CriticalWhiteness und das NoBorderCamp

einige No Border Aktivist*innen 12.08.2012 11:05 Themen: Antirassismus Biopolitik Globalisierung Soziale Kämpfe Weltweit
Nach dem clash auf dem No-Border-Camp in Köln befindet sich die Linke hierzulande in einer entscheidenden Debatte um die Konzepte "Critical Whiteness" und "Definitionsmacht". Endlich! Da jedoch die bisherigen Darstellungen der Ereignisse auf dem Camp und auch die inhaltliche Debatte (s. bspw. jungle world vom 2.8 und 9.8.) uns bis jetzt als sehr einseitig erscheinen, wollen wir hier einen kritischen Beitrag zu dieser Auseinandersetzung leisten. Unser Ziel ist es die notwendige Diskussion über Machtstrukturen in einer mehrheitlich /weißen/ Bewegung aufrecht zu erhalten und kämpferisch zu führen. Weil wir Rassismus nur gemeinsam bekämpfen können, wenn /weiße/ Aktivist*innen bereit sind ihre eigene Position im Kontext von Rassismus kritisch zu reflektieren.
 http://de.wikipedia.org/wiki/Critical_whiteness
 http://de.wikipedia.org/wiki/Person_of_color
+++ Nach dem No Border Camp Köln 2012 +++
Kritik an anti-emanzipatorischen Debatten um Critical Whiteness und Definitionsmacht


Wie einige von euch wahrscheinlich bereits gehört haben, kam es auf dem diesjährigen No Border Camp in Köln zu weitreichenden Konflikten unter den Teilnehmenden. Die Auseinandersetzung hat zum Teil eine Vorgeschichte im Vorbereitungsprozess, wo radikale Kritik an /weißer/(1) Dominanz in den internen Strukturen bereits circa sechs Wochen vor dem Camp verstärkt geäußert wurde. Schon zu diesem Zeitpunkt stieß die Kritik auf Widerstand. Einige mehrheitlich /weiße/ Gruppen und Einzelpersonen kündigten ihr Fernbleiben vom Camp an bzw. traten von Aufgaben zurück, um gegen Form und Inhalte der Kritik zu protestieren. Außerdem wurde ein Veto gegen einen Text eingelegt, den die für das Camp-Programm verantwortliche Choreo-AG an die Anbieter*innen von Workshops auf dem Camp verschickte. Der Text machte die interne Auseinandersetzung mit den Widersprüchen, Schwierigkeiten und Möglichkeiten eines Engagements von /Weißen/ gegen Rassismus transparent und rief dazu auf, ihre eigene gesellschaftliche Positioniertheit beim Sprechen über Rassismus zu reflektieren. Nach dem Veto wurde der Text nicht weiter verschickt.

Auf dem Camp eskalierte der Konflikt. Als beim Auftaktplenum zum Critical Whiteness Workshop-Tag am Montag eine radikale Gesamtkritik der Zustände auf dem Camp (u.a. an /weißen/ Dominanzstrukturen) geäußert wurde, kam es zu aggressiven Zwischenrufen und Störversuchen seitens einer /weißen/ Aktivist*in. Die Stimmung auf dem Camp haben besonders wir nicht-/weißen/ Mit-Autor*innen ab diesem Zeitpunkt als gereizt und angespannt erlebt.

Unabhängig von den genannten Spannungen kam es im weiteren Verlauf des Camps zu mehreren rassistischen Grenzüberschreitungen. Einige der Vorfälle ereigneten sich innerhalb eines Workshops zum Thema „Widerstand gegen sexistische und rassistische Diskriminierung“, der von der migrantischen Frauen-Organisation Agisra angeboten wurde, und bei dem mehrheitlich /weiße/ Aktivist*innen anwesend waren. Anstatt den Workshop wie geplant am Donnerstag in der gleichen Weise noch einmal anzubieten und somit in Kauf zu nehmen, dass sich die geschehene rassistische und heterosexistische Gewalt wiederholt, machten die Betroffenen (2) und ihre Unterstützer*innen in Absprache mit der Choreo-AG und Agisra anstelle des Workshops ein Angebot für eine kollektive Aufarbeitung der auf dem Camp geschehenen rassistischen Gewalt. In zwei Statements äußerten sie sich zu den Vorfällen aus dem ersten Workshop. Dabei betonten sie, dass es nicht darum geht, die Verantwortung auf Agisra zu verschieben. Stattdessen richteten sie ihre Kritik gegen die /weißen/ Dominanzstrukturen auf dem Camp, die es erst möglich machten, dass sich /Weiße/ rassistisch äußern konnten, ohne dass dies Folgen für sie hatte und dass die offen geäußerte Kritik der Betroffenen daran im Workshop vollständig ignoriert werden konnte. Daraufhin schlugen die Betroffenen eine gemeinsame Diskussion darüber vor, was das gesamte Camp dafür tun könne, damit sich rassistische Gewalt nicht in der gleichen Weise wiederholt. Noch bevor die Diskussion begann, kam es zwischen einer der Betroffenen und einer Vertreter*in von Agisra zu einem Konflikt, mit dem jedoch in einer extra eingelegten Pause gemeinsam ein konstruktiver Umgang gefunden werden konnte. Obwohl die Betroffenen, die Unterstützer*innen und die Vertreter*in von Agisra durchaus in der Lage waren, den Konflikt untereinander auszutragen, kam es bereits in der Pause unter den Wartenden zu einer Stimmungsmache gegen die Betroffenen und ihre Unterstützer*innen. Während der Pause stießen viele neue Interessierte dazu. Die neue Zusammensetzung des Plenums war geprägt von einer deutlich anderen, aggressiveren Stimmung. Auch nach dieser Pause konnte die Diskussion nicht aufgenommen werden, da sich das Plenum nicht darauf einigen konnte, den Gesprächsrahmen zu akzeptieren, den die Betroffenen sich für die von ihnen angebotene Diskussion wünschten. So wurde der vorgeschlagene Austausch um gemeinsame Strategien gegen rassistische Gewalt und /weiße/ Dominanz auf dem Camp durch eine aggressiv geführte Debatte verunmöglicht, die sich um das Stopp-Zeichen drehte (ein Handzeichen, auf das sich der Vorbereitungskreis geeinigt hatte und das Betroffenen erlaubt bei rassistischer oder sexistischer Grenzverletzung den diskriminierenden Redebeitrag abzubrechen:  http://noborder.antira.info/stop-zeichen/). Den Teilnehmenden des Camps gelang es weder im Rahmen des Diskussionsangebots der Betroffenen noch danach, einen kollektiven, verantwortlichen und parteilichen (3) Umgang mit den Vorfällen rassistischer Gewalt auf dem Camp zu finden.
Im Rahmen der (verhinderten) Diskussion kam es am Donnerstag zu einer weiteren rassistischen Grenzverletzung. Nachdem die hiervon betroffene Person am Freitag das Camp verließ, folgten mehrere strukturtragende Gruppen (das Infozelt, die Awareness-Gruppe, Teile der Pressegruppe, Teile der Translation-AG sowie zeitweise die Küche) dem Streikaufruf aus dem öffentlichen Statement der betroffenen Person. Soweit der kurze Abriss der Ereignisse auf dem Camp aus unserer Sicht.

Ausgehend von den Ereignissen auf dem Camp greift nun eine Debatte in der Linken um sich, in der es vor allem darum geht, welches das „richtige“ Verständnis von Critical Whiteness und Definitionsmacht sei. Ein weiterer zentraler Aufhänger in der Debatte ist die Frage, in welcher Form Betroffene Kritik an rassistischen Strukturen und rassistischem Verhalten äußern sollten und dürften. Was hier umkämpft wird, ist nicht weniger als die Deutungshoheit über emanzipatorische Konzepte und Praxen wie Critical Whiteness und Definitionsmacht.

Einen kritischen Beitrag zur aktuellen Debatte halten wir für politisch notwendig. Wir hoffen, dass sie sich auf Fragen umlenken lässt, die sich für uns aus der Kritik an /weißen/ Dominanzstrukturen innerhalb der Bewegung ergeben. Eine kollektive inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Kritik hat bis jetzt nicht stattgefunden. Die radikale Kritik an /weißer/ Dominanz innerhalb der antirassistischen/rassismuskritischen Szene bietet eine Chance zur Veränderung, die eine linke Bewegung nicht verpassen darf. In der Versteifung der Debatte auf die oben genannten Fragen, sehen wir jedoch eine (bewusste oder unbewusste) Abwehr und den Boykott dieser notwendigen Auseinandersetzung. Eine radikale Kritik an /weißer/ Dominanz und unzureichend reflektierten Privilegien mag dem „anti-rassistischen“ Selbstverständnis von /weißen/ Aktivist*innen zuwiderlaufen und Unsicherheiten auslösen. Diese Unsicherheiten sollten selbstverständlich ernst genommen werden und auch artikulierbar sein. Sie stellen einen wichtigen und positiven Ansatzpunkt für Prozesse der Reflexion und des Ver-Lernens /weißer/ Dominanz dar. Es bedarf hierfür spezifischer Räume und der Einsicht, dass diese Unsicherheiten nicht in jeder Situation und gegenüber jeder Person artikulierbar sind. Sie können auch Ausdruck einer Fokusverschiebung weg von den Interessen der Betroffenen zu einer neuen /weißen/ Selbstzentrierung sein.

Die Reaktionen auf die Kritik an rassistischen Strukturen und rassistischem Verhalten, zu denen es im Zuge der Vorbereitung, auf dem Camp selbst und in den anschließenden Debatten kam, sind durch eine solche /weiße/ Verunsichertheit jedenfalls in keinster Weise gerechtfertigt. Wir halten die aktuellen Diskussionen in zentralen Aspekten für hochgradig problematisch: so wurden in der Debatte vorschnell alleinige Verantwortliche ausgemacht (Zitat: „eine gewisse Berliner Gruppe“). Die Verantwortung für das Scheitern des Camps wird auf Betroffene von Rassismus verschoben, die Kritik geäußert haben. Außerdem kommt es in der Auseinandersetzung durchweg zur Skandalisierung und Dramatisierung der Kritik an /weißer/ Dominanz. So wurde beispielsweise von vermeintlichen „Redeverboten“ oder „anti-weißem Rassismus“ gesprochen. Dies verunmöglicht eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Kritik. Darüber hinaus sind die bisherigen Darstellungen der Konflikte von Auslassungen durchzogen, die es einfach machen, den Kern der Kritik an /weißen/ Dominanzstrukturen nicht ernstzunehmen. Im kürzlich erschienenen Artikel über das Camp in der Jungle World (4) beispielsweise finden die rassistischen Grenzüberschreitungen, zu denen es dort kam, nicht einmal Erwähnung. Solche Auslassungen haben zu einer sehr einseitigen Darstellung der Auseinandersetzungen nach Außen geführt. Dies verhindert eine rassismuskritische Reflexion der Ereignisse, eine notwendige szeneinterne (Selbst-)Kritik und damit auch ein Aufbrechen rassistischer Strukturen innerhalb dieser Szenen.

In diesem Sinne verstehen wir diese Erklärung vor allem als Aufruf an die /weißen/ Aktivist*innen in der antirassistischen/rassismuskritischen Bewegung, die inhaltliche Auseinandersetzung mit Critical Whiteness und der Kritik an /weißer/ Dominanz zu suchen. Zu einigen aus unserer Sicht problematischen Punkten wollen wir im Folgenden Stellung nehmen.



+++ Eine Frage der Solidarität +++

Überlegungen zu Critical Whiteness und /weißer/ Dominanz in der antirassistischen/ rassismuskritischen Szene hat es von Anfang an in der Vorbereitung des Camps gegeben. Dass es wichtig sei, darüber nachzudenken, war zwar erklärter Konsens der Vorbereitung, eine gemeinsame inhaltliche Beschäftigung blieb jedoch weitestgehend aus. Das Thema wurde in eine Arbeitsgruppe ausgelagert, deren Diskussionspunkte mehrmals von einem Treffen auf das nächste vertagt wurden. Die geäußerte Offenheit für das Thema Critical Whiteness ließ keine Konsequenzen erkennen. Dies führte beispielsweise dazu, dass es auf dem Camp keine Awareness- und Support-Struktur gab, bei der Betroffene von Rassismus Unterstützung bei Nicht-/weißen/ Unterstützer*innen suchen konnten. Auch für Übersetzungsarbeit wurden während der Vorbereitung viel zu geringe Kapazitäten eingeplant, weshalb Inhalte der Website und Mobi-Material nicht oder erst sehr spät in verschiedenen Sprachen verfügbar waren. Außerdem gab es annähernd keine Unterstützung bei der Beantragung von Schengen-Visa für Aktivist*innen, die von außerhalb der EU anreisen wollten. An diesen strukturellen Mängeln (Unterstützungsarbeit, Sprache, Visafragen) wird deutlich, dass eine /weiße/, deutschsprachige und aufenthaltsgesicherte Perspektive im Vorbereitungsprozess dominant war.

Als dann circa sechs Wochen vor dem Camp Kritik an unzureichend reflektierten /weißen/ Privilegien und /weißer/ Solidarität (5) im Vorbereitungskreis auf eine Weise geäußert wurde, die es nicht mehr so einfach machte, weiterzumachen wie bisher, setzte unmittelbar Abwehr gegen die Kritik ein. Diese richtete sich hauptsächlich gegen die Form, in der die Kritik vorgebracht worden war („zu aggressiv“, „zu persönlich“, „zu unsolidarisch“), weitestgehend ohne auf den Inhalt Bezug zu nehmen und daraus Konsequenzen für das Camp zu ziehen.

Die Abwehr der Kritik an /weißer/ Solidarität und Dominanz durch den Verweis, dass diese auf eine scheinbar zu unfreundliche und unsolidarische Art und Weise vorgebracht wurde, ist ein sich fortsetzendes Argumentationsmuster. Es wurde z.B. ausführlich debattiert, ob die Menschen, die vor ein mehrheitlich /weißes/ Großplenum getreten sind und Kritik formuliert haben, dies nicht freundlich genug getan hätten. Ob ihre Körperhaltung (verschränkte Arme), ihr Tonfall beim Sprechen und ihr Auftreten als Gruppe nicht zu aggressiv gewesen seien. Unerwähnt blieb bisher stets, dass es sowohl auf dem angesprochenen Plenum als auch darüber hinaus zu aus unserer Sicht extrem unsolidarischen Reaktionen durch /weiße/, in der Szene z.T. sehr etablierte Personen gekommen ist. So versuchten Einzelne durch Zwischenrufe und Störungen auf Plena die Kritik an /weißen/ Dominanzstrukturen zu unterbrechen und das Plenum am Zuhören zu hindern. Die öffentliche Thematisierung von rassistischen Grenzverletzungen und /weißer/ Dominanz auf dem Camp durch Betroffene von Rassismus wurde als „Kinderei“ und „Nabelschau“ zurückgewiesen und lächerlich gemacht.

Während es in der aktuellen Debatte kaum Solidarisierung mit denjenigen gegeben hat, die Kritik an den strukturellen rassistischen Verhältnissen innerhalb der Bewegung äußern, gibt es die starke Tendenz sich mit den Kritisierten zu solidarisieren und Empathie für deren Unwohlsein aufzubringen. Indem von einer Atmosphäre der Angst, der Verunsicherung oder der Einschüchterung die Rede ist, wird Kritik an /weißer/ Dominanz einseitig dramatisiert und skandalisiert. Was eine solche Argumentation übersieht, ist, dass die gemeinsamen Räume auch vor der scheinbar unsolidarischen Kritik nicht frei von Gewalt und Aggression waren, und dass sich darin nicht alle in der gleichen Weise angstfrei aufhalten konnten. Für ebenso problematisch halten wir die wiederholt geäußerte Forderung nach einer Gesprächsatmosphäre, in der /Weiße/ sich angst- und unterbrechungsfrei äußern können sollen, auch wenn sie dabei „Fehler machen“ und Rassismen reproduzieren. Die Kritik an /weißer Solidarität/ wird hier mit /weißer Solidarität/ gekontert. Wir nicht-/weißen/ Mit-Autor*innen dieser Erklärung möchten stattdessen für einen Umgang miteinander plädieren, der strukturelle Privilegiertheit bzw. Marginalisierung mitdenkt. Das Stopp-Zeichen und die Forderung an /Weiße/, erstmal zuzuhören, stellen Versuche dar, gesellschaftlich marginalisierten Perspektiven eine Gültigkeit zuzusprechen, die ihnen in der gesellschaftlichen Normalität ständig aberkannt wird. Es gehört für /Weiße/ zum Prozess der Auseinandersetzung mit den eigenen Rassismen das Hören, Anerkennen und Ernstnehmen marginalisierter Perspektiven zu erlernen. /Weiße/ sind, wenn sie Veränderung wirklich zulassen wollen, darauf angewiesen, die Perspektiven von Betroffenen von Rassismus zu respektieren.

Wie wir als Betroffene von Rassismus Kritik äußern und Kämpfe führen, ist allein unsere Entscheidung. Es braucht dazu keine Erlaubnis von /Weißen/.



+++ Critical Whiteness: Kampf um das „richtige“ Verständnis +++

Bereits während der Vorbereitung des Camps hat eine Tendenz eingesetzt, unterschiedliche Positionen und Kämpfe von Geflüchteten/Refugees/People of Color (PoC)/Roma/Migrant*innen/... gegeneinander auszuspielen. Ein Beispiel: den Protesten der hungerstreikenden Geflüchteten in Würzburg wurde von Seiten der Campvorbereitung relativ wenig Beachtung zuteil, was einigen Personen aus der Vorbereitung zurecht negativ aufgefallen ist. Anstatt die Verantwortung dafür beim gesamten Vorbereitungskreis zu suchen, wurden die intensivierten Debatten um Critical Whiteness als Grund für die mangelnde Solidarität mit den Hungerstreikenden ausgemacht. Wir halten es für eine gefährliche Verschiebung und Spaltung, zu argumentieren, dass die /weißen/ Aktivist*innen von der Unterstützung der Hungerstreikenden abgehalten worden seien, weil sie zum Nachdenken über ihr /Weiß/sein aufgefordert worden sind – zumal es auch vor den zunehmenden Debatten um /Weiß/sein keine größere Solidarisierung mit diesen Kämpfen gegeben hatte. Wenn ein mehrheitlich /weißer/ Vorbereitungskreis davon überfordert ist, dass Rassismus auf vielen verschiedenen Ebenen angegriffen werden muss, dürfen dafür nicht die Betroffenen von Rassismus, die unterschiedliche Forderungen und Kritik anbringen, verantwortlich gemacht werden. Es steht nicht im Widerspruch, als /weiße/ Aktivist*in die eigenen Rassismen und Privilegien kritisch zu reflektieren und gleichzeitig als Verbündete*r mit den Kämpfen gegen Lager, Residenzpflicht und Abschiebungen aktiv zu sein. Vielmehr sollten sich beide Ebenen gegenseitig bedingen.

Ein weiteres Argumentationsmuster bestand darin, die unterschiedlichen Positionen von Geflüchteten/Refugees/PoC/Roma/Migrant*innen/... gegeneinander abzuwägen. Es wurde behauptet, die Menschen, die /weiße/ Dominanz im Vorbereitungskreis kritisiert haben, hätten ein „falsches Verständnis“ von Critical Whiteness. Wir nicht-/weißen/ Mit-autor*innen dieses Textes wollen an dieser Stelle deutlich machen, dass Betroffene von Rassismus natürlich verschiedenste Positionen zu Critical Whiteness vertreten, die von unterschiedlichen Auslegungen bis hin zur Ablehnung des Konzepts reichen. Dass jedoch /weiße/ Aktivist*innen sich anmaßen, zu entscheiden welche Geflüchteten/Refugees/PoC/Roma/Migrant*innen/... das „richtige“ und welche ein „falsches“ Verständnis von Critical Whiteness haben, finden wir hochgradig problematisch. Critical Whiteness und Definitionsmacht sind Konzepte, die aus emanzipatorischen antirassistischen bzw. antisexistischen Kämpfen stammen. Ihre Bestimmung und die daraus hervorgehenden Praxen sind von den jeweiligen Kontexten und Akteur*innen abhängig. Sie sind so lebendig wie die Kämpfe, in denen sie entwickelt werden. Dies gilt es anzuerkennen. Genau so gilt es anzuerkennen, dass sich daraus unterschiedliche Forderungen an /weiße/ Aktivist*innen ergeben können. Den einen „PoC-Standpunkt“, an dem sich alle /weißen/ Aktivist*innen ab jetzt und für immer orientieren könnten, gibt es nicht.

Daher wenden wir uns auch gegen eine Relativierung der Kritik mit dem Argument, dass mensch sich in der Vergangenheit schon mit Critical Whiteness auseinandergesetzt habe und in der jahrelangen Zusammenarbeit mit Selbstorganisationen von Geflüchteten gemeinsame Strategien entwickelt habe. Wir sind der Meinung, es sollte den Betroffenen von Rassismus überlassen sein, darüber zu urteilen, ob eine bestimmte Art des antirassistischen/rassismuskritischen Aktivismus und der Zusammenarbeit für sie funktioniert oder ob sie den Status quo für kritikwürdig halten. Die gelungene Zusammenarbeit mit bestimmten Betroffenen von Rassismus sollte nicht dazu benutzt werden, die Kritik anderer von Rassismus Betroffener zu delegitimieren.

Weiterhin ist uns aufgefallen, dass es im Rahmen der aktuellen Debatten zu einer problematischen Verwendung der Selbstbezeichnung „Person of Color“ (PoC) kommt. Bei dem Ausdruck „PoC“ handelt es sich um eine emanzipatorische Selbstbezeichnung von Betroffenen von Rassismus, die aus dem US-amerikanischen Kontext stammt, mittlerweile jedoch auch im deutschen Kontext verbreitet ist. Problematisch an der aktuellen Verwendung ist erstens, dass „PoC“ dort häufig als Fremdzuschreibung für Menschen verwendet wird, die als nicht-/weiß/ gelesen werden. „PoC“ wird hier zum Zweck einer „rassifizierenden“ Zuschreibung gebraucht.

In seiner eigentlichen emanzipatorischen Bedeutung wird „PoC“ ausschließlich als Selbstbezeichnung verwendet und bezeichnet eine gesellschaftliche und politische Positionierung von Betroffenen von Rassismus. Da Betroffene von Rassismus unterschiedliche Selbst-bezeichnungen verwenden, benutzen wir in diesem Text die Schreibweise „Geflüchtete/Refugees/ PoC/Roma/Migrant*innen/...“.

Wie „/weiß/“ ist der Ausdruck „PoC“ explizit nicht biologistisch zu verstehen. Keinesfalls bezeichnet er eine sogenannte „Hautfarbe“. Das Konzept geht stattdessen davon aus, dass race gesellschaftlich konstruiert ist und dass Menschen, die Rassismus erfahren, auf vielfache Weise gesellschaftlich markiert und „rassifiziert“ werden, z.B. indem manche Vor- und Nachnamen oder eine bestimmte Weise der Aussprache als nicht-/weiß/ wahrgenommen werden. Dass Personen entlang physischer Merkmale als nicht-/weiß/ gelesen werden, ist also nur ein Teil der weitreichenden rassistischen Markierungspraxen, in deren Zusammenhang Menschen rassistische Diskriminierung erfahren. Die Tatsache, dass es nicht unbedingt auf den ersten (rassistischen) Blick ersichtlich ist, ob eine Person in einem bestimmten Kontext rassistische Diskriminierung erfährt, hat offensichtlich Verwirrung gestiftet. So kam es in den Debatten nach dem Camp zu so kruden Begriffs-Konstruktionen wie „weiße (PoC-)AktivistInnen“ (siehe: Gesamtauswertung von No Lager Bremen), um /weiß/ positionierte Aktivist*innen zu bezeichnen, die die Kritik an /weißer/ Dominanz auf dem Camp mittrugen. Auch in dem Eingangs erwähnten Artikel in der Jungle World wird eine vermeintlich unliebsame politische Fraktion auf dem Camp als „die PoC“ fremdbezeichnet und pauschalisiert. Solche Ent-Eignungen einer emanzipatorischen Selbstbezeichnung halten wir für politisch absolut unzulässig.



+++ Sündenbock für ein gescheitertes Camp: „eine gewisse Gruppe aus Berlin“ +++
Eine weitere Vereinfachung, die dazu beiträgt, die Kritik an /weißer/ Dominanz im Camp nicht ernst nehmen zu müssen, ist die verallgemeinernde Zuordnung jeglicher Kritik zu der Gruppe reclaim society (rs!) aus Berlin. Wo Personen auf dem Camp Kritik geäußert haben, die nicht zur Gruppe gehören, ist dann von einem „Umfeld“ der Gruppe die Rede, das fix herbeikonstruiert wird. Zwei Betroffene von rassistischen Grenzverletzungen auf dem Camp haben sich in einem öffentlichen Statement explizit zu dieser argumentativen Strategie geäußert und eingefordert, dass ihre Kritik als eigenständig ernstzunehmen sei Da nach den rassistischen Vorfällen auf dem Camp in der Awareness-Gruppe keine nicht-/weiße/ Person für Unterstützungsarbeit ansprechbar war, hatten Einzelpersonen von rs! diese Rolle übernommen. Ein aus unserer Sicht politisch sinnvoller Umgang mit der Situation hätte darin bestanden, das Fehlen von Support-Strukturen, auf das die Betroffenen aufmerksam gemacht haben, als ein Problem ernstzunehmen, für das kollektiv Verantwortung übernommen werden muss. Es wäre Aufgabe der Campvorbereitung und aller Teilnehmenden des Camps gewesen, einen Rahmen zu schaffen, in dem Kritik gehört wird und der Menschen die Sicherheit bietet, sich gegen Grenzüberschreitungen zu wehren. Anstatt sich mit der improvisierten Awareness-Struktur zu solidarisieren, die sich entgegen vehementem Widerstand für Belange der Betroffenen eingesetzt hat, wurde im Anschluss an das Camp eine einseitige Kritik am scheinbar unsensiblen Umgang mit einer Gewalt ausübenden Person in den Vordergrund gerückt. Eine Gruppe und ihr angebliches „Umfeld“ werden zum Sündenbock für die Versäumnisse der Campvor-bereitung gemacht. Definitionsmacht, Stopp-Zeichen, Critical Whiteness wurden von der Campmehrheit nicht als emanzipatorische Instrumente der Selbstermächtigung von Marginalisierten verstanden, sondern teilweise aktiv sabotiert. Das ist kein rassismuskritisches Camp. Das ist backlash.

Am letzten Camptag wurde ein weiteres Statement veröffentlicht, in dem einige Aktivist*innen unter der Selbstbezeichnung Refugees and Immigrants, ihre Enttäuschung über das Camp zum Ausdruck brachten. Sie kritisierten ihre Isolation auf dem Camp und dass die Kämpfe und Anliegen von Aktivist*innen aus den Lagern in den Hintergrund gerückt waren. Aus der Perspektive der /weißen/ Mit-Autor*innen dieses Texts gesprochen, erkennen wir dieses drastische Defizit des Camps und die Kritik der Refugees and Immigrants an und stellen selbstkritisch fest, dass auch wir nicht viel dazu beigetragen haben, um den Kämpfen der Menschen aus Lagern auf dem Camp mehr Aufmerksamkeit zu Teil werden zu lassen. Wir sind der Ansicht, dass eine Aufarbeitung dieser Mißstände auf dem Camp einer expliziten selbstkritischen Reflexion /weißer/ Aktivist*innen bedarf. Und zwar dahingehend, welche Rederäume sie aktiv durch /weiße/ Solidarität blockiert haben, indem sie lediglich Aufmerksamkeit für /weiße/ Unsicherheiten und Befindlichkeiten hatten und dadurch die Belange von Betroffenen von Rassismus ignoriert haben. Die Verschiebung der Verantwortung auf eine einzelne Gruppe, die auf dem Camp das Thema Critical Whiteness gegen /weißen/ Widerstand vehement vorbracht hat, halten wir auch hier für problematisch. Dass die Belange von Betroffenen von Rassismus auf dem Camp miteinander konkurrieren mussten, verdeutlicht einmal mehr, auf wievielen verschiedenen Ebenen Kämpfe gegen Rassismus geführt werden müssen und wie überfordert die /weiße/ Mehrheit der Aktivist*innen (auf dem Camp) davon war. Nur aufgrund ihrer Nicht-Betroffenheit von Rassismus können es sich /weiße/ Aktivist*innen überhaupt aussuchen, für welche Kämpfe sie Interesse aufbringen und welche sie in den Hintergrund geraten lassen. Alle Kämpfe gegen Rassismus, um die es auf dem Camp ging, haben ihre Berechtigung und verdienen Aufmerksamkeit und Solidarisierung. Es liegt an uns allen darüber nachzudenken, wie wir Räume schaffen können, in denen die verschiedenen Perspektiven zur Geltung kommen. Wie den unterschiedlichen Belangen und Kämpfen Rechnung getragen werden kann und wie diese in einer breiten und vielschichtig aktiven Bewegung zusammenlaufen können.



+++ Stichwort „Schuld und Moral“ +++

Zuletzt möchten wir noch einem weiteren häufig angeführten Argument vorgreifen: es geht hier nicht um Schuldzuschreibungen oder darum zu moralisieren. Es geht darum marginalisierte Positionen ernstzunehmen, Kritik an dominanten Strukturen und Verhalten möglich zu machen und Verantwortung nicht zu verschieben. Es geht darum, szeneinterne Hierarchien angreifbar zu machen. Es geht darum, in der antirassistischen/rassismuskritischen Bewegung in Zukunft zu einem respektvolleren und empathischeren Umgang miteinander zu finden. Dabei ist es wichtig nicht auszublenden, aus welcher Sprecher*innenposition Kritik formuliert wird und welchen Status die Personen in der Gesellschaft und in den szeneinternen Machtstrukturen einnehmen, an die sich die Kritik richtet.
Auch wir waren mehrheitlich an der Camp-Vorbereitung beteiligt und haben Strukturaufgaben auf dem Camp übernommen. Wir tragen in unterschiedlicher Weise Verantwortung für das Camp. Diejenigen Mit-Autor*innen dieses Textes, die /weiß/ positioniert sind, nehmen sich daher von der Kritik an /weißer/ Dominanz nicht aus und richten die genannten Forderungen auch an sich selbst.

Wir rufen dazu auf, die Debatte nach dem No Border Camp neu auszurichten und sie auf Fragen umzulenken wie: Wie können Bündnisse aussehen, in denen nicht /weiße/ Unsicherheiten und Abwehr im Vordergrund stehen, sondern die Belange der Betroffenen von Rassismus? Wie können Strukturen aussehen, die Betroffenen von Rassismus die Möglichkeit bieten, ihre Perspektiven, Anliegen und Grenzen hörbar werden zu lassen, ernstgenommen zu werden und sich gegen eine /weiße/ Mehrheit durchzusetzen? Wie kann eine Bewegung aussehen, in der /Weiße/ die Kontrolle über rassismuskritische Kämpfe abgeben?





No Border Aktivist*innen aus Berlin, Hamburg, Köln und Oldenburg
August 2012

Fussnoten

(1) /Weiß/ soll hier ebenso wie die Selbstbezeichnung Person of Color (PoC) keinesfalls eine „Hautfarbe“ bezeichnen, sondern auf die gesellschaftliche Position von Menschen im Kontext von Rassismus hinweisen. /Weiß/ benennt hier Personen, die von Rassismus nicht benachteiligt werden. Um deutlich zu machen, dass es sich bei /Weiß/sein um nichts Natürliches sondern um eine sozial konstruierte Kategorie handelt, wird weiß im Text kursiv gesetzt. Siehe dazu bspw. Noah Sow: Deutschland Schwarz Weiß. Goldmann Verlag 2009; Maureen Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Piesche, Susan Arndt: Mythen, Masken und Subjekte. Unrast Verlag 2005.  http://de.wikipedia.org/wiki/Person_of_color

(2) Aus Gründen der Lesbarkeit schreiben wir an manchen Stellen des Textes von „Betroffenen“ von einem Herrschaftsverhältnis (z.B. Rassismus). Wir meinen damit in diesem Text immer „negativ Betroffene“. Die Bezeichnung „Betroffene“ ist also eigentlich verkürzt, da alle von Herrschaftsverhältnissen „betroffen“ sind, da diese die Gesellschaft durchdringen, in der wir leben. „Betroffenheit“ kann auch sein, durch ein Herrschaftsverhältnis privilegiert zu sein, also Vorteile dadurch zu haben.

(3) Gemeint ist die Parteilichkeit mit den negativ Betroffenen von rassistischer Gewalt. Parteilichkeit bedeutet, u.a. dass die Benennung einer Grenzverletzung nicht in Frage gestellt, sondern als solche respektiert und akzeptiert wird. Eine parteiliche Haltung gegenüber den Betroffenen steht rassistischen Machtstrukturen entgegen. Siehe beispielsweise:  http://www.gipfelsoli.org/Home/Heiligendamm_2007/G8_2007_deutsch/2_Jahre_Vorbereitung/Arbeitsgruppen/antisexist_awareness_group/1635.html

(4) Jungle World Nr. 30, 26. Juli 2012

(5) Weiße Solidarität bezeichnet den Schulterschluss weißer Personen beispielsweise zur Abwehr von Kritik an rassistischem Verhalten. Sie dient der Selbstvergewisserung Weißer bezüglich der Legitimität ihres Handelns. Weiße Solidarität umfasst außerdem das Schweigen und Nicht-Thematisieren von rassistischen Grenzverletzungen, wodurch der gesellschaftliche weiße Konsens und der rassistische Normalzustand aufrecht erhalten werden.
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Ergänzungen

Danke!

(muss ausgefüllt werden) 12.08.2012 - 12:32
Danke für eure Darstellung der Ereignisse! Hoffentlich bringt das die Debatte auf eine etwas sachlichere Ebene.

agisra-workshop ohne "absprache" abgesetzt!

teilnehmer_in abschlussplenum 12.08.2012 - 13:35
dass es unterschiedliche ansichten zu den vorgängen in köln gibt, ist logisch. allerdings sollte wenigstens auf der ebene der halbwegs 'überprüfbaren' tatsachen' korrekt vorgegangen werden, sonst wird es nie zu einer vernünftigen diskussion kommen. als teilnehmer_in des abschlussplenums möchte ich deshalb ausdrücklich darauf hinweisen, dass dort eine vertreter_in von agisra im namen der gruppe ein kurzes statement vorgetragen hat. aus diesem ging unzweideutig hervor, dass agisra die absetzung ihres workshops genauso wenig mitgetragen hat wie wie die tatsache, dass sich eine anwesende agisra-vertreter_in nicht zu den vorgängen äußern durfte. stattdessen hat die agisra_vertreterin umgekehrt an beidem ausdrücklich kritik geübt. ich kann also nicht nachvollziehen, wie ihr davon schreiben könnt, dass die absetzung des workshops "in absprache" mit agisra erfolgt sei oder dass in kleiner runde mit agisra "ein konstruktiver Umgang gefunden werden konnte". beides scheinen mir ungedeckte schutzbehauptungen zu sein, um die in der tat sehr peinliche absetzung des agisra-workshops zu kaschieren. hierdurch bleibt der text genauso nebulös wie viele vorgänge auf dem camp. hier scheint mir die andere auf indymedia veröffentlichte auswertung ( http://de.indymedia.org/2012/07/333015.shtml) viel sinnvoller oder hilfreicher zu sein, auch wenn ich nicht alle dort vorgenommenen einschätzungen teile. denn in dem text werden die kritisierten situationen wenigstens konkret beschrieben (selbst die von euch benannte situation im agisra-workshop enthält mindestens so viele 'detail'-informationen wie eurer text).

interview

funda 12.08.2012 - 13:35
Eine stark identitätspolitische Auslegung der Theorie der »Critical Whiteness« spaltet die antirassistische Szene. Die Jungle World sprach mit Vassilis Tsianos über deutschen Rassismus und Identitätspolitik. Der 43jährige lehrt in Hamburg Migrationssoziologie und Border Studies und ist Mitglied des Netzwerks Kritische Migrations- und Grenzregimeforschung. 1998 gehörte er zu den Gründern von Kanak Attak. Das Kollektiv wollte »einer breiten Öffentlichkeit ohne Anbiederung und Konformismus eine neue Haltung von Kanaken (Menschen) aller Generationen vermitteln«. Kanak Attak lehnte jegliche Identitätspolitik auf Grundlage ethnologischer Zuschreibungen ab.
Die antirassistische Szene diskutiert derzeit über linken Rassismus. Ausgehend von einem bestimmten Verständnis der Theorie der »Critical Whiteness« wird der Vorwurf erhoben, die Szene sei von weißen Männern dominiert, die nichts davon wissen wollen, dass sie von Rassismus profitieren. Wurde es für diese Debatte nicht höchste Zeit?
Jede Generation macht ihre eigene Erfahrung innerhalb der linken Subkultur, jede Radikalisierung geht einher mit der Skandalisierung der eigenen Suppe. Das ist völlig legitim. In meinem Fall zum Beispiel ging es um Deutschland und um den Antisemitismus. Was die sogenannten People of Color (PoC) jetzt machen – unter anderem auf den No-Border-Camps in Köln und Stockholm –, ist aber etwas anderes.

Warum?

Jede Form des Antirassismus beinhaltet Momente der Identitätspolitik. Aber mit etwas Glück ist es uns immer gelungen, aus der Identitätspolitik wieder kritisch rauszukommen. Bei denen ist es das Gegenteil. Sie schreiben die Differenzen fest. Und da hört die Ähnlichkeit mit früheren Generationen des Antirassismus auf. Die deutsche Linke wurde längst migrantisiert. Wir haben Euch infiltriert und dadurch für eine neue Zusammensetzung der Kampfeszyklen gesorgt. Das wird einfach ignoriert.
Es wird versucht, rassistische Haltungen von Weißen nicht länger hinzunehmen, sondern aus der Position einer betroffenen Minorität heraus anzugreifen. Genau das wollte Kanak Attak doch auch.
Die Migranten haben das bei ihren deutschen Genossen gemacht, die Feministinnen haben das bei den Männern gemacht, die Schwulen bei den Heten. Aber wir haben nie erwartet, dass sie unsere Erfahrungen nachvollziehen und respektieren, weil wir sie moralisch anrufen. Es war keine seminaristisch vorbereitete, ressentimentgeladene Erwartung, dass die Deutschen die frohe Botschaft der People of Color einfach annehmen.

Kanak Attak hatte also auch Ressentiments gegenüber Weißen. Welche waren das denn?

Viele. Wenn wir schlechte Laune haben, dann sind sie Kartoffeln, Schweine, was auch immer. Es gab Krisen, es gab Konflikte und diese Krisen waren das Beste, was wir mit den deutschen Genossen und den Antideutschen je entwickelt haben. Hier wird aber nun versucht, diese Art von Erfahrungen einfach abzuschneiden.

Sie spielen auf die Versuche an, Begriffe wie »rassismuskritisch« statt »antirassistisch« zu etablieren oder Begriffe wie »Flüchtling« zu ächten und Verstöße mit Redeverboten zu sanktionieren.

Das ist die habermassche kommunikative Kultur der Mittelschicht. Eine maßlose Überschätzung des Diskursiven. Sie versuchen, ein Konzept, das in ihren segregierten Uni-Seminaren funktioniert hat, der Bewegung zu oktroyieren. Das ist nicht nur ein methodischer Fehler, das ist auch extrem Deutsch. Das ist der absolute Ausstieg aus der Sprache des Ghettos, der absolute Ausstieg aus den kommunikativen Gepflogenheiten der migrantischen Communities.

Warum sollen die migrantischen Communities nicht versuchen, sich mit akademischen Mitteln zur Wehr zu setzen?

Diese Reglementierung funktioniert ohne Begehren, ohne Vertrauen, ohne die Erfahrung gemeinsamer Kämpfe. Aber nur darauf kommt es an. Der Anspruch auf »Definitionsmacht« verweist auf eine Kultur der Verbalisierung politischer und sozialer Konflikte. Die erwarten, dass es ausreicht, die Definitionsmacht durchzusetzen. Diese permanente Disziplinierung und Verfahrensfixiertheit garantiert aber, dass es keine politische Kultur, keine Massenintelligenz gibt. Das dient nicht der Herstellung eines Gemeinsamen, sondern der Stabilisierung identitärer Differenzen – und der Hegemonie einer absolut kleinen Minorität. Das ist ein Bruch mit proletarischer, antikolonialer Erfahrung und Politik.

Bezugspunkt sind aber eben diese Erfahrungen – etwa jene der Black Panther.

Die Black Panther waren die schlimmsten Machos der Welt. Die wurden für ihr schwanzfixiertes Gerede sehr stark von ihren Schwestern kritisiert. Aber ihre Ghettosprache adressierte die kollektive Erfahrung der Unterdrückung und verband sie mit einer Form politischer Militanz. Genau das machen die People of Color nicht.

Aber sie versuchen, Räume wie die Camps so zu beeinflussen, dass sie dort als Subjekte handlungsfähig werden. Muss man das nicht ernst nehmen?

Es ging seit 2003 immer um Verhaltensweisen auf den No-Border-Camps: Darf getrunken, darf Haschisch geraucht werden? Ab wann flirtet ein Mann nicht mehr, sondern belästigt eine Frau sexuell? Diese Auseinandersetzung war sehr wichtig, aber sie hatte damals schon den Beigeschmack einer bestimmten politischen Kultur der Disziplinierung des Subjekts durch moralische Anrufung. Und das hatte nichts mit der migrantischen Kultur zu tun. Das ist ebenso merkwürdig wie diese aufgekommene Praxis der Selbstpositionierung.

Sie meinen die Angewohnheit, sich zu Beginn von Einlassungen als Unterdrücker zu bekennen?

Ja, genau. »Ich bin eine nicht unterdrückt geborene, Bafög-beziehende, frauisierte Weiße und mein Wissen basiert auf dem Wissen von PoCs«, so wird da geredet, das ist eine Art neoprotestantischer Sektenbildung. Diese Selbstbezichtigung ist immer eine Strategie eines reformorientierten Teils der Bildungsbourgeoisie: Moral und moralische Panik im Namen der Diskurshygiene.

Die Vertreterinnen und Vertreter der Selbstbezichtigungsstrategie berufen sich dabei aber auf ein bestimmtes Verständnis der Theorie der »Critical Whiteness«, die seit langem in der antirassistischen Szene rezipiert und als sehr fruchtbar empfunden wird.

Critical Whiteness ist ein wichtiger Aspekt der kritischen Race-Studies und insofern sehr ernst zu nehmen. Aber leider bedient diese meist nur einen transnationalen Dialog zwischen akademischen Subkulturen. Das Ganze ist von realen Kämpfen weit weg. Die interessanten Aspekte wie die Kritik des Okzidentalismus …

… die Vorstellung, dass die westliche Kultur überlegen sei … .

… oder die Frage, welche Kritik der Geschichte der rassistischen Formation hier entwickelt werden muss, spielt bei diesen Leuten keine Rolle.

Welche Kritik muss denn entwickelt werden?

Rassismus hat hier mehr mit Deutschsein zu tun als mit Weißsein. Critical Whiteness ist hier deshalb eine unkritische Art, über Weiße zu reden und dabei die deutsche Geschichte aus dem Spiel zu bringen. Ich habe mich nie als »colored« wahrgenommen und Millionen Menschen, die diskriminiert werden, ebenso wenig. Unser Problem in Deutschland ist Deutschsein und nicht die weiße Hautfarbe.

Das empfinden andere möglicherweise anders. Warum sollen die sich nicht als PoC bezeichnen, um ihre Erfahrungen mit Rassismus zu artikulieren?

Das sollen sie tun. Sie sollen aber die Welt der Migranten, das Feld der postkolonialen und postfaschistischen Erfahrungen, nicht neu hierarchisieren. Sie sollen nicht als Diskurspolizei Flüchtlinge moralisch belehren, wie diese ihre eigenen Erfahrungen auszudrücken haben.

Sie spielen darauf an, dass auch bei Flüchtlingen die Einhaltung »herrschaftssensibler« Sprache angemahnt wurde.

Ja, und das sogar von »weißen« Mehrheitsdeutschen. Schwarze so zu disziplinieren, evakuiert den Redeort der Subalternen. Die Erfahrungsposition des subalternen Subjekts wird so restlos besetzt. Es gibt dann kein Moment mehr, wo Rassismus als gelebte Erfahrung nachvollzogen werden muss. Weiße setzen sich dazu schwarze Masken auf, das haben nur die klügsten Kolonialisten gemacht. Leuten, die schreckliche Erfahrungen beim Überschreiten der Schengener Grenzen gemacht haben, hier in Europa entgegenzuhalten, dass sie Teil der rassistischen Kultur seien, ist wirklich eine ekelhafte neokoloniale Willkommensgeste.

Das Problem

Das Gremium 12.08.2012 - 13:53
Das Problem an der ganzen Diskussion und Aufregung um critical whiteness und die poc besteht darin, dass es auf einer ganz anderen Ebene ansetzt als das, was Mensch von anderen No Border Camps kennt oder erwartet. Bei CW geht es vor allem um das eigene Verhalten / die Positionierung gegenüber Rassismus und POC. Es geht bei critical whiteness zunächst nicht darum gegen Abschiebungen, FRONTEX und andere institutionalisierte Formen von Rassismus vorzugehen, sondern sich mit dem eigenen Weißsein auseinanderzusetzen.

Treffen nun auf einem NO BORDER CAMP CW-Jünger mit Menschen zusammen, die sich damit nicht auseinandergesetzt haben oder die cw ablehnen, so führt dies zu Diskussionen und internen Reibereien. Einige wenige werden danach wohl auch CW-Seminare besuchen. Andere werden in ihren Strukturen daraufhin wirken, sich von den cw menschen abzugrenzen.

Wenn der Formalismus blüten trägt

... 12.08.2012 - 14:33
Auf Kritiken an dem praktisierten Verständnis von CW auf dem Camp antwortet man "Dass jedoch /weiße/ Aktivist*innen sich anmaßen, zu entscheiden welche Geflüchteten/Refugees/PoC/Roma/Migrant*innen/... das „richtige“ und welche ein „falsches“ Verständnis von Critical Whiteness haben, finden wir hochgradig problematisch. Critical Whiteness und Definitionsmacht sind Konzepte, die aus emanzipatorischen antirassistischen bzw. antisexistischen Kämpfen stammen."

Ok, also ersten sind die KritikerInnen per se Weiße (No lager Brmen, The Voice, Kanak Attak).EIn Richtiges und Falsches gibt es, nicht aber ein emanzipatorisches?.

EIn anders Beispiel: "Dass die Belange von Betroffenen von Rassismus auf dem Camp miteinander konkurrieren mussten, verdeutlicht einmal mehr, auf wievielen verschiedenen Ebenen Kämpfe gegen Rassismus geführt werden müssen und wie überfordert die /weiße/ Mehrheit der Aktivist*innen (auf dem Camp) davon war. Nur aufgrund ihrer Nicht-Betroffenheit von Rassismus können es sich /weiße/ Aktivist*innen überhaupt aussuchen, für welche Kämpfe sie Interesse aufbringen und welche sie in den Hintergrund geraten lassen."

Ging es nicht um Empowerment? Jetzt müssen Betroffene "KONKURRIEREN" um was eigentlich? Um das "Interesse" der Weißen?

Hier ein kleines altes deutsches Volkslied zur Frage der Konstruktion:


Der Herr, der schickt den Jochem aus,
Er sollt' den Hafer schneiden,
Der Jochem schneidt den Hafer nicht
Und kommt auch nicht nach Haus.

Da schickt der Herr den Pudel aus,
Er sollt' den Jochem beißen.
Der Pudel beißt den Jochem nicht,
Der Jochem schneidt den Hafer nicht
Und kommen nicht nach Haus.

Da schickt der Herr den Prügel aus,
Er sollt' den Pudel prügeln.
Der Prügel prügelt den Pudel nicht,
Der Pudel beißt den Jochem nicht,
Der Jochem schneidt den Hafer nicht
Und kommen nicht nach Haus.

Da schickt der Herr das Feuer aus,
Es sollt' den Prügel brennen.
Das Feuer brennt den Prügel nicht,
Der Prügel prügelt Pudel nicht,
Der Pudel beißt den Jochem nicht,
Der Jochen, schneidt den Hafer nicht
Und kommen nicht nach Haus.

Da schickt der Herr das Wasser aus,
Es sollt' das Feuer löschen.
Das Wasser löscht das Feuer nicht,
Das Feuer brennt den Prügel nicht,
Der Prügel prügelt Pudel nicht,
Der Pudel beißt den Jochem nicht,
Der Jochem schneidt den Hafer nicht
Und kommen nicht nach Haus.

Da schickt der Herr den Ochsen aus,
Er sollt' das Wasser saufen.
Der Ochse säuft das Wasser nicht,
Das Wasser löscht das Feuer nicht,
Das Feuer brennt den Prügel nicht,
Der Prügel prügelt Pudel nicht,
Der Pudel beißt den Jochem nicht,
Der Jochem schneidt den Hafer nicht
Und kommt auch nicht nach Haus.

Da schickt der Herr den Schlächter aus,
Er sollt' den Ochsen schlachten.
Der Schlichter schlacht't den Ochsen nicht,
Der Ochse säuft das Wasser nicht,
Das Wasser löscht das Feuer nicht,
Das Feuer brennt den Prügel nicht,
Der Prügel prügelt Pudel nicht,
Der Pudel beißt den Jochem nicht,
Der Jochem schneidt den Hafer nicht
Und kommen nicht nach Haus.

Da schickt der Herr den Henker aus,
Er sollt' den Schlichter henken.
Der Henker hängt den Schlächter,
Der Schlächter schlacht't den Ochsen,
Der Ochse säuft das Wasser,
Das Wasser löscht das Feuer,
Das Feuer brennt den Prügel,
Der Prügel prügelt Pudel,
Der Pudel beißt den Jochem,
Der Jochem schneidt den Hafer,
Und kommen all nach Haus.

Dieser Text bleibt seltsam abstrakt

Hrvat 12.08.2012 - 20:07
Weder werden die rassistischen Übergriffe, um die es euch geht, konkret benannt, noch eure Masßnahmen dagegen. Zählen zu den "rassistischen Übergriffen" für euch auch Dread-Frisuren beispielsweise oder der Fleisch-Grill von Roma? Solche Fragen bleiben unbeantwortet, auf die gegen euch erhobenen Vorwürfe gebt ihr keine Antworten. Dadurch wirkt der Text seltsam nichtssagend.

Rassismus

xyz 12.08.2012 - 21:10
"Rassismus ist die Verknüpfung von Vorurteil mit institutioneller Macht. Entgegen der (bequemen) landläufigen Meinung ist für Rassismus eine »Abneigung« oder »Böswilligkeit« gegen Menschen oder Menschengruppen keine Voraussetzung. Rassismus ist keine persönliche oder politische »Einstellung«, sondern ein institutionalisiertes System, indem soziale, wirtschaftliche, politische und kulturelle Beziehungen für weißen Alleinherrschaftserhalt wirken. Rassismus ist ein globales Gruppen-privileg, das weiße Menschen und ihre Interessen konsequent bevorzugt. [...] Rassismus ist white supremacy."
(Noah Sow 2011)

Argumente? Mangelware!

Noborder-Aktivist 12.08.2012 - 22:00
Hm, so ganz kann ich einige der zustimmenden Kommentare nicht verstehen. Immer wieder ist von einem tollen Text die Rede, der endlich mal die Wahrheit aussprechen würde - anders als all jene Pamphlete, die bislang erschienen seien. Interessant daran ist, dass bislang überhaupt erst drei Texte veröffentlicht wurden: ein Bericht von nolager bremen und zwei in der jungle world erschienene Interviews: nolager bremen:  http://de.indymedia.org/2012/07/333015.shtml; jungle world I:  http://jungle-world.com/artikel/2012/30/45919.html; jungle world II: http://jungle-world.com/artikel/2012/32/46024.html. So betrachtet würde der_die geneigte Leser_in natürlich schon gerne wissen, was denn an dem aktuellen Text so viel besser sein soll. Denn anders als die anderen drei Texte kommt der hier veröffentlichte Text weitgehend ohne konkrete Beschreibungen aus (und dort, wo es konkret wird, wird's grenzwertig, vor allem dort, wo das von agisra im Abschlussplenum Gesagte kurzerhand ins Gegenteil verkehrt wird). Genauer: Der Text verzichtet fast durchgehend auf eine Auseinandersetzung mit den konkreten Kritiken, wie sie u.a. im nolger-Text und den jungle-world-Interviews geäußert werden. Damit setzt er die unselige Kultur des nebulösen Raunens, Nicht-Benennens oder einfach nur Überzeugungen-Zum-Besten-Geben fort, wie sie in allen drei Beiträgen völlig zu Recht als unpolitisch kritisiert wurden. Aber gut: Die in dem Text angemahnte Haltung des Respekts und der Bereitschaft zur selbstkritischen Auseinandersetzung ist trotzdem wichtig, nur müsste jetzt noch bewiesen werden, dass sie nicht von viel mehr Leuten beim Nobordercamp geteilt wurde, als es die Autor_innen nahelegen (denn diesen Beweis bleibt der Text in Gänze schuldig). Last but not least: Wenn hier der fehlende Bezug kritisiert wird, dann sind damit nur die drei zitierten Texte gemeint, nicht die in der Tat grenzwertigen, zum Teil arg stammtisch-mäßigen oder ressentimentgeladenen Rülsper, wie sie nicht nur hier, sondern auch bei denen anderen Texten jeweils in den Kommentarspalten zu lesen waren.

Race Traitor

Bobby 12.08.2012 - 22:05
Im Zusammenhang der obigen Diskussion lesenswert: Der Aufsatz "The Point Is Not To Interpret Whiteness But To To Abolish It" von Noel Ignatiev aus dem Jahre 1997:  http://racetraitor.org/abolishthepoint.html.

Daraus ein paar Zitate:

"Now that White Studies has become an academic industry, with its own dissertation mill, conference, publications, and no doubt soon its junior faculty, it is time for the abolitionists to declare where they stand in relation to it. Abolitionism is first of all a political project: the abolitionists study whiteness in order to abolish it. [...]
The white race is neither a biological nor a cultural formation; it is a strategy for securing to some an advantage in a competitive society. It has held down more whites than blacks. Abolitionism is also a strategy: its aim is not racial harmony but class war. By attacking whiteness, the abolitionists seek to undermine the main pillar of capitalist rule in this country."

Etwas mehr Beiträge aus dieser Richtung täten der Debatte nicht schlecht...
Mit dem intersektionellen Ansatz – der Feststellung, dass es eine Verschränkung von verschiedensten Diskriminierungen (aufgrund von Behinderung, sexueller Ausrichtung, zugeschriebener Rassenzugehörigkeit, etc.) gibt – war man schon einmal weiter, als bei der hier geführten Diskussion.

Rassismus existiert nicht isoliert von anderen Zumutungen der herrschenden Gesellschaftsordnung und es lohnt sich nicht, sich an diesem Punkt zu zerfleischen!

Außerdem gibt es gemeinsame Interessen von allen verschiedenst verorteten und verschiedenst lesbaren Menschen für die sich GEMEINSAM zu kämpfen lohnt?!

United we stand – Divided we fall!

Claqueure bei Indymedia?

Axel 12.08.2012 - 23:14
Ist ja peinlich, jeder dritte Kommentar ein inhaltloses "toller Text, noch toller, am tollsten". Wie wäre es mit "stehendenden Ovationen", "minutenlanges Klatschen" oder "Hochrufen"?

Dieser Text ist wahrlich der Schlechteste von allem bisher über dieses "Camp of horror" - Geschriebene. Inhaltsleere Plattheiten, ohne einmal konkret zu werden. Doch einmal werdet ihr es ja doch und da verdreht ihr die Tatsachen. Übungsfeld für zukünftige Politiker_innen der Linkspartei und der Grünen.

Eines habt ihr ganz sicher erreicht den Teilnahmewillen an solch einem Camp zu Lasten der Migrant_innen auf ein Minimum reduziert.

Verfügt ihr jenseits eurer studentischen Nabelschauen über nur einen Funken antirassistische Praxis?


Bitte sagen was ist!

R2 13.08.2012 - 14:30
Ich habe noch nix über die "Vorgänge" auf dem Camp gehört. Nach dem Lesen des Textes bin ich kein Deut klüger, da nichts ausgesprochen wird; und trotz meines nichts-wissens stellt sich aufgrund der vielen verwendeten adjektive unmittelbar parteilichkeiten ein; denn anscheinend hat dort irgendeine gruppe von "mehrheitlich /weißen/" menschen "rassistisch", "aggressiv", "dominant" agiert, hat außerdem "Gewalt" ausgeübt, hat Diskussionen "unmöglich" gemacht etc.. Hingegen sind waren allein die Verfassenden dieses Textes anscheinend "kritisch" und "radikal"; und natürlich will ich eher auf der Seite von "kritischen" "radikalen" menschen sein als auf der seite von "rassistischen" aggressiven" "mehrheitlich /weißen/".

Nach Beendigung und Rekapitulation des Textes muss ich aber sagen: es wäre mir weitaus sympathischer gewesen, wenn ich in einem text, der ja skandalisieren und thematisieren will, konkrete informationen über sachverhalte und vorkommnisse (und sich daran orientiernde positionierungen) gelesen hätte, als in jedem einzelnen satz in vorschlaghammer-manier mit gut/böse einteilungen konfrontiert zu werden. Vorallem wäre es mein anspruch - gerade gegenüber anscheinend recht belesenen rassismuskritischen Menschen - dass der Vorwurf des Rassismus wie auch der Dominanz, Aggressivität etc. im ersten Schritt nachvollziehbar begründet wird als lediglich postuliert und dann als "tatsache" im folgenden einfach übernommen wird.

wenn dieser text intern an die jeweiligen gruppen/einzelpersonen verschickt wird, hat das vllt. den sinn einer positionierung, auch wenn auch dann eine echte argumentation fehlen würde (auch critical whiteness und queertheory hätte es ohne Hegel nicht gegeben; also bitte nochmal "these/antithese/fazit" ausm deutschunterricht 10. Klasse üben & berücksichtigen!).

Aber als Text hier auf indymedia für eine allgemeinheit ist dieser text absolut unbrauchbar; es sei denn, es geht lediglich darum, an ein diffuses wir-gefühl gewisser kreise zu appelieren.

Gewalt

"aktivist_*+!-In(nen)" 13.08.2012 - 21:18
Vorweg: Ich bin eine Person of Color (ich hab irgendwas Französisches im Familienstammbaum und irgendwie glauben einige Leute, ich sei aus Holland) und werd nich so ganz schlau aus dem obigen Text. Da wird mehrfach von rassisischer Gewalt gesprochen. Dabei beschreibt ihr in keiner Zeile, was KONKRET nun die Gewalt ausmachen soll - vermutlich denkt ihr, angesichts eurer DEFMA-Theorie braucht ihr das auch gar nicht. Ich könnte jetzt ein paar ironische Zeilen schreiben, aber ich komme gleich zur Sache: Die Art und Weise, wie ihr den Gewaltbegriff verwässert, in dem alles mögliche gleich zur Gewalt wird, ist unverantwortlich und einer ernsthafte Debatte über gesellschaftlich vermittelte Gewaltverhältnisse nicht würdig. Der Gewaltbegriff ist uneindeutig, das ist korrekt und auch logisch angesichts der Problematik, soziale Verhältnisse begrifflich zu identifizieren. Wenn ihr nun aber selbst ein böses Wort, eine böse Geste oder auch nur eine falsch interpretierte Mimik als rassistische Gewalt definitiert, universalisiert ihr den Begriff un entwerdet ihn also. Das ist nicht nur unverantwortlich, es ist ekelerregend, da dann keine qualitative Differenz mehr getroffen werden kann zwischen ertrinkenden Menschen an der EU-Außengrenze bzw. Opfern von Neonazis auf der einen Seite und "rollenden Augen" einer "als weiß gelesenen Person" auf der anderen Seite.
Ferner: Euer Wortfetischismus ist bürgerlich bis ins Mark und geht an jeder ernsthaften Kritik an Rassismus vorbei - gerade unter gesichtspunkten kulturellen Kapitals, von Klassenprivilegien und struktureller Benachteiligung von verarmten Bevölkerungsschichten, zu der nunmal der großteil in Deutschland lebender MigrantInnen gehört, ist das alles völlig chauvinistischer Klassendünkel und es sollte euch schon auffallen, wenn ihr doch ach-so-critical seid, dass ihr jede Form von Klassenkampf verunmöglicht, wenn als "Beitrittskriterium" für die Linke ein masochistisch-gereinigter Sprachfetisch herhalten muss. Zudem wirkt euer ganzes pseudo-intellektuelle Geschwafel einfach wir die ersten zwei-drei Semester eines Queer-Studies oder Critical-Whiteness Seminars und nach einer ganz gehörigen Portion Post-Moderner Laberscheisse.

Wenn auch viele, vor allem neue Leute vor eurer autoritären Scheisse Angst haben mögen, mir macht euer pseudopolitisches Gehabe keine Angst und ich frage mich, wieso ihr übrehaupt mit dieser Gewalt-relativierenden und bürgerlichen Kacke noch auf Camps gelassen werdet.

Critical Whiteness und antirassistische Arbei

xxx 14.08.2012 - 11:43

Unser Problem in Deutschland...

patata 14.08.2012 - 19:12
Auch bei Flüchtlingen haben »weiße« Mehrheitsdeutsche auf dem Camp die Einhaltung »herrschaftssensibler« Sprache angemahnt. Sie sollen nicht als Diskurspolizei Flüchtlinge moralisch belehren, wie diese ihre eigenen Erfahrungen auszudrücken haben. Schwarze so zu disziplinieren, evakuiert den Redeort der Subalternen.
 https://linksunten.indymedia.org/de/node/65370

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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oh je — apoc

danke — Farid L.

Sumpf-Schlumpf — Antira

Oh jeeh, — Klara

-(rassimus) — lilablaßblau

merci — aaef

danke! — Iranji

Endlich.. — ..mal ein kritischer beitrag

danke! — teilnehmer_in

ah — fiona

so much hate... — liverne

Ohje... — xvx

guter text — ...

people of flexibility — lenny und karl

m( — bernd

sehr interessant — Person of Color

Für CW... — Eine echte PoC ihr Bürgerkinder

Weißen Täter — egal

wünsch dir was — ralf rolfsen

Sagt Mal — ...