Chaostage 2012 in Karlsruhe

Karls Unruhe 18.10.2012 06:14 Themen: Freiräume Kultur Repression
2012 haben mal wieder Chaostage stattgefunden, und zwar diesmal in Karlsruhe. In diesem Artikel soll versucht werden, verschiedene Medien- und Indy-Berichte sowie Berichte von AugenzeugInnen zusammenzufassen; das Ergebnis ist natürlich, der Natur der Sache geschuldet, unvollständig.
Offenbar in der Hoffnung auf den Klimawandel wurden die Chaostage dieses Jahr nicht im August angesetzt, sondern vom 10.-14. Oktober. Hat natürlich den Vorteil, dass es länger dunkel ist, aber ein wenig kalt und regnerisch war's halt doch.
Den Auftakt bildete am Mittwoch, 10. Oktober, das Slime-Konzi im AKK. Weil Slime mittlerweile auch Kohle für Alkoholtherapien, Stützstrümpfe und Stimmbandoperationen brauchen, kostete der Eintritt 20 Euro, und weil Teile der jungen Generation nicht soviel Taschengeld kriegen, entstand vor der Tür auf dem alten Schlachthofgelände eine lustige Feuertonnenparty. Während drinnen 300 Leute die alten Zeiten abfeierten, bekamen die Gäste vor der Tür (nach Polizeiangaben 60, von denen 71 festgenommen wurden) Theater mit der Ordnungsmacht. Angeblich um zu verhindern, dass das Konzert kostenlos besucht wurde, musste die Polizei Knüppel und Pfefferspray einsetzen und die Punx einkesseln. Ein danebenstehender Getränkestand für StudienanfängerInnen wurde hastig geschlossen und geräumt, andererseits kam es auch zu Solikundgebungen für die Gekesselten, die registriert, durchsucht, fotografiert und mit Platzverweisen weggeschickt wurden.
Die waren dann natürlich nicht weg, sondern es folgte ein lustiges Katz-und-Maus-Spiel quer durch die Innenstadt. Am Marktplatz trafen sich zwischenzeitlich 200 Leute, die sich beim Eintreffen der Polizei (die dabei übrigens einen Crash mit einer Straßenbahn baute; wegen "Gefährdung des Schienenverkehrs" angezeigt wurde aber bloß ein Punk, wegen dem eine Straßenbahn bremsen musste) wieder zerstreuten und noch ziemlich lange laut und lustig waren. Ein besonders beliebtes Spiel hierbei war das Bauzaunlabyrinth, zu dem die zahlreichen Baustellen in der Karlsruher Innenstadt, die gerade komplett umgegraben bzw. untertunnelt wird, jede Menge Spielzeug lieferten. Daneben gab es ein paar kaputte Schaufenster, brennende Mülltonnen und regen Publikumsverkehr in der Gefangenensammelstelle (Gesa), einer mit (hehe) Bauzaunkäfigen ausstaffierten Großgarage auf dem Gelände der Polizeiwache Moltkestraße.
Nun gab es schon mal einen ganzen Schwung Leute mit Innenstadtverboten. (Auch wenn das natürlich komplett illegal ist, waren davon auch KarlsruherInnen betroffen, sogar solche, die in der Verbotszone wohnen!) Sowas muss natürlich kontrolliert werden. Willkürlich wurden also in den folgenden Tagen ständig Leute rausgezogen, zunächst die richtig bunten, danach auch die, die bloß ein bisschen "alternativ" aussahen oder sogar nur entsprechende Aufnäher trugen. Teilweise waren die Cops auch mit Zivikarren unterwegs (besonders beliebt: silberne Kombis). Wer mit Stadtverbot erwischt wurde, war fällig, und wer noch keins hatte, bekam eben eins (mit so juristisch feinsinnigen Begründungen wie "ordnungswidriges Verhalten") und war beim nächsten Mal dran. Auch private Dienste wie z. B. Kaufhaus-Securities reagierten übernervös; die können zwar niemand verhaften, checkten aber jeden Rucksack lieber zweimal.
Ungünstig für die Cops nur, dass nun auf mehreren zentralen Plätzen das große Karlsruher Stadtfest steigen sollte und großflächige Absperrungen der Innenstadt so nicht in Frage kamen. Auf den Festplätzen war meist gar keine Polizei zu sehen, solange die dort feiernden Punkgrüppchen nicht allzu groß wurden. Viele Punx tauchten auch tagsüber ab, blieben in Wohnungen oder fuhren sogar in die Nachbarstädte und sickerten dann im Lauf des Nachmittags wieder in die umstrittene Zone ein. Auch die zahlreichen Parkanlagen wurden eifrig zum Chillen genutzt (sogenannte "Bierupy-Camps"). Gegen Abend täglich wieder das gleiche Spiel, erst sammelten sich die Grüppchen im Schlosspark zu Gruppen, dann strömten alle zum Marktplatz (dem Hauptgelände des Stadtfestes, wo auch die große Bühne stand), bis die Cops auftauchten, und dann verlief sich alles wieder und wurde unübersichtlich, während sich die Gesa füllte.
Am Freitagabend schickten die Cops der Einfachheit halber feiernde Punx aus der Innenstadt nur rüber zum Schlossplatz, wo die aber nicht lange blieben. Letztlich dürften es allein im Umfeld des Marktplatzes an die 300 Punx gewesen sein, die Polizei meldete für diese Nacht "12 Fest- und 65 Gewahrsamnahmen von zumeist dem Punkermilieu zuzurechnenden Personen", 30 davon bei einem Kessel am KIT-Gelände, wo versucht wurde, ein Freiluft-Konzi zu veranstalten; die Festnahmen bezogen sich meist auf Sachbeschädigungen und Beamtenbeleidigungen.
Am Samstag waren tagsüber wieder nur vereinzelte Grüppchen zu sehen, am Abend verlagerte sich dann der Schwerpunkt auf ein Konzert im Rheinhafen, während sich auf dem Marktplatz um 20 Uhr bloß noch gut 50 Leute (diesmal mit eher hohem Oi!-Anteil) trafen. Dieses Treffen war eine Stunde später bereits am Abbröckeln, als plötzlich die letzten 30 TeilnehmerInnen von einem größeren Polizeiaufgebot eingekesselt wurden. Sie standen da ziemlich lange, bis die ganze Prozedur durch war, die mit Stadtverbot wurden mitgenommen. Was die anderen Betroffenen dann noch gemacht haben, war leider nicht herauszubekommen, da die GesprächspartnerInnen der Redaktion trotz körperlicher Anwesenheit nichts mehr davon wussten. Ansonsten ging an diesem Abend in der Innenstadt nicht mehr viel, auch wenn ein paar Kleingruppen lautstark Präsenz zeigten, schließlich regnete es die meiste Zeit, so dass das Indoor-Feiern attraktiver war. Im Laufe des Sonntags verlief sich das Treffen dann vollends.
Die Chaostage 2013 sind auch schon angekündigt, und zwar für Heidelberg. Aber diesmal doch lieber wieder im Sommer, Gerüchten zufolge am ersten Juli-Wochenende.
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Ergänzungen

Platzverweis

Karl nochmal 18.10.2012 - 14:08
Wegen der automatischen Verkleinerung ist der Platzverweis nicht gut lesbar, ich häng Euch hier deshalb die entscheidende Passage nochmal an. Hat übrigens wer ne gute Idee, wer ein Widerspruchsverfahren gegen sowas unterstützen könnte? Platzverweise sind ja bei allen möglichen (auch "politischeren") Großereignissen ein beliebtes Mittel der Polizei, da wäre es schon günstig, solchen Wildwuchs wie den hier gezeigten von Zeit zu Zeit juristisch wieder ein bisschen einzudämmen.

Slime nicht im AKK

Bolle 19.10.2012 - 00:22
...sondern im Substage!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Terrorkrieg gegen Syrien — Pepe le Moco

? — wtf