Widerspruch gegen Mumias Haft abgelehnt

Andrea Tams 05.10.2012 22:25 Themen: Antirassismus Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Wie erst jetzt bekannt wurde, lehnte Richterin Dembe aus Philadelphia bereits am 1. Oktober Mumia Abu-Jamals Widerspruch gegen lebenslange Inhaftierung ab. Er hatte diesen Widerspruch ja bekanntlich selbst ('Per Se') eingereicht, nachdem er von derselben Richterin zuvor ohne seine Kenntnis per Schriftsatz verurteilt worden war (siehe dazu auch  http://freiheit-fuer-mumia.de/#jurbetrugsversuch ).
Die Todesstrafe gegen Mumia war nach 30 Jahren Haft (vorwiegend Isolationshaft im Todestrakt) im Dezember 2011 durch die föderale Gerichtsebene der USA abschließend für ungültig beschieden worden, da es bei seiner Verurteilung 1982 zu anerkannten Rechtsbrüchen gekommen war (  http://freiheit-fuer-mumia.de/pm071211.htm ). Trotz jahrzehnte langer Bemühungen musste die Justiz in Pennsylvania ihren Plan aufgeben, den unliebsamen afroamerikanischen Journalisten ermorden zu lassen.

Was folgte, war die Verlegung in ein mit geringerer Sicherheit eingestuftes Gefängnis sowie ein mehrere Wochen währender Racheakt in Form völlig unbegründeter totaler Isolationshaft (  http://freiheit-fuer-mumia.de/#isohaftaufgehoben ). Dank intensiver Proteste gaben die Behörden ihre Haltung im Februar 2012 auf und gewährten Abu-Jamal nach über 30 Jahren zum ersten Mal Umschluss sowie Kontaktbesuche mit Familienangehörigen und Freund_innen.

Was dabei jedoch längere Zeit für Verwunderung sorgte, war die rechtlich ungeklärte Lage von Mumia Abu-Jamal. Zwar war sein Todesurteil kassiert worden, aber rein juristisch gab es seit dem 7. Dezember 2011 gar keine Grundlage, auf der er weiterhin festgehalten werden konnte. Die Justiz hatte damals sofort deutlich gemacht, dass sie trotz der zahlreich dokumentierten Rechtsbrüche in Abu-Jamals ursprünglichem Verfahren noch der Proteste von Hundertausenden sowie der von Amnesty International oder dem EU Parlament u.a. ein neues Verfahren nicht zulassen möchte.

Im August 2012 folgte dann der nächste Akt in einer schon beinahe unüberschaubaren Kette von Rechtsbrüchen im Dienste der Staatsraison. Die in Philadelphia zuständige Richterin Judith Dembe verurteilte Mumia Abu-Jamal in Abwesenheit und ohne vorherige Kenntnisnahme zu lebenslanger Haft ohne Bewährung. Sie gewährte ihm lediglich eine Widerspruchsfrist von zehn Tagen. Dies allerdings auch, ohne ihn davon in Kenntnis zu setzen. Sehr zu ihrem Ärger durchforstete die "Human Rights Coalition" aus Pennsylvania die aktuellen Gerichtsbeschlüsse und fand die Akte, auf der allerdings nur unter Mumias früheren Name Wesley Cook geführt worden war (nachdem sämtliche Gerichtsakten der letzten Jahrzehnte auch mit dem Namen Mumia Abu-Jamal angelegt worden waren). Mumia wurde rechtzeitig informiert und konnte am letzten Tag der Widerspruchsfrist einen "Per Se" Antrag stellen, in dem er nicht nur gegen eine lebenslange Inhaftierung ohne Bewährung, sondern auch gegen knapp 30 Jahre Isolationshaft im Todestrakt sowie die generelle Praxis der exzessiv angewandten Isolationshaft in den USA protestierte (  http://freiheit-fuer-mumia.de/#jurbetrugsversuch ).

Dass Richterin Dembe nun den Widerspruch gegen ihre eigene Entscheidung ablehnt, ist nicht nur ein Kuriosum der Justiz sondern hat bereits ein spezielles Vorbild in Mumias langem Verfahren. So weigerte sich Prozessrichter Sabo, aus Befangenheit die Berufungsverhandlungen in den 1990iger Jahren abzugeben, nachdem er von einer Gerichtsschreiberin im Verfahren 1982 bereits vor der Beweisanhörung überhört worden war, der Staatsanwaltschaft helfen zu wollen, "den Nxxxxr zu grillen". Nicht überraschend ließ Sabo dann keine neuen Beweise zu, ignorierte die dem Tatvorwurf widersprechende Aussagen einer Tatortzeugin und hielt Abu-Jamals Todesurteil unter den Augen einer entsetzten Weltöffentlichkeit aufrecht. Erst eine höhere juristische Ebene stoppte die Hinrichtung von Mumia, die der damalige Gouverneur und spätere "Heimatschutz" Minister Ridge und Richter Sabo zeitgleich durchziehen wollten, nachdem weltweit Hundertausende gegen diesen Justizmord auf den Straßen protestiert hatten.

Auch Richterin Dembe stufte diese rassistische und voreingenommene Haltung ihres Kollegen seinerzeit als "irrelevant" ein. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass sie nun erneut gegen Mumia vorgeht und dabei genau wie andere vor ihr geltendes Recht bricht. Sie macht damit deutlich, dass sie jedes in ihrer Macht stehende Mittel gegen Abu-Jamal nutzen wird.

Bereits jetzt ist aber auch klar, dass diese Entscheidung nicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit ist, auch wenn die Justiz in Pennsylvania und die Fraternal Order of Police (FOP) das gerne so hätten. In den USA wächst derzeit eine Bewegung gegen die Masseninhaftierung und den Gefängnisindustriellen Komplex, an der kämpfende Gefangene wie Mumia Abu-Jamal einen großen Anteil haben.

Ob die Behörden Mumia letztendlich mit oder ohne neuem Verfahren freilassen müssen, ist dieser Bewegung vermutlich gleichgültig.
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Ergänzungen

Straßenumbennung

Mumia Abu-Jamal Straße in Bobigny 05.10.2012 - 22:39
In Frankreich wird in der kommenden Woche erneut eine Straße nach Mumia Abu-Jamal benannt werden. Sein Sohn Jamal Hart sowie Johanna Fernandez werden am 13. Oktober an der Straßenumbenennung in der Ortschaft Bobigny in der Nähe von Paris teilnehmen.

Seit einigen Jahren hat die Pariser Vorstadt St. Denis bereits eine Rue Mumia Abu-Jamal, was in den USA für beträchtliche Verwunderung gesorgt hat.

Repression und Widerstand in den USA

Nov – Dez Veranstaltungsreihe in Berlin 05.10.2012 - 22:48
Gemeinsame Film- und Veranstaltungsreihe vom Berliner Free Mumia Bündnis und dem Dienstags-Kino in der Lunte zu Repression und Widerstand in den USA:

Themenabende zur Geschichte der People Of Color, speziell der indigene und der afroamerikanische Widerstand; zur Masseninhaftierung und Gefängnisindustrie; zur Todesstrafe; zur politischen Repression und politischen Langzeitgefangenen wie Mumia Abu-Jamal oder Leonard Peltier


- alle Veranstaltungen beginnen jeweils um 20 Uhr und finden im Statteilladen Lunte statt:

Lunte - Weisestr. 53 - 12049 Berlin Neukölln - U8-Boddinstr.

Post an Gefangene

Free Mumia Bündnis 05.10.2012 - 22:54
Wie immer, wenn Behörden Gefangene einschüchtern wollen, ist es wichtig, von außen zu zeigen, dass die Gefangenen Unterstützung haben und die Behörden unter Beobachtung stehen.

Daher schreibt Mumia jetzt:

Mumia Abu-Jamal
#AM 8335
SCI Mahanoy
301 Morea Road
Frackville, PA 17932
USA

Weitere Infos zum Schreiben an Gefangene
 http://www.mumia-hoerbuch.de/text/wie_schreibe_ich_gefangenen.pdf

Redebeitrag von Mumia für Konferenz gegen

Masseninhaftierung 06.10.2012 - 13:21
gehalten per Telefon vor ca. 2000 Teilnehmer_innen am 14. September 2012 in New York City
 http://www.mumia-hoerbuch.de/mumiaselbst.htm#statementsoliconfinement2012