HH: KurdInnen in Kirche im Hungerstreik

Evinda 08.11.2012 23:32 Themen: Repression Weltweit
Kurdinnen und Kurden haben heute aus Solidarität mit Tausenden hungerstreikenden Gefangenen in der Türkei in der St. Georgskriche in Hamburg (Kirchhof 19) einen Hungerstreik begonnen.
Zum Hintergrund:

An dem Hungerstreik in den Gefängnissen der Türkei, aufgenommen von 63 politischen Gefangenen
der PKK und PAJK am 12. September, sollen sich inzwischen insgesamt 10 000 politische
Gefangene beteiligen. Dies kündigte Deniz Kaya, Sprecher der Hungerstreikenden, in einer
schriftlichen Erklärung an, welche am 4.November von der Nachrichtenagentur Firat (ANF)
veröffentlich wurde. Zuletzt betrug die Zahl der Hungerstreikenden etwas mehr als 700.

Die Forderungen der Hungerstreikenden an die türkische Regierung lauten: Aufhebung der
Isolationshaftbedingungen gegen Abdullah Öcalan, die Gewährleistung seiner Gesundheit, Sicherheit
und Freiheit, sowie die umfassende Anerkennung der kurdischen Sprache – einschließlich des
Rechtes auf Bildung in der kurdischen Muttersprache, die Verteidigung auf Kurdisch vor Gericht und
die Aufhebung jeglicher Assimilationspolitik gegen KurdInnen.

Erdogan kündigte am 3.November in einer Rede an, dass er sich nicht „erpressen“ lassen würde und
sprach von einer Wiedereinführung der Todesstrafe. Zudem warnte Erdogan die JournalistInnen, die
weiterhin den Hungerstreik und das Todesfasten auf der Tagesordnung halten.

Mehrere Gefangene befinden sich inzwischen an der Schwelle zum Tod. Deniz Kaya unterstrich in
seiner Erklärung: „Wir wollen mit unserem Hungerstreik niemanden in die Knie zwingen oder
erpressen. Zugleich erlauben wir es aber auch nicht, dass irgendjemand versucht, uns zu erpressen.
Als inhaftierte FreiheitskämpferInnen wollen wir erreichen, dass durch unseren Hungerstreik
unsere Forderung nach den grundlegendsten Menschenrechten sowie unsere legitimen
Forderungen nach sozialen und politischen Rechten in der Öffentlichkeit und der gesamten Welt
erhört werden.“

In der Erklärung wird die internationale Öffentlichkeit dazu aufgefordert, nicht die Augen zu
verschließen: „Wir setzen unsere Körper für eine friedliche und demokratische Lösung der
kurdischen Frage und für ein würdevolles Zusammenleben der Völker dem Tod aus. Unsere Aktion
ist zugleich auch ein Appell an das Gewissen. Es ist der Apell eines Volkes, welches Unterdrückung
und Leid ausgesetzt ist, für ein Ende dieser Unmenschlichkeit, die an uns stellvertretend für die
gesamte Menschheit ausgeübt wird.“

Unter den Hungerstreikenden befinden sich inhaftierte Abgeordnete, Bürgermeister, AnwältInnen
sowie mindestens 9 JournalistInnen, die zu den mehr als 8000 Menschen gehören, die in den letzten
3 Jahren im Rahmen der sogenannten „KCK-Operationen“ gefangen genommen wurden.
Internationale Organisationen wie die Menschenrechtsorganisation Amnesty International und die
ärztliche Weltfriedensorganisation IPPNW rufen die türkische Regierung zur Einleitung von
dringenden Schritten auf. Den Hungerstreikenden werden in vielen Fällen der Zugang zu gesundem
Wasser, Salz, Zucker sowie dem lebensnotwendigen Vitamin B1 verwehrt. In einigen Gefängnissen
werden die Gefangenen wegen ihrer Teilmnahme am Hungerstreik als Sanktion in Isolationszellen
gesperrt. Des Weiteren ist einem Untersuchungsbericht der Menschenrechtsorganisation IHD zu
entnehmen, dass das Wachpersonal in vielen Gefängnissen gezielt psychischen und physischen Druck
auf die Hungerstreikenden ausübt.

Der türkische Ministerpräsident Erdogan leugnete sogar während seines Deutschland-Besuches
vergangene Woche gegenüber der Presse die Existenz des Hungerstreiks: „So etwas wie einen
Hungerstreik gibt es nicht. Das ist alles nur Show. Mein Justizminister ist in den Gefängnissen
gewesen.“ Zeitgleich räumte in Ankara sein Justizminister Sadullah Ergin allerdings gegenüber seiner
deutschen Amtskollegin Leutheusser-Schnarrenberger ein, dass sich 683 Gefangene in 66
Gefängnissen im Hungerstreik befinden würden.

In den vergangenen Tagen kam es aufgrund des Hungerstreiks in zahlreichen Städten Kurdistans und
der Türkei bei Solidaritätsdemonstrationen und -kundgebungen zu schwersten
Auseinandersetzungen zwischen DemonstrantInnen und der Polizei. Trotz verhängten
Versammlungsverboten versammelten sich in vielen Städten zehntausende Menschen, um die
Forderungen der Hungerstreikenden zu teilen und die AKP-Regierung zum Handeln zu bewegen.
Auch in vielen Städten Europas kam es zu mehreren Solidaritätsaktionen, wie einer
Großdemonstration in Brüssel mit tausenden von TeilnehmerInnen und zahlreichen mehrtägigen
Solidaritätshungerstreiks.
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Ergänzungen

Erklärung von iL & Tatort Kurdistan

mensch 09.11.2012 - 15:25
Gemeinsame Solidaritätserklärung zum Hungerstreik der Interventionistischen Linken und der Kampagne Tatort Kurdistan:
 http://www.dazwischengehen.org/story/2012/11/solidarit-t-mit-dem-kampf-der-kurdinnen-f-r-freiheit-und-demokratie