(B) Biermeile: Rassismus unerwünscht?

***************** 02.08.2012 17:52 Themen: Antifa Antirassismus Gender Kultur
Auch dieses Jahr findet am ersten August-Wochenende (3.8-5.8.) wieder einmal das größte Saufgelage Deutschlands (knapp 800.000 Besucher_innen sollen es letztes Jahr gewesen sein) im Bezirk Friedrichshain statt. „Das international Bierfestival“, das sich vom Frankfurter Tor bis zum Strausberger Platz erstreckt, ist seit vielen Jahren Anlaufpunkt für Nazis, Rassisten_innen, rechten Hooligans und sexistische Macker. Schon seit Jahren gibt es aber auch erhebliche Kritik an der Biermeile und Forderungen nach ihrer Abschaffung werden immer wieder laut. Nun soll die im letzten Jahr schon erprobte "Festivalordnung" zumindest rechte Symbolik fernhalten. Eine neue Secruity-Firma wurde auch beauftragt. Ob das reicht?
Seit mehreren Jahren ist die Initiative gegen Rechts Friedrichshain mit einem Stand auf der Biermeile anzutreffen um gegen Rassismus, Neonazis und Homophobie zu informieren sowie Anlaufpunkt für Betroffene zu sein. Oft genug wurden dabei die dort Engagierten selbst Zielscheibe, wurden bedroht und bepöbelt. Keinesfalls nur von organisierten Neonazis sondern auch von aufrechten deutschen Festbesucher_innen, die sich durch die Thematisierung von Nazis und Rassismus in ihrem „Spaß“ gehemmt fühlten (Flyer der Ini aus dem letzten Jahr.) Dieses Jahr sind ausdrücklich alle Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlung eingeladen an dem Stand der Ini teilzunehmen um dem "heiteren" Publikum auf den Zahn zu fühlen.

In den Letzten Jahren

Auch beim Veranstalter ist angekommen, dass Neonazis und Rechte sowie rassistische Übergriffe auf und rund um das Fest ein Problem sind. Die Präsenta GmbH veranstaltet die Biermeile nun schon zum 16. Mal und hat lange ihre Augen gegenüber ihrem rechten Klientel verschlossen. Nazis konnten sich ungestört auf der Biermeile besaufen; Übergriffe, Pöbeleien und offen zur Schau getragene Neonazikleidung wurden nicht geahndet und wissentlich vom Veranstalter und seiner engagierten Security (KP) ignoriert. Die Securitys selbst fielen vereinzelt durch Thor Steinar Kleidung und offensichtliche Sympathie für die Nazis auf. Durch die intensive Kritik kam es in den letzen Jahren zu einem langsamen Umdenken beim Veranstalter. Die Beweggründe dafür sind eher im Bereich der Schadensbegrenzung und der Imagepflege zu suchen als in einer ernsthaften Auseinandersetzung mit Neonazismus und Rassismus. Die Bezirksgrünen forderten bspw. im Wahlkampf 2011 sogar die ersatzlose Abschaffung der Biermeile . Die Präsenta AG sah sich gezwungen Anwohner_innengespräche durchzuführen und bei einem Runden Tisch sich den Kritiker_innen zu stellen.Immerhin wurden die Securitys im Vorfeld der letzten Biermeilen zum Erkennen von Nazisymbolen geschult und im letzten Jahr eine Festivalordnung erlassen, sodass Nazis, rechte Sprücheklopfer_innen und Thor Steinar Träger_innen von der Biermeile verwiesen werden konnten. Die Ordnung war von der Bezirksverordnetenversammlung gefordert worden. Die Umsetzung dessen war eher halbherzig (Bericht der Antifa Friedrichshain). So war die Festivalordnung bis kurz vor der letzten Biermeile nicht veröffentlicht und wurde auch auf dem Fest nur widerwillig bis gar nicht umgesetzt.

Dieses Jahr soll es besser werden?

Der Veranstalter hat die Festivalordnung, in der es explizit heißt, dass Rassismus, Rechtsextremismus und Gewalt und das Tragen von rechtsextremer Kleidung oder Accessoires auf der Biermeile nicht geduldet würden, schon vor Wochen auf seiner Internetseite veröffentlicht . Auch wurde der Sicherheitsdienstleiser gewechselt. Die umstritten Securityfirma KP wurde durch das Unternehmen Grützmacher ersetzt, was unter anderem auch schon für TeBe Berlin gearbeitet hat. Auch dieses Jahr wurden die Securitys im Vorfeld der Biermeile geschult damit sie die Festivalordnung durchsetzten. Ob und inwieweit das überhaupt machbar ist (angeblich wurde die Festivalordnung nur 10.000 mal gedruckt), wird sich am Wochenende zeigen.

Berliner Neonazis auf der Biermeile

Über mehrere Jahre war die Biermeile ein, im Terminkalender der Berliner Nazis, fest eingeplantes Event. In zwanziger Gruppen betranken sich meistens ab dem späten Nachmittag bekannte Berliner Neonazis auf der Biermeile, von wo sie dann losgingen um im Friedrichshain Übergriffe zu begehen . In den letzten Jahren führten Konkurrenzveranstaltungen in der rechten Szene dazu, dass die organisierten Rechten sich von der Biermeile fernhielten. Aber genau das könnte dieses Jahr anders sein. Seit einigen Monaten ist der harte Kern der Berliner Neonaziszene rund um den Landesvorsitzenden der NPD Sebastian Schmidke wieder häufiger mit Kundgebungen präsent. Gezielt versuchen sie auch in Teilen Berlins Kundgebungen abzuhalten in denen sie weder die Hegemonie noch viele Sympathisant_innen haben (Brandenburger Tor, Potsdamer Platz usw.). So könnte die Biermeile für sie ein willkommener Anlass sein nach Friedrichshain zu kommen. Auch ist nicht auszuschließen, dass die Neonazis die öffentliche Distanzierung des Veranstalters in Form der Festivalordnung als Provokationen wahrnehmen und eine "jetzt erst recht“ Haltung an den Tag legen. Durchaus möglich ist auch, dass sie nach dem Neonaziaufmarsch in Bad Nenndorf am Samstag ihren Abend auf der Biermeile ausklingen lassen.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Deswegen ist es auch dieses Jahr wichtig am kommenden Wochenende die Augen in Friedrichshain offen zu halten und beherzt einzugreifen wenn Neonazis versuchen sich im Kiez zu bewegen. Auch gilt es die Lippenbekenntnisse des Veranstalters auf die Probe zu stellen. Denn der Stand die Initiative gegen Rechts nahe Weberwiese ist nur für Samstag bis 18 Uhr geplant. Deshalb: Augen und Ohren offenhalten. Hinsehen, Eingreifen, Angreifen wenn sich Nazis und Rassist_innen im Kiez breit machen.

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