Protestmarsch der Flüchtlinge im Lager Möhlau

Matthias Berg 03.10.2012 13:05 Themen: Antirassismus
29.9.2012: Der Protestmarsch der Flüchtlinge, seit 21 Tagen von Würzburg nach Berlin unterwegs, besuchte das Lager Möhlau

Einen Tag nachdem der Protestmarsch der Flüchtlinge Wittenberg erreichte, wird in der Stadt eine kämpferische Demonstration mit rund 100 Menschen durchgeführt. Stunden später werden einige von ihnen das berüchtigte Flüchtlingslager Mohlau besuchen.

Fotos hier:
 https://picasaweb.google.com/matthiasberg1/ProtestmarschDerFluchtlingeInWittenbergUndLagerMohlau
Auffällig an der Demo ist eine starke Beteiligung von afrikanischen Flüchtlingen aus dem Landkreis. Einige arbeiten gemeinsam mit deutschen Unterstützern in der Flüchtlingsinitiative Möhlau/Wittenberg. Einer ihrer Arbeitsschwerpunkte ist das Lager Möhlau. 40 km von Wittenberg und 5 Kilometer vom nächstgelegenen Dorf entfernt, befindet es sich in einer von Wald umgebenen früheren sowjetischen Militärkaserne.
In diesem Sommer wurden alle Familien sowie Frauen und Kinder von Möhlau in eine etwas besser gelegene Unterkunft nach Vockerode verlegt. Ein Zwischenschritt hin, zur geforderten vollständigen Schließung des Lagers Möhlau und der dezentralen Unterbringung aller Flüchtlinge. Ohne die beharrliche Arbeit der Flüchtlingsinitiative wäre dieser kleine Erfolg nicht möglich gewesen.
 http://refugeeinitiativewittenberg.blogspot.de/

Nach der Demonstration in Wittenberg fahren wir mit Autos ins Möhlauer Lager. Derzeit sollen dort noch rund 300 männliche Flüchtlinge untergebracht sein. Doch kurz nachdem wir das Gelände betreten, kommt uns eine vietnamesische Frau mit ihrem kleinen Sohn entgegen. Beide wurden von den Behörden beim Umzug der Frauen und Kinder nach Vockerode „vergessen“.
Das zentrale Lagergebäude ist ein heruntergekommener, von Kakerlaken befallener, 100 Meter langer Plattenbau. Er ist umgeben von einem weitestgehend verwahrlosten Gelände. Die Telefonzellen sind zerstört, Spielgerüste verrostet, Tischtennisplatten am zerbröseln, der Rasen kaputt, drum herum sprießt das Unkraut.
Während die Lautsprecheranlage in Betrieb genommen wird und Transparente am Gebäude angebracht werden, kommen nach und nach einige Flüchtlinge vor das Gebäude. Es wird lebhaft diskutiert, über die hiesigen menschenverachtenden Lebensbedingungen und die Bedeutung sich zusammenzuschließen, zu kämpfen und sich nicht spalten und vereinzeln zu lassen.
Ich lerne Männer aus Syrien, Burkina Faso und Indien kennen. Die beiden letzteren sind in Möhlau schon seit 15 Jahren untergebracht. Der indische Flüchtling lädt mich in sein Zimmer ein. Den 15 qm großen Raum teilt er sich mit einer zweiten Person. Die Einrichtung, der man deutlich ansieht, dass sie schon viele Jahre alt ist, besteht aus einer Lampe, zwei Betten, einem schmalen Schrank, einem Kühlschrank, zwei Stühlen sowie einem Tisch. Darauf ein Röhren-TV, ein DVD-Player und ein dutzend DVD´s mit indischen Filmen. In dem gegenüberliegenden Schlaf- und Wohnraum dient ein kleiner Regaltisch mit einer winzigen E-Herd-Platte als Gemeinschaftskochstelle. An den nackten Wänden der sehr sauber gehaltenen Zimmer befinden sind keine Bilder, am Boden keine Teppiche. Ich sehe keinen PC und keine Bücher.
Bei unserem Abschied bedanken sich die zurückbleibenden Möhlauer Flüchtlinge für unseren Besuch und unser Engagement. Mindestens zwei der Flüchtlinge aus dem Landkreis werden sich am nächsten Tag dem Fußmarsch nach Berlin anschließen.

Voraussichtlich an diesem Wochenende wird der Protestmarsch Berlin erreichen, wo die Flüchtlinge demonstrieren sowie auf dem Kreuzberger Oranienplatz kampieren wollen.

Weitere Infos zum Flüchtlingsmarsch unter:
 http://www.refugeetentaction.net
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Ergänzungen