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Beitrag zu den Diskussionen auf Noborder Camp

x+y+z 20.07.2012 11:04
Vom 13.-22.07.2012 findet in Köln das No Border Camp statt. Bei der Vorbereitung des Camps sind erhebliche Differenzen und Konflikte aufgetreten, die noch nachwirken. Auslöser waren Thesen zu critical whiteness und Empowerment und wie diese Positionen während der Campvorbereitung vorgetragen wurden. Einige Aktivist_innen haben sich deshalb zurückgezogen, andere beziehen sich positiv darauf. Dem liegen grundsätzliche politische Meinungsverschiedenheiten zugrunde, die der Bewegung gegenüber offen gemacht und diskutiert werden müssen. Deshalb dieser Text.
Wir wünschen uns ein Camp, von dem aus verschiedene politische Kämpfe unterstützt werden, vielfältige Aktionen gegen die Abschiebemaschinerie, das Lagersystem und die Militarisierung der EU-Grenzen.

Ganz in der Nahe, in Düsseldorf, haben sich seit Dienstag Geflüchtete entschlossen, sich den Protesten in Würzburg und anderen Städten anzuschließen. Dort protestieren Menschen mit einem öffentlichen Camp für ein Bleiberecht, gegen die schlechten Bedingungen in Flüchtlingsunterkünften und die lange Bearbeitungsdauer von Asylverfahren. In Würzburg befinden sich etliche der Protestierenden im Hungerstreik. Ebenfalls in Düsseldorf befindet sich der Flughafen, von dem aus Massenabschiebungen vorgenommen werden. Derzeit treffen die meisten Sammelabschiebungen ab Düsseldorf Roma, die nach Serbien, Mazedonien und den Kosovo abgeschoben werden.
Vom Camp aus kann und sollte eingegriffen werden in den rassistischen Normalzustand. Es geht darum, die bestehenden Widerstände, wie Abschiebestop, Boats4people, die Proteste der Geflüchteten in Düsseldorf usw. zu stärken und gemeinsame Handlungsperspektiven zu entwickeln.

Neben institutionell-rassistischen Verhältnissen sind viele Menschen zudem von Alltagsrassismus betroffen. Die Grenzen, die Rassismus errichtet, machen sich auch in den Köpfen der Menschen bemerkbar. Wir alle handeln aus sehr unterschiedlichen Perspektiven. Manche sind durch rassistische Verhältnisse privilegiert, manche benachteiligt. Neben diesen gewaltvollen gesellschaftlichen Zuschreibungen und Unterteilungen gibt es aber auch eine aktive Dimension: Gemeinsam haben wir das Ziel, Rassismus zu überwinden. Somit geht es auch immer darum, diese inneren Grenzen abzubauen um sie schließlich zu überwinden. In den gemeinsamen Kämpfen gegen die konkreten Ausdrucksformen strukturellen Rassismus können Beispiele einer antirassistischen Kultur greifbar werden, zumindest werden gemeinsame Schritte in diese Richtung unternommen.

Veränderung entsteht in der Praxis. So geht es auch um eine Vernetzung zwischen Geflüchteten, People of Colour, Roma und weißen antirassistischen Aktivist_innen. Diese Kämpfe sollen auf dem Camp sichtbarer, miteinander vernetzt und gestärkt werden.Nicht erst unter dem Begriff critical whiteness ist lange darüber diskutiert worden, dass Rassismus vor allem als Problem derer gilt, die von ihm negativ Betroffen sind. Dass aber Rassismus in der weißen Mehrheitsgesellschaft entsteht und dort auch bekämpft werden muss, gab auch antirassistischen Bewegungen einen wichtigen Input. Rassismus kann nicht einfach – wie in liberalen Argumentationen üblich – durch das Postulat der Gleichheit aller Menschen überwunden werden, denn Menschen werden ungleich gemacht. Die Benennung von Privilegien und Benachteiligungen ist dem entgegen ein wichtiger Schritt, diese Kategorien von „weiß“ und „Schwarz“ überhaupt überwinden zu können.

Im Vorfeld des Kölner Camps gab es erhebliche Auseinandersetzungen rund um dieses Thema und wir fürchten, dass diese sinnvollen und wichtigen Konzepte, die momentan unter den Begriffen white awareness und PoC Empowerment diskutiert werden, identitätspolitisch gewendet werden. Statt zu sagen, dass die eigene Position in diesen Kämpfen berücksichtigt werden soll und sich daraus auch ergibt, dass weiße Aktivist_innen nicht die erste Geige in antirassistischen Kämpfen spielen sollten, wird postuliert, dass weiße Aktivist_innen nicht antirassistisch agieren können, weil Rassismus Menschen durchzieht. In diesem Sinne ist nun auch nur noch die Rede von einer Vernetzung zwischen Geflüchteten, People of Colour, Roma und Schwarzen Menschen in Deutschland. „Shut up and listen“ wird derweil allen anderen empfohlen.

Auf dem No Border Camp in Stockholm traten einige Aktivist_innen aus Deutschland entsprechend auf, um den Teilnehmer_innen zu erklären, dass viele von ihnen nicht antirassistisch sein können, dass ihr einziger Job darin bestehe, ihr weißsein zu reflektieren. Wir denken, dass solche Positionen nicht dazu geeignet sind, die Kategorisierung entlang der Herrschaftsstruktur race zu durchbrechen.
Diese Polarisierungen machen sich allerdings nicht nur entlang der Frage nach gemachten Rassismuserfahrungen auf. Ebenfalls in Stockholm wurde eine Person, die sehr wohl Rassismuserfahrungen gemacht hat, sich aber nicht als PoC positionierte, von entsprechenden Aktivist_innen aus Deutschland als „weiß“ kategorisiert. Die beiden Pole machen sich also nicht an race auf. Sie lauten vielmehr: Entweder stimmst du diesen Interpretationen zu oder du bist Akteur_in weißer Dominanz. Schweigen und Verunsicherung waren die häufigsten Reaktionen, die wir wahrgenommen haben.
Die aktive Positionierung zu Herrschaftsverhältnissen, beispielsweise als Antirassist_in oder als Antifaschist_in wird in der momentanen Auslegung von white awareness ausgeblendet. Es sei gleich, ob Menschen gegen Rassismus oder neofaschistische Tendenzen kämpfen oder diese protegieren, denn weißsein ist immer gewaltvoll.

Wir finden es durchaus relevant, wie Menschen gesellschaftlich positioniert werden. Allerdings müssen wir – zielen wir auf Veränderung ab – die aktive Positionierung von Menschen ernst nehmen. Es macht einen großen Unterschied, ob Leute (gleich dem Grad ihrer Privilegierung) sich entscheiden, Faschist_in zu sein oder Antifaschist_in. Wer das negiert, negiert auch die Perspektive auf die Veränderung gesellschaftlicher herrschaftlicher Verhältnisse. Wer das negiert, negiert die emanzipative Dimension gemeinsamer antirassistischer Kämpfe.

Einher geht diese identitätspolitische Wendung mit verschiedenen machtpolitischen Instrumenten. Kritik wird da oft als Abwehrreflex interpretiert. Damit scheint Kritik an dieser Art der Politik Teil rassistischer Privilegien-Verteidigung zu sein, Teil der white supremacy. Entsprechend kann Kritik jederzeit mit Stopp-Handzeichen unterbrochen, abgebrochen werden – mit Verweis auf diese Konstruktion. Wer dann noch widerspricht, macht sich der rassistischen Grenzüberschreitung schuldig. Selbst Fragen, was an dem Gesagten denn „falsch“ sei, sind nicht erwünscht – so gehe es hier doch um den Wunsch des weißen Erkenntnisgewinns auf Kosten der von Rassismus negativ Betroffenen. Damit wird aber auch ein gemeinsames Weiterkommen verhindert, die Chance gemeinsame antirassistische Kämpfe zu stärken und dabei eigene Rassismen abzubauen. An die Stelle des solidarischen Umgangs wird eine Vetopolitik gestellt, die ein angstvolles, repressives Klima erzeugt.

Als interventionswürdig stellen sich aus dieser Sicht nicht nur No Border Camps, sondern beispielsweise auch antirassistische und antifaschistische Ausstellungen dar, wenn diese, so die Argumentation, einen „falschen“ Rassismusbegriff zu Grunde legen oder rassistische Aussagen referieren um sie kritisierbar zu machen. Dies wird dann als Reproduktion von Rassismus gewertet.
Ein weiteres Schlagwort, das die Runde macht, ist das des „Kulturkannibalismus“. Sowohl auf dem No Border Camp in Schweden als auch auf dem in Bulgarien wurden Menschen konfrontiert, die „sich als weiße Schwarze Widerstandssymbole aneignen“ würden. In der Theorie geht es hier um T-Shirts, auf denen Widerstandskämpfer_innen of Colour abgedruckt sind, um Dread-Locks, um weiße, die Hip-Hop machen usw. Wir finden dies entspricht einer kulturdeterministischen Denkweise, die Kultur als eine statische Größe, als abgeschlossene Einheit ansieht, nicht als Bewegung. Denn Kultur ist nicht festgeschrieben, sondern ständigen Veränderungen unterworfen, entwickelt sich aus unterschiedlichen Einflüssen und entzieht sich eindeutigen Zuschreibungen.

Wir sind uns im Klaren darüber, dass die Ursache dieser Probleme und auch der problematischen Deutungen in einem Repräsentations- und Partizipationsproblem der mehrheitlich weißen deutschen Linken begründet ist. Dies muss reflektiert werden und wir alle müssen Wege finden, das zu ändern. Wir denken, dass wir dieses Problem nicht durch autoritäre Verhaltensweisen und Kommunikationsregeln überwinden werden. Wir müssen fähig bleiben, miteinander solidarisch umzugehen, gemeinsame Wege zu finden, zu fragen, zu erklären, zuzuhören.

Wir haben von vielen antirassistischen Zusammenhängen in Deutschland und vor allem in anderen europäischen Ländern gehört, dass sie nicht am Camp in Köln teilnehmen werden – wegen dieses autoritären Umgangs untereinander. Wir wollen hier all die ermutigen zu kommen, die andere Umgangsformen wollen, die ein solidarisches, gemeinsames antirassistisches Camp wollen, die mit Aktionen in rassistische Verhältnisse eingreifen wollen!
Ein gemeinsames Camp von Menschen, die aus vielen verschiedenen Perspektiven sprechen, ist eine Chance, laut und offensiv nach außen zu agieren. Es ist eine Chance, dem was uns trennen soll, solidarische und selbstkritische gemeinsame Praxen entgegenzusetzen! Nutzen wir sie!
antiautoritäre antirassistische Gruppen
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Ergänzungen

Ich bin es leid, über weisse zu reden ...

Louis 20.07.2012 - 11:49

schonwieder?

Dora 20.07.2012 - 14:03
Ich verstehe nicht, warum dieser Artikel nun schon zum dritten mal innerhalb einer Woche hier gepostet wird. Offenbar ist niemensch an einer Diskusssion auf Indy interessiert. Liebe antiautoritäre Gruppe, so gut ich euren Artikel finde - bitte fürhrt die Diskussion doch woanders weiter (vielleicht einfach direkt auf dem No - Border - Camp).

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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