Interview: 2. Libertäre Medienmesse in Bochum

Redaktion 改道 Gǎi Dào (www.gaidao.blogsport) 01.08.2012 13:24 Themen: Bildung Globalisierung Medien Print Soziale Kämpfe

Es ist wieder soweit. Nach der 1. Libertären Medienmesse 2010 imOberhausener Druckluft, findet nun vom 24. bis 26. August imBahnhof-Langendreer in Bochum endlich die 2. Libertäre Medienmessestatt. Leider sind schon alle Standflächen vergeben, so das sichalle potentiellen Austeller*innen nur noch für die 3. LibertäreMedienmesse vormerken lassen können und natürlich die Messe auchals Gäste besuchen können.


Zahlreiche Verlage, Radios, Web-Projekte und andereMedienproduzentInnen aus der BRD, der Schweiz, Spanien, denPhillipinen usw. usf. Werden sich vorstellen und zahlreicheVeranstaltungen (von der klassischen Lesung bis zum Stencil-Workshop)auf der Messe anbieten.


Kurz vor Beginn der Medienmesse haben wir Bernd, Paula und Inesaus der Vorbereitungsgruppe gebeten, uns in einem Interview mehr überdie 2. Libertäre Medienmesse zu erzählen.

Exklusiv-Interview für indymedia

¿ Warum eigentlich eine 2. Libertäre Medienmesse und keine“Anarchistische Buchmesse”?

Ines:  Als wir 2010 die 1. Libertäre Medienmesseerfolgreich hinter uns gebracht hatten, war klar das wir das aufjeden Fall noch einmal machen wollten. Nicht nur weil wir ein tollesFeedback von Aussteller*innen und Messegästen bekommen hatten,sondern auch, weil es uns irrsinnig viel Spaß gemacht hatte dasalles zu organisieren.

Allerdings gab es einen Generationenkonflikt. *lacht* Die „Ü35“im Organisationsteam fühlten sich mit der Idee schon 2011 die 2.Libertäre Medienmesse zu organisieren überfordert. Wir, also die„U30“ hatten uns aber auch (noch) nicht getraut es ohne „dieAlten“ durch zu ziehen. Wir waren also so rücksichtsvoll ein Jahr„Pause“ ein zu legen.

Aber 2011 sollte nicht ganz ohne eine anarchistische Messebleiben. Die Anarchistische Gruppe Mannheim hat eine Büchermesseorganisiert, die sehr erfolgreich war.

Paula: Obwohl es im deutschsprachigem Raum insgesamt zuwenig „anarchistische Büchermessen“ gibt, war unser Anspruch vonAnfang an ein anderer. Spätestens seit den 1990'er Jahren hat sichdie Medienlandschaft radikal verändert. Auch wenn die Hochzeit vonFreien Radios und autonomen Filmproduktionen auf den ersten Blickvorbei zu sein scheint, so hat sich doch mit dem Internet und demweb2.0 ein völlig neues Feld aufgetan. Neben den Klassikern, alsoPrintmedien, Büchern und Broschüren, sind eben auch zahlreicheinternetbasierte Projekte wie eben Indymedia, Labournet undzahlreiche Websites und eine äußerst spannende Blogospähreentstanden. Zahlreiche Webseiten haben monatlich zehntausende bishunderttausende Zugriffe. Da kommen die klassischen Printmedien nichtmit. Außerdem ändert sich auch das Verhältnis zwischenMedienmachenden und -konsumierenden. Die Trennung wir durch die klugeNutzung der neuen Medien immer weiter aufgehoben. In anderenBereichen wie Radio oder Video ist die Technik mittlerweile sogünstig und leicht bedienbar geworden, dass es es immer wenigerExpertInnen-Wissen braucht und neue Projekte entstehen, die bislangnicht möglich gewesen wären. Und diese Vielfalt wollen wir auf derMedienmesse sichtbar, erfahrbar machen.

Bernd: Außerdem hat uns der NRW-Verfassungsschutzsprichwörtlich herausgefordert. 2011 schrieb er über die Limesse:

"[...] Mit der LiMesse wurde erstmals in Nordrhein-Westfaleneine Messeplattform für Herausgeber und Verleger von Büchern,Zeitschriften, sonstiger Literatur und elektronischen Medien insLeben gerufen. Etwa 40 verschiedene Verlage und Projektepräsentierten vom 3. bis 5. September in Oberhausen hauptsächlichanarchistisch-gesellschaftskritische Themenliteratur undMedienarbeit. Auch bei der linksautonomen Szene fand das Programm mitLesungen und Vorträgen zum Verlags- und Veröffentlichungswesensowie zur Medienarbeit Anklang. Diese Art der Messe stellt auchaußerhalb von Nordrhein-Westfalen einen neuen Trend dar. […]"

Wir sind angetreten um zeigen das die selbstorganisierteMedienmesse keine Eintagsfliege war. Und wenn die Aussteller*innenund Besucher*innen die Gelegenheit wieder nutzen sich auf vielfältigeArt und Weise auszutauschen, Kontakte zu knüpfen und zu Pflegen,dann haben haben wir alles erreicht, was wir mit unseren begrenztenMitteln erreichen können.

¿ Und warum gerade jetzt ?

Bernd: Seit wir 2009 die Idee zur 1. LibertärenMedienmesse hatten, hat sich ja leider am Gesamtzustand nichtswirklich verbessert. Im Gegenteil, die Krise des Kapitalismusverschärft sich stetig, auch im „Herzen der Bestie“.Gleichzeitig hat sich nichts an unserer Wahrnehmung geändert, dasimmer mehr Menschen sich ernsthaft für unsere Ideen interessieren.So hat ja nicht nur die FAU ein zwar langsames aber stetigesMitgliederwachstum und verstärkte Aktivitäten zu verzeichnen. Die Anarchistische Föderation ist schon seit einigen Jahren endlichwieder aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und hat sich in denletzten Jahren stabilisiert. Ihr schließen sich mehr Gruppen an undseit dem 01.01.2011 geben sie das sehr interessante Monatsmagazin 改道 Gǎi Dào heraus. Daneben gibt es auch noch das „AnarchitsicheNetzwerke Süd*West“, die ASJ-Gruppen bestechen ebenfalls mit einerhohen Stabilität und Zuverlässigkeit und mit dem M31 hat diesesJahr in Frankfurt a. Main die größte antiautoritäre Demonstrationseit Jahrzehnten in der BRD stattgefunden und auch anderswo tun sichspannenden Dinge. Flugblätter z.B. für leiharbeit-abschaffen.degehen immer noch weg wie warme Semmeln. Kein Wunder wenn ein Drittelaller neuen Arbeitsplätze Drecksjobs beim Sklavenhändler sind.

Es bleibt also dabei: Genau der richtige Zeitpunkt, Leutezusammenzubringen.

Ines: Nicht zu vergessen das eine Reihe neuer Bewegungenentstanden sind. Bei aller politischen Zweifelhaftigkeit die wir ggf.damit verbinden. Eines scheint relativ sicher zu sein: diese neuenBewegungen adaptieren originär anarchistischeOrganisationsprinzipien und wehren sich zum Teil vehement gegen jedenVereinnahmungsversuch. Gleichzeitig sind viele Aktivist*innen offenfür anarchistische Ideen.

¿ Zeitgleich findet in Dortmund das erste AntifaCamp statt.Versteht ihr euch als Konkurrenz ?

Paula: Nein – Aus unserer Sicht macht es keinen Sinnhier in Kategorien von Konkurrenz zu denken. Beide Projekte (Limesseund AntifaCamp) haben sich gegenseitig verlinkt. Beide Projekte habendie Hoffnung das sie sich gegenseitig befruchten. So bieten wir aufder Limesse u.a. mehrere Vorträge zum Thema (Anti-)Faschimsus an.Auf dem AntifaCamp wird es Veranstaltungen zum Thema Arbeitskämpfegeben. Und natürlich haben viele Medienprojekte die auf der Messevertreten sein werden die intellektuelle Munition, die man alsAntiFaschist*in gebrauchen kann.

¿ Wen wollt ihr mit der Limesse ansprechen ?

Paula: Trotz Webshops oder Mailorder wissen wir, das vieleMenschen noch immer gerne in Ruhe in einem großen Angebot stöbernund vielleicht auch ein wenig mit den Händler*innen klönen wollen.Außerdem verschwinden libertäre Bücher und Zeitschriften in immermehr Buchhandlungen oder gehen im sonstigen Angebot völlig unter. Andieser Tatsache ändert leider auch der Bestseller von David Graebernichts. Die Messe ist dazu eine Art Gegengewicht und bietet alleninteressierten die Möglichkeit sich hier die geballte libertäreMedienvielfalt zu vergegenwärtigen. In diesem Sinne hoffen wir dasnicht nur Anarchist*innen zur Messe kommen sondern eben auch Leute,die neugierig darauf sind, was wir zu sagen haben. Und davon gibt esin letzter Zeit erheblich mehr. Das merken wir auf Infoständen oderauch im Kreis von KollegInnen deutlich.

Bernd: Wir nennen die Messe "2. LibertäreMedienmesse“. Es handelt sich also nicht um eine lokaleVeranstaltung. Wie schon bei der 1. Libertären Medienmesse, hoffenwir darauf das sich nicht nur aus dem gesamten deutschsprachigem RaumMenschen nach Bochum kommen werden. In Oberhausen waren u.a. zweiFrauen da, die wirklich eine weite Anreise hatten. Eine kam ausKanada, die andere aus Neuseeland. Wenn alles mit den Visa klappt,dann werden die beiden wahrscheinlich weitgereisten, zwei Anarchistenaus Manila (Philippinen) sein. Von ganz so weit her müssen ja nichtalle kommen, aber wir haben die berechtigte Hoffnung das aus denBeneluxländern sowie den angrenzenden Staaten Menschen zu uns kommenwerden. Ganz zu schweigen natürlich von all den MigrantInnen, diesich, egal ob im Exil oder in ihrer neuen Heimat für libertäreIdeen und Praxis interessieren. Diesmal werden wir wohl auch eineReihe von Veranstaltungen in englischer und spanischer Sprache haben(zum Teil mit Übersetzung ins deutsche). Und natürlich wird esnicht nur deutschsprachige Medien auf der Messe geben. Sondern auchenglisch-, spanisch- und türkischsprachige, um nur mal dreiBeispiele zu nennen.

¿ Und wie wird die Messe genau ablaufen ?

Ines: Die Messe findet dieses Jahr im „BahnhofLangendreer“ statt. Los gehen wird es am Freitag ab 18:00. AmSamstag machen wir die Hallen von 10 Uhr bis 20 Uhr auf und amSonntag von 10 Uhr bis 16 Uhr. Eine ständig aktualisierte Übersichtüber das Veranstaltungsprogramm findet ihr hier ->

Paula: Wir haben zwar keine Veranstaltung mit dem Titel„Die kapitalistische Krise – Zustand und Perspektiven“, aberzahlreiche Veranstaltungen kreisen genau darum. Dabei haben wirversucht möglichst konkrete und spannende Beispiele/Themen zusammenzustellen. Schaut einfach mal auf der Homepage nach – wir sindsicher das das Programm sehr spannend geworden ist!

Bernd: Für Leute, die von weiter weg kommen und in derRegion übernachten wollen, haben wir auf unserer Website wieder eineListe von Camping-, Pensions- und anderen Übernachtungsmöglicheitenzur Verfügung gestellt. Eine Pennplatz-Börse zu organisieren, würdeunsere Möglichkeiten leider übersteigen. Aber wir wissen, dassviele Leute FreundInnen und GenossInnen im Ruhrgebiet und imRheinland haben, wo sie unterkommen können. Und wir haben Bochumu.a. deshalb als Ort gewählt, weil man mit dem Zug in weniger alseiner Stunde z.B. nach Köln oder Dortmund kommt. Der „BahnhofLangendreer“ hat sogar seine eigene S-Bahnstation.

¿ Und wie organisiert ihr das alles ?

Paula: *lacht* In unserer Freizeit und neben zahlreichen weiterenProjekten an denen wir uns auch noch beteiligen. Damit teilen wir dasSchicksal fast aller Militanten Anarchist*innen undAnarcho-Syndikalist*innen. Seit nun fast wieder einem Jahr Treffenwir uns regelmäßig und erledigen alle Aufgaben Kollektiv und ineiner räteähnlichen Struktur. Dabei sind wir keine Profis, sondernganz einfache Militante und alles was wir tun, erledigen wir nach derArbeit, der Schule, der Ausbildung und zwischen den Treffen unsererSyndikate oder ASJ-Gruppen. Dabei versuchen wir den Kontakt zuunseren Verwandten und unseren Freund*innen jenseits der Bewegungnicht zu vernachlässigen.

Ines: Wichtig ist mir auch noch zu betonen das das Projekt„Libertäre Medienmesse“ zu 100% ein Non-Profit-Projekt ist. Wirmüssen zwar ein wenig Gebühr für die Tischmiete von denjenigenAusstellerInnen, die auf ihren Ständen etwas verkaufen wollennehmen, aber wir halten den Preis hierfür so gering wie irgendmöglich.

Der Eintritt für die BesucherInnen ist frei – aber dieses Jahrhaben wir mehr Kosten als beim ersten mal. Darum wird es am Infostandeine Spendendose geben. Wer will und kann darf uns, ggf. nach dem„Powershoppen“ gerne sein Kleingeld da lassen.

¿ Kann man sich noch anmelden ?

Ines: Nein – wir sind seit Tagen vollkommen ausgebucht(und es trudeln immer noch Anmeldungen herein). Ihr könnt euchmaximal noch für den Newsletter anmelden und ggf. könnt ihr unsschon jetzt mitteilen ob ihr einen Stand auf der 3. LibertärenMedienmesse machen wollt. Allerdings können wir jetzt noch nichtsagen ob diese schon 2013 oder erst 2014 stattfinden wird. Das isteinerseits davon abhängig was wir uns zutrauen und ob sich nochweitere Menschen dem Organisationsteam anschließen wollen undandererseits davon ob die Anarchistische Gruppe Mannheim 2013 wiedereine anarchistische Büchermesse organisieren will und kann.

¿ Gibt es etwas, was man tun kann, um euch zu unterstützen ?

Paula: Na in allererster Linie, indem man vorbeischaut!Die Erfahrung der 1. Libertären Medienmesse hat gezeigt das es sichim ein Ereigniß handelt, das man einfach nicht verpassen sollte. Unddann natürlich, indem ihr die Libertäre Medienmesse in eurer Stadt,euren Blogs, Foren, Radios, Zentren etc. bekannt macht. Wir haben aufder Website Plakate, Banner etc. zum Download bereitgestellt. Diekönnt ihr euch runterladen und verwenden. Ihr könnt auch gernedieses Interview weiterverbreiten.

Bernd: Wo wir hier schon von der Website gesprochen haben,ihr findet jede Menge Infos zur 2. Libertären Medienmesse unter www.limesse.de. Dort kannman z.B. auch unseren Newsletter abonnieren.

Ines: Die beiden sind so im „Promotionmood“ das sie dasnaheliegendste glatt vergessen: Wir können noch zahlreiche Händebeim Auf- und Abbau gebrauchen. Während der Libertären Medienmesseselbst brauchen wir auch noch Hilfe am Kuchenstand und, und, …. Aufder Startseite der Homepage findet ihr ganz unten unsere Mailadresse.Also, wenn ihr helfen wollt, meldet euch bitte recht bald bei uns ;)

¿ Vielen Dank für das Gespräch ?

Ines: Na denn, ¡Salud y Anarquia! – Wir sehen uns inBochum

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Ergänzungen