüchtetenin Würzburg als sich mehrere von ihnen Anfang Juni ihre Lippen zunähten undeiner in einen trockenen Hungerstreik trat.

 

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In Würzburg selbst wurde allerlei versucht. Hungerstreikverbieten, Zelt verbieten, Heizung verbieten, Strom verbieten, Schlafenverbieten, nur ein Bett für zehn Personen etc. 5 Doch trotz all dieserSchickanen blieben die Geflüchteten auf der Straße. Erst als Ende Juni/ AnfangJuli, als den ersten Geflüchteten Verhaftungen drohten, weil sie dieResidenzpflicht verletzten, kehrten sie in die ihnen zugewiesenen Bezirkezurück und errichteten dort ebenfalls Protestcamps. Schon bald existiertenneben dem selbstorganisierten Protest in Würzburg auch in Aub, Bamberg,Düsseldorf und Regensburg Protestzelte. Auch hier wurde abermals versucht, denGeflüchteten mit schickanösen Auflagen beizukommen (nur drei Betten für sechs Personen,Verbot des Schlafens, auch bei Wind und/ Wetter geöffnete Pavillons, etc...).Doch die Bewegung wurde nur noch größer. Protestzelte in Berlin, Passau undNürnberg folgten sowie unzählige weitere lokale Aktionen in anderen Städten,die von Geflüchteten selbst organisiert wurden.

 

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Bereits vom 24.-27. Juli führte MohammadHassanzadeh Kalali die Residentpflicht ad absurdum und besuchte gemeinsam miteinem Journalisten die damaligen Protestzelte in Bamberg, Aub, Würzburg undDüsseldorf. Zwar kontrollierte in Würzburg die Polizei seine Personalien, hieltihn aber nicht von der Fortführung seiner Reise ab. Anfang August schließlichwurde verkündet, von Würzburg nach Berlin zu laufen. Drei Tage vor Beginn desProtestmarsches wurde ein Geflüchteter in Würzburg festgenommen, der gegen dieResidenzpflicht verstoßen hatte und am Protestmarsch teilnehmen wollte. Erwurde zurrück in den ihm zugewiesenen Bezirk gebracht. Weder ihn noch vieleandere hielt dies aber davon ab, am 8. September um 14 Uhr von Würzburg ausloszulaufen. Gleichzeitig fuhr ein Bus los, um Geflüchtete in den westlichenund nördlichen Gegenden Deutschlands aufzusuchen und jene nach Berlin zumobilisieren.

 

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Spätestens mit dem Grenzübertrittvon Bayern nach Thüringen verstießen alle Geflüchteten des Protestmarschesgegen die Residenzpflicht. Um zu demonstrieren, dass ihreAufenthaltsgestattungen sowie ihre Duldungen mit einer begrenzten Gültigkeitund diskriminierenden Regelungen Teil einer unmenschlichen Asylpolitik sind,haben bei dem Grenzübertritt Geflüchtete diese Aufenthaltspapiere öffentlichzerrissen. Übernachtet wurde während desProtestmarsches teils auf Sportplätzen, teils bei Menschen, die denGeflüchteten für eine Nacht eine Unterkunft gaben, und auch im freien Feld.Während des ganzen Protesmarsches mobiliserte die NPD gegen eben jenen.Nächtliche Angriffe von Nazis blieben aber glücklicherweise aus. Und als dieNPD in Erfurt versuchte, die Pressekonferenz vor dem Thüringer Landtag derGeflüchteten zu stören, wurde ihnen ihr Propagandamaterial entrissen und wurdensie selbst entschlossen vertrieben. Weitere Störversuche wie in Potsdam undjüngst während des Hungerstreiks am Brandenburger Tor waren nur marginal undgingen im Gegenprotest unter.

 

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Am 6. Oktober kamen die Geflüchtetenam Oranienplatz in Berlin an. Zwei Tage zuvor war die Busprotestgruppe inPotsdam zu ihnen gestoßen. Seitdem existiert am Oranienplatz einselbstorganisiertes Protestcamp von Geflüchteten. Am 13. Oktober gab es eineDemonstration mit mehr als 6000 Teilnehmenden. 9 Am 15. Oktober wurde dienigerianische Botschaft besetzt um auf die Abschiebepraxis von Deutschland undNigeria aufmerksam zu machen. Die Polizei verhaftete mehrere Aktivist_innen undmisshandelte jene im Polizeigewahrsam. Mehr als 800 Leute kamen am frühen Abend zu einer Spontandemonstrationund viele von ihnen forderten bis ca. 23:30 vor der GESA in Tempelhof dieFreilassung der Aktivist_innen. Dann waren auch alle wieder in „Freiheit“.

 

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Am 24. Oktober wurde in Berlindas Denkmal für die von Deutschen zwischen 1933 und 1945 verfolgten undgetöteten Sinti und Roma einheweiht. An eben jenem Tag begannen einige derGeflüchteten einen Hungerstreik und bezogen sich dabei auch auf die Hetze gegeneinen angeblichen „Flüchtlingsstrom“ von „Wirtschaftsflüchtlingen“ aus Serbienund Mazedonien. Diese sind vorwiegend Roma, die den dortigen antiziganistischenZuständen schutzlos ausgeliefert sind. Die Polizei baute das vor demBrandenburger Tor errichtete Zelt der Hungerstreikenden wieder ab und nahm denGeflüchteten bei Eiseskälte auch Schlafsäcke und sogar Pappkartons, die alsSitzunterlage dienten, ab.

 

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Am 1. November wurde derHungerstreik nach Gesprächen mit und Zugeständnissen vonRegierungsvertreter_innen unterbrochen. Da sich aber nach kurzer Zeit dieVereinbarungen als leere Versprechen herausstellten, erklärten die Geflüchtetenam 16. November „Wir lassen uns nicht täuschen“ und nahmen den Hungerstreikwieder auf. Am Oranienplatz befinden sich weiterhin Geflüchtete in denZelten.

 

In einem aktuellen Statemeint heißt es: „Wirsind Menschen, und da wir unser Menschsein nicht ändern können, wollen wir dieunmenschlichen Zustände ändern. Wir werden unseren Kampf nicht beenden, bevordie unmenschlichen Gesetze gekippt sind.“

 

Aktuelle Informationen:

www.refugeetentaction.net

www.facebook.com/refugeemarch

 

Weitere Flüchtlingsproteste:

https://refugeecampvienna.noblogs.org/Wien

http://rechtopbestaan.nl/Niederlande/ den Haag

 

"Das allein ist der größte Teil unseres Protestes: mit Menschen zu sprechen, die in Mitten politischer Verhältnisse leben, die aus der schmutzigen kapitalistischen Welt hervorgehen. Wenn niemand das ins Gedächtnis ruft, wird diese Herrschaft über den Menschen und die Notwendigkeit für den Schutz des Menschen in Vergessenheit geraten." - Die streikenden Flüchtlinge in Regensburg, September 2012

 

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