[SH] Freiraum HAK geräumt. (BadSegeberg)

einige Freund_innen vom HAK 03.11.2012 23:41 Themen: Antifa Bildung Freiräume Kultur Repression Soziale Kämpfe
Räumung des selbstverwalteten Jugendkulturzentrums HaK in Bad Segeberg (SchleswigHolstein)


Wir wurden verjagt und es wurde uns unser Haus genommen. Jetzt sollen wir mit ansehen, wie unser Jugendkulturzentrum „Hotel am Kalkberg“ abgerissen wird.
Wir sind entsetzt, unglaublich traurig und sehr sehr wütend.
Jahrelanges ehrenamtliches Engagement von Jugendlichen wurde am 1.11.2012 durch den Bürgermeister Dieter Schönfeld erschreckend beendet und das HaK geräumt.

Dies ist ein Bericht über den Tag der Räumung.
Bis zuletzt haben wir versucht das alte Bauernhaus als Ort der Kultur und Vielfalt zu erhalten.



Das HaK besteht als selbstverwaltetes Zentrum seit 2000. Es war ein Freiraum für Jugendliche, ein Raum für Kultur, Kunst und Politik mit unkommerziellen, basisdemokratischen Grundsätzen. Viele Gruppen haben sich im HaK getroffen und sowohl ihre Freizeit, als auch ihr Zusammenleben gestaltet. Hier haben wir uns wohlgefühlt und gelernt Verantwortung für das Haus und füreinander zu übernehmen.
All die Jahre haben wir quasi ohne finanzielle Unterstützung der Stadt ein Kulturprogramm, Bildungsveranstaltungen, eine Bibliothek, eine Werkstatt, und Räume für Initiativen angeboten. Es war nicht immer leicht, aber wir haben es gern gemacht.
Bis andere Menschen entschieden haben, dass es das HaK nicht mehr geben soll.

Bis zuletzt haben wir, die Nutzer_innen und Freund_innen des HAK, Anwohner_innen, Denkmalschützer_innen, eine Mütter-Initiative, der Dachverband Soziokultureller Zentren und viele engagierte Bürger_innen der Stadt versucht, das alte Bauernhaus als Ort der Kultur und der Vielfalt zu erhalten. Teile des Gebäudes sind älter als die geschichtliche Kartierung der Stadt Bad Segeberg, vermutlich 350 Jahre. Doch nichts konnte den Bürgermeister von dem kulturfeindlichen Ansinnen abbringen, das
Jugendkulturzentrum in Bad Segeberg abzureißen.

Als bekannt wurde, dass unser Haus bedroht ist, haben sich viele Menschen von überall her mit uns solidarisiert. In der Woche vor der Räumung haben wir viel Besuch und Unterstützung bekommen, es wurde ein umfangreiches Programm auf die Beine gestellt und gehofft, wir könnten es doch noch schaffen zu bleiben.


Wir wollen euch einen Einblick geben, was im und um das HaK los war und was bei uns geht:


Der Tag der Räumung im Überblick:

Die Absprache zwischen Stadtverwaltung und Trägerverein des HAK war folgende: Für 16:30 Uhr nachmittags war eine offizielle Übergabe des Gebäudes in Form einer Schlüsselübergabe vereinbart worden. Statt sich an die Absprache zu halten begann der Abriss des Gebäudes früh morgens um 05:30 Uhr.

05:30 Räumung beginnt
12:00 Spontandemo
16:30 Polizeigewalt am Rathaus
danach Spontandemo durch die Innenstadt zum Rathaus
abends: Jugendliche werden aus Ausschusssitzung ausgesperrt
dort: Konzert mit Johnny Mauser
danach Spontandemo durch die Innenstadt


05:30 Uhr morgens am HAK: Abrissunternehmen, Bullen, Räumung

Wieder einmal wurden wir von der Stadt verarscht und belogen: Die Stadt hat sich nicht an die Absprachen gehaten. Der einstige Vorsitzende des HaK-Beirats teilte uns schon vor Jahren mit, der Bürgemeister und Teile der Stadt würden ein „falsches verlogenes Spiel“ mit uns treiben... So war es nun (wieder einmal) auch am Morgen des 1.November: Entgegen aller Absprachen begann der Abriss des HAK früh morgens um 05:30 Uhr. In dem Gebäude befanden sich zu dem Zeitpunkt sowohl diverse Wertgegenstände als auch mehrere Personen. Einige haben sich spontan den Ausspruch „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“ zu Herzen genommen und sich entschieden friedlich in dem Gebäude zu verweilen. Der Abrissleiter telefonierten nach der Polizei. Da eines der Treppenhäuser nicht mehr vorhanden war und es den Arbeitern und der Polizei nicht gelang die Stahltür aufzuschneiden, wurde zunächst ein Baugerüst aufgestellt, die Dachpfannen abgedeckt und dann Teile des Dachstuhls entfernt.
Nach fünfeineinhalb Stunden wurde die letzte Person von der Polizei vor die Tür gebracht. Es wurde von einem sehr brutalen, unbesonnenen Vorgehen der Polizist_innen berichtet.
Ein Schüler, der lediglich im Garten des Hauses saß, wurde von der Polizei attackiert und brutal in Gewahrsam genommen.
Sowohl die Gerüstfirma als auch das Abrissunternehmen beteiligten sich neben der Polizei aktiv an der Räumung des Gebäudes und beleidigten die Anwesenden Jugendlichen. Einer der Angestellten des städtischen Dienstes war zum Entsetzen der Anwesenden mit der bekannten Neo-Nazimarke „Thor Steinar“ bekleidet.

Zehn Minuten nachdem der Bürgermeister feige an dem Gebäude vorbei fuhr passierte der Vorsitzende der NPD in seinem Wagen das Geschehen. Ärger mit Nazis ist fürs HAK leider nichts neues; es gab bereits mehrere Anschläge gegen das Haus und auch direkte Angriffe auf Jugendliche (z.B. mit Stahlstangen).

Mittags, nach der Räumung, startete eine zweistündige Spontandemo durch die Innenstadt bei der das Anliegen der HaK-Initiative viel Zuspruch fand.


Schlüsselübergabe:
Um 16 Uhr 30 sollte der Schlüssel der Stadt übergeben werden.
Zwei Mitarbeiter der Stadtverwaltung nahmen unter Polizeischutz den Schlüsselbund mit hunderten alten, nutzlosen Schlüsseln entgegen. Es wurde ein Redebeitrag vorgelesen, als plötzlich die Polizei grundlos mehrere Demonstrant_innen attackierte. Die Vertreter_innen der Stadt Bad Segeberg befanden sich zu dem Zeitpunkt im Rathaus und haben sich die Knüppelszene durch die Glasfassade angeguckt. Beistehende Personen wurden mit Reizgas und Schlagstöcken attackiert. Dabei wurde eine Person Festgenommen. Dringend zu erwähnen ist auch das schockierende und von Grund auf aggressive Verhalten der Polizei. Demonstrant_innen wurden ausgelacht weil sie geweint haben und eine Person wurde von Polizeibeamten gefragt ob sie mal sein Pfefferspray riechen wolle. Es wurde seitens der Polizei mehrfach gegen Rechte verstoßen, indem Personen, die sich in Gewahrsam befanden, Anwälte und Telefonate verweigert wurden. Demonstrant_innen wurden von der Polizei hinter die Einsatzfahrzeuge geschleppt und dort verprügelt wo andere sie nicht mehr sehen, nur die Schreie hören konnten. Auch vor kleinen Kindern und alten Menschen wurde kein Halt gemacht.

„Öffentliche“ Sitzung der Stadtvertreter_innen:
Die am Abend stattfindende „öffentliche“ Stadtvertretungssitzung wurde vom Bürgermeister als nicht öffentlich erklärt. Kurzerhand ließ er die Polizei kommen und die Jugendlichen aussperren. Nach einer erneuten Spontandemo durch Innenstadt fand vor der Glasfassade des Plenarraums des Rathauses ein Konzert von „Johnny Mauser“ statt. Er steht repräsentativ für die vielen Musiker_innen, die ihre ersten Konzerte im HaK hatten und motivierte die Anwesenden, weiter zu machen. Es sei wichtig, weiterhin jungen Menschen einen Raum für Kunst, Kultur und Musik bieten zu können. Genau das hat das HAK immer getan.

Und wie geht’s weiter?
Unser Haus ist weg, unsere Tränen getrocknet, unsere Wut noch da. Uns wurde unser Haus genommen, aber nicht die Kraft, die in ihm wohnte. Der soziale
Zusammenhalt und das Engagement sind kämpferischer denn je.
Soziale Zentren erkämpfen und verteidigen!

Kommt am 1. Dezember nach Bad Segeberg und unterstützt die Demo für ein selbstverwaltetes Jugendkulturzentrum!

Stay rude – stay rebel – stay HaK!


einige Freund_innen vom HaK
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Ergänzungen

Squatter

Räumung darf sich nicht lohnen 04.11.2012 - 14:14
Bei den Firmen, die an der Räumung beteiligt waren, handelt es sich um:

Gerüstbau May
Rudolf May GmbH & Co KG • Marlowring 8 • 22525 Hamburg
Tel.: (040) 855 046-0 • Fax: (040) 855 046-28 • Mobil: 0177 855 046 0

Unternehmensgruppe Peter Glindemann
Peter Glindemann
Kieswerke-Erdbau-Abbruchtechnik
GmbH & Co. KG
Eine Übersicht der Standorte dieser Unternehmensgruppe gibt es auf der Website:
 http://www.peter-glindemann.de/