Ökotourismus(märchen) Chapada Diamantina

arDaga 25.10.2012 13:55 Themen: Atom Biopolitik Globalisierung Kultur Ökologie
Brasilienreisende die (auch) die Nordostregion wählen, lassen selten die Chapada Diamantina aus. Das hat seine Ursache in erster Linie in dem Umstand, dass alle Reisebibeln und –fibeln diese ausführlich beschreiben und exaltieren. Allein, dies geschieht oft zum reinen Selbstzweck. Es wird Wunderbares vermittelt. Und real Hässliches (bzw. Unbequemes) versteckt. Das erhöht die Zahl der Lesenden und Reisenden. Und also die Verkaufszahlen. Der Zweck.
Die globalisierte grosse Medienlandschaft überträgt getreu dem Voice-of-your-Master-Prinzip die Jubelmeldungen der brasilianischen Achse aus anschaffender Wirtschaft und folgender Politik in die Köpfe europäischer Menschen. Die das dann als „wahre Information“ speichern. Weil es etwa über die Frankfurter Rundschau, oder die Süddeutsche, die NZZ, oder den Standard zugestellt wird.
Da passen Reiseführer, die idem alles in rosa und bunt bejubelschreiben, bestens dazu.

Die Wahrheit jedoch, auf unserem Realitätsboden ist bisweilen eine diametrale. Aber die fliesst in die Jubel- und Falschfuffziger-Statistiken nicht ein. Denn kein sogenannte(r) KorrespondentIn hat davon auch nur einen Krümel EMPIRISCHER Erfahrung. In ihren schmuddelmenschendichten Aussitzghettos der elektrozaunbewehrten Mittelklasseklubs in den urbanen Zentren der Süd- und Südostregionen.

Aber zurück zum „Speziellen“. Des Tourimagnets Chapada Diamantina. Auch in Bahia haben wir eine von der „Arbeiterpartei“ (Lula’s) gestellte Regierung. Unter der Regie vom Gouverneur Jaques Wagner. Und genau wie Lula und Dilma werden auch unter Wagner die euphemistischen „Fortschritte“ in Sachen Armutsverminderung und wirtschaftlichen Aufschwungs direkt auf Kosten der Natur gemacht. Das (ursprüngliche) Naturwunder Chapada Diamantina und seine (ursprüngliche) kulturelle Einzigartigkeit werden erbarmungslos in Profite weniger UnternehmerInnen und ihrer politischen (Lokal-) Capos transformiert.

Umweltverbrechen werden nicht nur Tag für Tag und Jahr für Jahr begangen und ungeahndet gelassen, sondern gefördert. Abbau radioaktivem Gesteins geschieht mit mittelalterlichen und todbringenen Methoden. HIER, in der Chapada Diamantina. Bei Caetité. Kein Reiseführer macht sich die (kontraproduktive) Mühe. Der Nationalpark und die umliegenden Naturschutzgebiete werden routinemässig abgefackelt. Auf dass Junggras spriesse, die das Vieh der Farmer schneller mästen. Quellen, Bäche und Flüsse versiegen. Weil das Agrobusiness andere Pläne mit der ehemaligen Almende Wasser hat. Die Böden werden nachhaltig vergiftet.

In den Reiseführern werden, jahrein jahraus, bilharzia-verseuchte Gewässer zum Baden und Schnorcheln angepriesen (Pratinha, oder der Mini-Pantanal östlich von Lençóis z.B.)

Und, und, und. Bücher könnte mensch darob schreiben. Und während im Ibiza der Chapada, der in Korruption und Drogen- und sonstigen Missbrauch versinkenden Kleinstadt Lençóis, mehrere bezahlte Feuerwehren miteinander konkurrieren und handgreiflich werden, wenns ums Löschen geht (denn die bringt Extra-Geld), um den Touris und der Welt vor zu gaukeln, dass etwas gemacht würde in Sachen Natur-SCHUTZ, brennen in den umliegenden Landkreisen Feuerfronten von bis zu 50km Breite alles nieder. Jahr für Jahr. Bisweilen MEHRmals pro Jahr. Und die dortigen Häuflein TATSÄCHLICH Freiwilliger stehen mit blossen Händen den IMMER & AUSSCHLIESSLICH GELEGTEN Feuersbrünsten gegen über. Die Regierung Jaques Wagner, genau so wie ALLE Lokalregierungen, verspricht zwar Hilfe, tut aber NICHTS. Verbranntes Land unnützer „brach liegender“, „nicht profitabler“ Natur gehört zu ihrem Fortschrittsverständnis. NaturSCHUTZ zu „subversiver vom Ausland gesteuerter Tätigkeit wider das nationale Wirtschaftswachstum“...
So wundert es freilich auch nicht, dass im extrem sensiblen Ökosystem des „Dachs von Bahia“ (die Landkreise Rio de Contas, Abaíra und Piatã) Bergbau betrieben wird, ohne jedwede Umweltverträglichkeitsprüfung. Also völlig illegal. Ist aber scheissegal. Denn die Regierung Jaques Wagner profitiert mit. Und während tausende Familien der Dürre wegen ohne einen Tropfen Wasser in ihren Hütten sind, werden Millionen Hektoliter in den Berg gepumpt. Um Erze aus seinen Innereien zu holen. Um ein paar Superreiche noch stinkreicher zu machen. Was Ihr dort auf der „anderen“ Atlantikseite wieder als Jubelstatistik wirtschaftlichen Aufschwungs und „Entkommen Tausender aus der Armut“ euphemistisch, wenn nicht pur lügenhaft, serviert bekommt.

Eben jetzt, am 25.Oktober 2012, als ich diese Zeilen schreibe, brennt es. Fast überall in der wunderbaren Chapada Diamantina. Mucugê, Piatã... Und nichts wird gemacht dagegen. Kann gemacht werden. Denn ohne Ausrüstung und Unterstützung können auch die Mutigsten und Hilfwilligsten der Dörfer nichts ausrichten. Dank Jaques Wagner. Der weiter verspricht. Und sich verspricht. Hohle Phrasen drischt. Und feist profitiert von der totalen Umweltzerstörung. So wie schon zu den Zeiten, als er noch Oppositionskandidat gewesen ist. Und von Umweltvernichterfirmen wie Aracruz fleissig fianziell unterstützt wurde. Eine Investition dieser Eukalyptusverwüstungsfirma, die sich heute, mit Wagner an der Macht, bestens rentiert...

Auch bei uns, in der Chapada Diamantina.
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Ergänzungen