Bewegung gegen Masseninhaftierung in den USA

Andrea Tams 21.08.2012 22:38 Themen: Antirassismus Blogwire Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Am 14. September mobilisiert die FREE MUMIA Bewegung der USA gemeinsam mit anderen Gegner_innen der Masseninhaftierung in die New Yorker Riverside Church. Neben der Freilassung von Langzeitgefangenen wie Mumia Abu-Jamal soll es dort um Wege gehen, die Masseninhaftierung in den USA zu beenden (  http://www.freemumia.com/?p=1721 ). Es wird dabei auch um die in Tausenden von Fällen und z.T. über Jahrzehnte angewandte Isolationshaft gehen, die in der US Öffentlichkeit immer stärker in die Kritik gerät.
Seit langem wird gefordert, das berüchtigte Attica Gefängnis endlich zu schließen. In dem Hochsicherheitsgefängnis im Bundesstaat New York kam es am 9. September 1971 zu einem Aufstand von über 1000 Gefangenen, die mit der Geiselnahme einiger Wärter versuchten, die brutalen Haftbedingungen zu lockern. Nach vier Tagen entschied der damalige Gouverneur des Bundesstaates New York eine militärische Niederschlagung des Aufstandes, was 32 Gefangene und 10 Wärter mit ihrem Leben bezahlten. 80 weitere Gefangene wurden schwer verletzt und alle Überlebenden waren in der Folgezeit Folter und schweren Repressalien seitens der Wachmannschaften ausgesetzt.

Attica ist seitdem zum Synonym für ein hartes Durchgreifen des Staates gegen jegliche Form von Widerstand seitens der Gefangenen geworden. Die seit einigen Jahren bewusst gewaltfrei geführten Hungerstreiks und massiven Arbeitsverweigerungen in us-amerikanischen Gefängnisfabriken sind eine direkte Folge der Erfahrungen aus Attica. Ein entscheidender Auslöser für den Aufstand 1971 war auch die Ermordung des inhaftierten Black Panther Aktivisten George Jackson, der nur wenige Tage zuvor im kalifornischen St. Quentin Gefängnis von Beamten ermordet worden war. Es dauerte fast 30 Jahre, bis den Angehörigen der Verstorbenen und den Verletzten aus Attica eine finanzielle Entschädigung zugesprochen wurde. Der Staat New York erklärte sich zur Zahlung von acht Millionen Dollar bereit.

Es mag für Beobachter_innen aus Europa merkwürdig klingen, die Auseinandersetzung mit dem strafenden Staat ausgerechnet an dieser Stelle zu suchen – schließlich gab und gibt es regelmäßig ermordete Bürger_innen und Bürger, z.B. seit Jahresbeginn im Durchschnitt alle 40 Stunden durch Polizeigewalt (  http://mxgm.org/report-on-the-extrajudicial-killings-of-110-black-people/ ). Dennoch steht der Aufstand von Attica für den Beginn des Widerstands der US Bevölkerung gegen die Masseninhaftierung, der aktuell knapp 2,5 Millionen Menschen (¼ aller Gefangenen weltweit) unterworfen sind. Die moderne Sklaverei kann überwunden werden und die Freilassung der Langzeitgefangenen in den USA ist überfällig.

Mumia Abu-Jamal, selbst seit 1981 als politischer Gefangener in Haft, veröffentlichte vor wenigen Tagen mithilfe von Prison Radio einen Aufruf über den Gefängnisaufstand von Attica 1971 und die Notwendigkeit, eine Bewegung gegen die Masseninhaftierung und Gefängnisindustrie in den USA aufzubauen (  http://soundcloud.com/mumia-abu-jamal/mumia-psa-for-sept14-2 ).
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Ergänzungen

Info VA über Gefängnisindustrie in Berlin

Free Mumia Bündnis 21.08.2012 - 22:49

Sa. 08.09. 2012, Berlin, „NewYork“ - Film und Infoveranstaltung vom FREE MUMIA Bündnis auf dem Soli-Tattoo-Circus (D.I.Y. Festival vom 7.- 9. September)

17.00 der Film "Justice In Trial" (USA 2010, OmU) über Mumia Abu-Jamal, politische Repression und die Todesstrafe in den USA im Kinoraum

18.00 Vortrag: Gefängnisindustrie - moderne Sklaverei als sog. 'Sozialmodell' im Neoliberalismus

Seit Mitte der 1970iger sind Public Private Partnerships im Strafvollzug der USA zu beobachten. Aus anfänglich verschiedenen kleinen Unternehmen ist eine der größten Binnenwirtschafts-Industrien der USA entstanden, die inzwischen auch in Europa Nachahmung erfährt. Gleichzeitig explodieren förmlich die Inhaftierungsraten in den USA - 1/4 aller weltweit Inhaftierten sitzt dort ein und leistet zum großen Teil Zwangsarbeit - die überwiegende Mehrheit von ihnen People Of Color. Parallel zum Aufbau der Gefängnisindustrie wurde die wenigen rudimentären Sozialstaatsleistungen komplett abgebaut. Lobbyisten nehmen in den USA und zusehends auch in der EU massiven Einfluss auf die Strafgesetzgebung - Konzernmedien schüren Rache- und Strafdiskurse.

In einem ca. 1 stündigen Vortrag gibt das Berliner Free Mumia Bündnis einen Überblick über Entstehung und aktuelle Dimension der Gefängnisindustrie und schaut auch auf aktuelle Entwicklungen in diesem Land. Anschließend gibt es Raum und Zeit für Fragen und Diskussion.

im "Vortragsraum" in der New York Etage ( 1. Stock)
im NewYork - Bethanien-Südflügel - Mariannenplatz 2 - 10999 Berlin
U1/8- Kottbusser Tor oder U1-Görlitzer Park


weitere Infos zum Soli-Tattoo-Circus
 http://freiheit-fuer-mumia.de/termine/image/tattoocircusflyerfront.jpg

"Jailhouse Lawyers" erscheint auf deutsch

Knäste zu Baulücken! 21.08.2012 - 23:04

Im Oktober bringt der UNRAST Verlag die deutsche Übersetzung von "Jailhouse Lawyers" raus, in dem der inhaftierte Autor Mumia Abu-Jamal den selbstorganisierten, juristischen Widerstand zehntausender Gefangener in den USA beschreibt.

PoC ist Selbstbezeichnung von Weißen

Black Power 22.08.2012 - 10:36
Einfach mal eben so schleicht sich hier der Rassismus über die "Farbigen" ein. Weiße sind rosa bei Geburt, rot im Nacken, wenn sie zu lange in der Sonne bleiben und versuchen die Büffelweiden mit Monokulturen zu vergewaltigen, grün, wenn sie zu viel Schnaps gesoffen haben und gelb, wenn ihre Leber rebelliert. Bis sie dann endlich grau im Sarg liegen. Und ihr habt die Frechheit Schwarze und Rote Farbig zu nennen?
Und dann auch noch die Rasseideologie vom All-American-Race Rassisten Obama vertreten: Neben Asiaten, Schwarzen und Weißen, tauchen hier plötzlich die Hispanics auf, Indianer gibt's nicht mehr. PoC? Hä? Spanier sind Europäer.

People Of Color u.a. in US Knästen

Andrea Tams 22.08.2012 - 23:05

Der Begriff "Rasse" ist ein in den USA generell benutztes soziales Konstrukt, dass keinerlei biologische Grundlage hat. Nur wenigen Beteiligten ist dabei klar, dass er sehr problematisch ist. In der deutschen Sprache bevorzugen viele, von "verschiedenen Bevölkerungsgruppen" zu sprechen.

In den Knästen der USA sieht die Aufteilung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen grob in etwa so aus:

40% Afro-Amerikaner_innen (ca. 13% an der Gesamtbevölkerung)
34% Caucasian europäisch weißen Ursprungs (ca. 80% an der Gesamtbevölkerung)
16% Latin@s*
5% Native Americans (unter 1% an der Gesamtbevölkerung)
Rest: Gefangene mit Herkunft aus dem pazifischen oder asiatischen Raum


* Latinas, Latinos: dieser Begriff bezeichnet in den USA alle, deren Herkunft südlich der texanischen Grenze liegt - die "Hautfarbe" ist dabei nicht entscheidend. In Europa wird sinngemäß entsprechend der Begriff "Migrant_innen" verwandt. Die Definition ist eigentlich per se ausgrenzend, weil sie eine Sonderbezeichnung für Menschen aus meist armen Ländern darstellt. Sie wird von der damit bezeichneten Bevölkerungsgruppe jedoch selbst verwandt.

Zu dem Begriff "Hispanics", der hier oben in einer Ergänzung auftauchte, lässt sich sagen, dass das eine völlig andere Kategorie ist, die vor allem auf Selbstangaben bei den alle paar Jahren stattfindenen Volkszählungen basiert. >Seine Verwendung in den USA ist eine andere als bei den oberen Begriffen.

Zum Begriff "People Of Color" gibt es mehrere Jahrzehnte an Diskussionen. Im wesentlichen ist es ein selbstgewählter Begriff gegenwärtiger anti-rassistischer Bewegungen in den USA. Hier eine Erläuterung von Angela Davis auf einer Veranstaltung im Sommer 2010 in Berlin:
 https://www.youtube.com/watch?v=OxWYVMit3Cc

Interview mit Ex-Gefangenen aus USA in der FR

Internetfund 24.08.2012 - 14:57

23. August 2012
Todesstrafe "Die Schreie bekomme ich nie aus dem Kopf"
 http://www.fr-online.de/panorama/todesstrafe--die-schreie-bekomme-ich-nie-aus-dem-kopf-,1472782,16936576.html

Das ist am 22.08. auch in der Berliner Zeitung abgedruckt gewesen.