Höchstrichterliche Urteile nichts wert?

Andrzej Skulski 14.11.2012 18:47 Themen: Antifa Antirassismus Repression Soziale Kämpfe
Menschenrechtsorganisationen und Betroffenenverbände aus ganz Deutschland schlagen Alarm. Psychopharmaka-Zwangs-Behandlung soll trotzt höchstrichterlicher Beschlüsse im Geheimverfahren legalisiert werden.
Psychopharmaka können für die betroffenen Menschen schreckliche Folgen haben. Sie verändern Persönlichkeit und Körper, bewirken Bewusstseins-, Mimik- und andere –Veränderungen. Der zwangsweisen Verabreichung wurde in Deutschland vom Bundesverfassungsgericht jede gesetzliche Grundlage entzogen wurde. Daraufhin hat auch der Bundesgerichtshof die Zwangsbehandlung mit Psychopharmaka in der Psychiatrie für illegal erklärt. Wir bzw. unsere Angehörigen wurden also über 60 Jahre mit Drogen zwangs-„behandelt“ ohne, dass es gesetzliche Grundlage gab…

Die Freude derer, die seit Jahren für die Abschaffung dieser folterartigen Zwangsbehandlung in der Psychiatrie eintreten, könnte unter Umständen nur kurz gewesen sein. Eine Zwangsbehandlung mit psychiatrischen Drogen, die als „Medikamente“ ausgegeben waren, soll wider alle Hürden, die das Budnesverfassungsgericht benannt hatte, ermöglicht werden.

Wussten Sie nichts davon? Wie ist das möglich?

Wie in einem geheimen Gesetzgebungsverfahren soll unter dem Deckmantel des Titels eines total verschiedenen Gesetzes die psychiatrische Zwangsbehandlung für jede/n wieder eingeführt werden! Wie heißt dieses Gesetz? Bizarr: Gesetz zur Durchführung des Haager Übereinkommens vom 23. November 2007 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen sowie zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des internationalen Unterhaltsverfahrensrechts.

Hier diese Horrorentdeckung:  http://tinyurl.com/d8xpncs in Verbindung mit  http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/104/1710492.pdf

Am Donnerstag, 15.11.2012 treffen sich die Justizminister der Länder, um das nahezu geheime Eilverfahren von Lädnerseite zu unterstützen. Betroffenenverbände protestieren, um diesen Rechtsbruch zu verhindern und bitten um Unterstützung.

Psychiatrie, wie ein Mysterium

Wie seit vielen Jahren versucht die Psychiatrie durch ihre Propagandamühlen zu verhindern dass ihre brutalen Zwangs- und Gewaltmethoden entlarvt werden. Das hat in den 70er Jahren funktioniert, als man mit einer Psychiatrie-Enquete die Öffentlichkeit irreeführte Damals hat die Werbekampagne der Psychiatrie und ihrer Pharmalobby bewirkt, dass noch sehr viel mehr Geld in dieses „Kerkersystem mit Folterregime (Michel Foucault) floss. Sie täuschte „Reformen“ vor, um angeblich ein menschlicheres Gesicht zeigen zu können.

Es wurden gefällige Betroffene in „Gespräche“ einbegezogen, ein paar Angehörige, die sich wichtig fühlen wollten, weil sie mit den Herren Professoren am Tisch sitzen wollten. Das sollte zeigen, wie sehr sie an Seite ihrer Kinder stehen, obwohl sie dem (geliebten) Kind einfach nur aufzwangen, dass es angeblich „krank“ sei. Sie glaubten lieber einem Weißkittel, der ohne organische Beweise behauptete, diese angebliche „Krankheit“ mit tollen, modernen „Medikamenten“ geheilt werden könne. Und das obwohl sich der Zustand des Betroffenen regelmäßig verschlechterte.

So soll wie vor 40 Jahren das Hauptproblem vergessen werden: die Existenz von Sondergesetzen, die Zwang ermöglichen. Jetzt soll wieder mehr Geld fließen, damit die Struktur der Zwangspsychiatrie sich noch weiter ausbreite. Mehr Geld, mehr Personal, mehr Kontrolle und Überwachung. Die Länderjustizminister wollen sogar, dass illegale ambulante Zwangshandlung eingeführt werden soll! Durch solche ambulante sozialpsychiatrische Strukturen hat sich die Zwangspsychiatrie über die Mauern der „Psychiatrien“ hinaus tief in die Gemeinden hinein verbreitet.

Gewaltfreie Behandlung in der Psychiatrie unerwünscht?

Ja! Die bloßgestellte Psychiatrie protestiert und tut so, als wenn sie ohne Zwangswerkzeug nicht mehr arbeiten könnte und hält an einer rückwärtsgewandten Restauration fest. Befürwortet wird diese Restauration von Menschen, die entweder blauäugig an diese Schein-„Wissenschaft“ glauben und auf die an sich selbstverständliche Erfüllung des hypokritischen Eides blind vertrauen, oder aber selbst unmittelbar aus diesem Selbstversorgungssystem ihren Nutzen ziehen.

In einer Pressekonferenz der Psychiatervereinigung DGPPN am 12.11.2012 distanzierte sich diese zwar von den jetzigen Unmenschlichkeiten, verlangten aber trotzdem nur noch mehr Gelder. Die Vertreter der DGPPN waren verärgert, dass das Gesundheitsministerium plötzlich so viele Fragen zur Ausgabentransparenz stellt, weil es laut Aussagen von anwesendem DGPPN „Experten“ trotzt intensiver „Forschung“ schlicht und einfach finanziell unberechenbar sei, da das „Heilen“ der „Geisteskranken“ angeblich so kompliziert und unvorhersehbar sei. Die vom Ministerium vorgestellten Vorschläge zur Vergütung der Psychiater fände das Aktionsbündnis inakzeptabel. Ohne mehr Geld gäbe es keine Zeit für persönliche Unterstützung des Einzelnen und nur die permanente Zwangs-Sedierung mit Psychopharmaka käme in Frage. Gesundheitliche Dauerschäden bei Langzeiteinnahme und Ähnliches werden als Kollateralschaden akzeptiert bzw. ignoriert. Man hätte ja nichts anderes, „es lägen keine Erkenntnisse vor“

Was macht nun die Psychiatrie ohne Zwangswerkzeug?

Ein Appell von Prof. Peter Falkai an die Medienvertreter, dass sie doch die Belange der armen Psychiater jetzt öffentlich verbreiten sollten, klang eher peinlich und abstoßend. Falkai betonte immer wieder, dass man, um den Menschen helfen zu können, viel, viel mehr Geld bräuchte, damit eine „hochwertige klinische Behandlung“ gewährleistet werden könne. Alles – wie immer – zynisch zum angeblichen Wohle des Betroffenen, um angeblich dessen persönliches Leid, die Chronifizierung seiner „Erkrankung“ sowie die extreme Belastung der Familie und Angehörigen zu vermeiden. Man bekommt zu spüren, das mit „persönlichem Leid“ tatsächlich gemeint ist, dass jemand erst dann „chronisch krank“ gemacht werden soll, damit dann als Resultat solche extreme Belastungen für die Familien und das Umfeld entstehen.

Und was machen nun die Volksvertreter? Was machen die Ministerien für Gesundheit und Justiz? Werden sie der Psychiatrie wieder hörig sein? Bewusst oder unbewusst blauäugig handelnd?

Zwangsbehandlung darf nicht Legalisiert werden

Martina Bunge, Abgeordnete und Gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag hat - gemeinsam mit ihren Genoss_innen - zu diesem Thema kürzlich einen offenen Brief verfasst: www.zwangspsychiatrie.de/aktuelles. Sie ist erschrocken, dass alles so geheim abgehalten wird, dass keiner im Bundestag Näheres über Zwangsbehandlung wisse, wie auch vom Eiltempo und den Rufen der Betroffenenverbände gegen einschleichende Tyrannei. „Ich möchte auch nicht so vergewaltigt werden“ – sagte sie in einem gestern veröffentlichten Interview, was ich als Ergänzung zu diesem Artikel empfehle.  http://vielfalter.podspot.de/post/foltergesetz-ohne-parlamentarische-debatte/
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Ergänzungen