Studentenverbindungen: Sexismus mit Tradition

Tübinger Bündnis gegen die Burschentage in S. 22.11.2012 09:15 Themen: Antifa Antirassismus Gender

Anlässlich der Burschentage in Stuttgart hier der dritte Teil der Kritik an Burschenschaften und Studentenverbindungen: Sexismus, Frauenfeindlichkeit und patriarchales Männerbild in Studentenverbindungen.

Vom 23.-25.11.2012 findet in der Sängerhalle Untertürkheim ein außerordentliches Treffen des ultrarechten Dachverbands „Deutsche Burschenschaft“ statt. Ziel ist es, die inneren Querelen zu lösen, denn seit mehreren an die Öffentlichkeit gelangten Skandalen, wie etwa dem Versuch eine Art „Ariernachweis“ im Verband einzuführen, steht die „Deutsche Burschenschaft“ in der öffentlichen Kritik.



Nachdem es in unserem ersten Text „Braune Burschenschafter – die „Deutsche Burschenschaft“ und die extreme Rechte“ um rechte Tendenzen in der „Deutschen Burschenschaft“ ging und unser zweiter Text sich mit „Eliten und Elitebildung in Burschenschaften und Studentenverbindungen“ befasste, soll im Folgenden ein Blick auf die sexistische Seite studentischer Verbindungen geworfen werden.

 

Während noch im 18. Jahrhundert die Geschlechterverhältnisse von einer relativen Offenheit gekennzeichnet waren, bildete sich in der zweiten Hälfte des 18. Jh. eine hierarchisch konzipierte Ideologie von Geschlechtergegensätzen aus. Dadurch verstärkten sich stereotype Geschlechterrollenbilder, welche als Legitimationsapparat für die strikte Trennung von weiblich privaten und männlich öffentlichen Sphären dienten.

Mit Hilfe der hierbei anzutreffenden essentialistischen Begründungen wurden auch anfängliche Emanzipationsbestrebungen ausgebremst und so die fortdauernde Unterordnung und Ausgrenzung von Frauen gerechtfertigt.

Für Studentenverbindungen war „Männlichkeit“ seit ihrer Entstehung Anfang des 19. Jahrhunderts ein zentrales Element, denn diese entwickelten sich parallel zu dieser Geschlechterpolaritäts-Diskussion. Dabei wurde „Männlichkeit“ im Zusammenhang mit ebenfalls zu dieser Zeit stattfindenden Kriegen durch martialisch-heroische Züge charakterisiert.
Im Brauchtum studentischer Verbindungen finden sich bis heute körperliche Härtetests und Tauglichkeitsprüfungen, in denen Anwärter (sog. Füxe) ihre „weiblichen“ Charakterzüge wie Angst, Schwäche und Emotionalität zu überwinden haben. Der sog. Mensur kommt hierfür die wohl gewichtigste Funktion zu, da sie der Erziehung zu einer martialisch-„heroischen“ „Männlichkeit“ dient, die die Abgrenzung gegenüber der Welt der angeblich verweichlichten Frauen und Kinder symbolisiert und festigt und insofern eine Art „Habitus ohne Mitleid“ fördert.
Das Frauenbild in Studentenverbindungen ist in der Regel ebenfalls klar umrissen: Ihr Daseinssinn besteht in der Umsorgung der gesellschaftlich wichtigen und beruflich erfolgreichen (Ehe-)Männer. Die gesellschaftlich notwendige, jedoch zumeist unbezahlte Reproduktionsarbeit in der Familie wird als alleinige (und einzige) Sphäre der Frau definiert. Auf diese Weise wird eine massive Ungleichheiten produzierende Arbeitsteilung legitimiert und bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten zementiert.
Des Weiteren werden Frauen in diesem sexistischen Denken zu schmückendem Beiwerk degradiert sowie als Wesen beschrieben, deren Funktion darin besteht, dem Mann mit vermeintlich komplementären und insofern sekundären Eigenschaften zur Seite zu stehen. Frauen sind demnach auf die Rolle von Zuschauerinnen bzw. „von „schmeichelnden Spiegeln“ verwiesen, die dem Mann das vergrößerte Bild seiner selbst zurück werfen“ (Bourdieu 1997, S. 203).

Mit dem Beginn der allgemeinen Zulassung von Frauen zum Hochschulstudium ab etwa 1900 wurde der Begriff des „Männerbundes“ populär. Das Vordringen von Frauen in den öffentlichen Raum der Universitäten wurde als die Entwicklung einer drohenden Verweiblichung der Gesellschaft wahrgenommen, weshalb Männerbund-Theorien entwickelt wurden, die den Ausschluss von Frauen aus Verbindungen auch weiterhin legitimieren sollten. Inhalte dieser Theorien waren ideologische Weiterentwicklungen und Radikalisierungen des bipolaren Geschlechtermodells. Demnach sei der Platz der Frau an der Wiege und die Kinderaufzucht ihre „natürliche“ Aufgabe. Frauen-Bildung diente demnach maximal der Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Kindererziehung.
Inzwischen haben sich einzelne Korporationen für Frauen geöffnet (etwa 1-5 Prozent der Mitglieder in studentischen Verbindungen sind weiblich) und es wurden auch einige Damenverbindungen gegründet, deren Anzahl sich auf etwa 50 beläuft. Reine Männerverbindungen gibt es hingegen 900-1000, womit es sich bei Studentenverbindungen um quasi die letzten Bastionen männerbündischer gesellschaftlicher Institutionen handelt. In ihnen soll männliche Elitebildung erfolgen, was dazu führt, dass die gesellschaftliche Männerdominanz und die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus reproduzieren sie essentialistische Vorstellungen von Zweigeschlechtlichkeit und die damit einhergehende hierarchische Geschlechterordnung.

Fragt man Vertreter von Korporationen wie sie den Ausschluss von Frauen legitimieren, wird nicht selten auf „die Tradition“ sowie auf die wenigen bestehenden Damenverbindungen und somit auf vermeintliche Gleichberechtigung verwiesen. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ablehnung der Gleichheit aller Menschen- insbesondere bei Burschenschaften- ein wesentliches Merkmal ihrer Weltanschauung ist und durchaus klare Benachteiligungen für Frauen mit sich bringt. Der strukturelle Ausschluss von Wohnraum und die gut vernetzten Seilschaften, die dazu dienen sich auf beruflicher und politischer Ebene den Zugang zu gesellschaftlich relevanten Positionen gegenseitig zuzuschieben, sind dabei nur die offensichtlichsten Beispiele.

Doch nicht allein Frauen werden von den meisten studentischen Verbindungen diskriminiert: Auch „nicht-deutsche“ Männer, nicht katholische Studenten, Männer die keinen Wehrdienst geleistet haben sowie homosexuelle und alle anderen außerhalb der heteronormativen Matrix lebenden Menschen werden von vielen Verbindungen nicht aufgenommen. Dies dient der Formierung homosozialer Gemeinschaften, in denen ein elitär-konservativer maskuliner Habitus bewahrt und weiter gegeben wird.
Und seit den massiven Angriffen auf die männliche Herrschaftsordnung im Zuge der Zweiten Frauenbewegung in den 1970er Jahren, wurde die ursprüngliche Funktion studentischer Verbindungen, nämlich spezifische Standes- und Klasseninteressen aufrechtzuerhalten, um eine weitere ergänzt: sie fungieren als Instanzen der Reproduktion hegemonialer Männlichkeit (Heither 2000, S. 109). Allerdings ist es von Verbindung zu Verbindung unterschiedlich, welcher Aspekt von „Männlichkeit“ jeweils im Vordergrund steht. So repräsentieren schlagende Verbindungen beispielsweise die äußerst reaktionäre Vorstellung von männlicher Stärke durch Wehrhaftigkeit und nationalistisches Soldatentum, in der „Männlichkeit“ und Militarismus eine Einheit bilden. „Männlichkeit“ in eher „wissenschaftlich“ orientierten Verbindungen wird hingegen mit Forscherdrang und intellektueller Überlegenheit verknüpft. Dabei geht es um den „rationalen Mann“ im Gegensatz zur „emotionalen Frau“, dem aufgrund seiner überlegenen Rationalität die Deutungshoheit über gesellschaftliche Fragen und Entwicklungen zustehe (Pietryzk 2007, S. 28 f). Gemein ist jedoch allen Verbindungen, dass sie funktionell dazu beitragen die männliche Hegemonie in der Gesellschaft und geschlechterbinäres Denken aufrecht zu erhalten.

Für die Auflösung aller Studentenverbindungen.

Kommt alle zum Protest gegen den Burschentag in Untertürkheim (Stuttgart)

Samstag 24.11.2012 – 12 Uhr – Carl-Benz-Platz – Untertürkheim

(Anfahrt mit der S-Bahn über die Haltestelle Untertürkheim, ABER VORSICHT: massive Kameraüberwachung des S-Bahnhofs!)


Tübinger Bündnis gegen den Burschentag in Stuttgart



Mehr zur „Deutschen Burschenschaft“:

 

keineburschentage.tk

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