Kiel: 100 für das HaK SE / Prozess vertagt

Stay HaK! 19.07.2012 12:42 Themen: Freiräume
+++ Bis zu 100 Unterstützer_innen auf morgendlicher Soli-Demo für das Segeberger Jugendkulturzentrum Hotel am Kalkberg zum Landgericht Kiel +++ Prozess behandelt nur Detailfragen: Entscheidung über Räumungsklage vertagt +++ Stadt Segeberg bleibt bei engstirnig-autoritärer Linie +++ Forderung nach Rückkehr der Stadt an den Verhandlungstisch wird lauter +++
Heute, am Morgen des 19. Juli 2012 nahmen in Kiel knapp 100 Menschen an einer Demonstration unter dem Motto "Stay HaK! Solidarität mit dem räumungsbedrohten Hotel am Kalkberg Bad Segeberg! Kein Abriss ohne neues Haus! Gegen autoritäre Provinzpolitik - für selbstverwaltete Räume überall!" teil, von denen einige aus Bad Segeberg angereist waren. Anlass war der Berufungsprozess vorm Kieler Landgericht, von dem ein Urteil über die städtische Räumungsklage gegen das selbstverwaltete und unkommerzielle Jugendkulturzentrum HaK in Bad Segeberg erwartet wurde.

Um 8.30 Uhr begann die Demo mit einer Auftaktkundgebung an den Bushalstellen am Hauptbahnhof und zog anschließend bestückt mit zahlreichen Transparenten auf direktem Wege zum Landgericht in der Harmstraße, wo eine weitere Kundgebung abgehalten wurde. Neben einem Redebeitrag der HaK-Aktiven selbst, wurde auch ein im Vorfeld des Prozesses veröffentlichter Offener Brief der LAG Soziokultur Schleswig-Holstein verlesen, der den Segeberger Bürgermeister Dieter Schönfeld (SPD) zu neuen Verhandlungen mit den Jugendlichen aus dem HaK um eine Zukunft des Projektes in einer neuen Bleibe auffordert. Wegen einsetzenden starken Regenfällen fand diese im überdachten Eingangsbereich des Gerichts statt, was die anwesenden Polizeikräfte mehrfach veranlasste, mit peniblen Auflagen zur Nutzung dieses Bereiches zu nerven.

Um 9.30 Uhr begann im Inneren des Gerichts der Prozess, den wegen des viel zu kleinen Gerichtssaals neben einer Handvoll Polizist_innen und der erfreulich stark präsenten Vertreter_innen regionaler Medien nur eine begrenzte Zahl von 11 HaK-Unterstützer_innen beobachten konnten. Viele Demo-Teilnehmer_innen verweilten deshalb bis zum Ende der Verhandlung draußen auf einer Dauerkundgebung.
Nach dem am Unwillen des Stadtvertreters gescheiterten anfänglichen Versuch einer Güteverhandlung, behandelte der Prozess ausschließlich die Detailfrage einer Betriebskostenforderung der Stadt für das Jahr 2010, die die HaK-Betreiber_innen wegen des zu diesem Zeitpunkt verordneten Verbotes von Großveranstaltungen, sogar im damaligen Einvernehmen mit der Stadt, nicht beglichen haben. Der Stadtvertreter glänzte durch widersprüchliche Aussagen und Unkenntnis der Sachlage. Ein Urteil hierzu wurde nicht gefällt, sondern soll nun in schriftlicher Form und ggf. nach einem weiteren Prozesstag erfolgen. Über die Räumungsklage wurde wider Erwarten nicht verhandelt, dies soll in einem weiteren Prozess im Spätsommer seperat geschehen.
Auffälligerweise forderte der Richter die Stadt gleich mehrmals dazu auf, an den Verhandlungstisch zurück zu kehren. Deren Vertreter blieb jedoch bei der seit Jahren andauernden sturen Linie im Sinne der verbitterten und autoritären Stadtverwaltung unter Dieter Schönfeld, die alleinig auf die Zerstörung des HaKs abzielt.

Insgesamt ist der Tag für die Unterstützer_innen und Aktiven des HaK den Umständen entsprechend zufriedenstellend verlaufen: Die Stadt hat sich im Fokus der Öffentlichkeit einmal mehr als das eigentliche Problem im Konflikt um das HaK entlarvt und mit der trotz des ungünstigen Zeitpunktes gut besuchten Demo konnte deutlich gemacht werden, dass der Kampf um ein selbsverwaltetes Jugendzentrum in Bad Segeberg einen langen Atem hat, der zudem eine zunehmend breite Unterstützung erfährt. Die Zukunft des HaK bleib weiter ungewiss.
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Ergänzungen

REDEBEITRAG HAK-DEMO / KIEL / 19.07.2012

19.07.2012 - 12:50
Guten Morgen allerseits!

Willkommen zu unserer frühmorgendlichen Demonstration unter dem Motto "Solidarität mit dem räumungsbedrohten Hotel am Kalkberg Bad Segeberg! Kein Abriss ohne neues Haus!
Gegen autoritäre Provinzpolitik - für selbstverwaltete Räume überall!".
Wer sich nun zunächst zurecht fragt, warum wir an einem Donnerstagmorgen in Kiel für irgendein Hotel in Bad Segeberg auf die Straße gehen wollen, dem oder der sei folgender Hintergrund erläutert: Das Hotel am Kalkberg (HaK) ist kein Hotel im eigentlichen Sinne, sondern ein seit über 10 Jahren bestehendes selbstverwaltetes und unkommerzielles Jugendkulturzentrum in jener schleswig-holsteinischen Kleinstadt Bad Segeberg. Über dessen Existenz am derzeitigen Standort wird heute vor dem Kieler Landgericht entschieden, wohin wir uns gleich auf den Weg machen werden, um die Aktivist_innen des HaKs bei ihrem Prozess zu unterstützen.

Das HaK ist in den letzten Jahren zunehmend unter den Druck ordnungsfetischistischer Teile der Segeberger Dorfgemeinschaft und vor allem autoritärer Provinzpolitiker_innen, insbesondere des sozialdemokratischen Bürgermeisters Schönfeld, geraten. In Segeberg, wo man sich sonst nicht an diversen lauten Massenevents wie Karl-May-Festspielen und Oldienächten nur wenige Meter weiter stört, hat man sich in vermeintliche Lärmbelästigungen durch das HaK und ein paar bunte Verschönerungen der grauen Stadtfassaden durch seine angeblichen Besucher_innen hereingesteigert, brach in einem regelrechten Obrigkeitswahn jede ernsthaften Gespräche mit den HaK-Macher_innen ab und setzte seither alles an die Zerstörung einer der ganz wenigen verbliebenen Anlaufpunkte für Jugendliche in der Provinzstadt.

Seit Anfang 2011, also seit eineinhalb Jahren, sollen die Nutzer_innen des HaKs nach Willen der Stadtverwaltung die Schlüssel für ihr Haus bereits abgegeben haben, um den Weg für den Abriss des Gebäudes und Verkauf des Grundstücks freizumachen, was diese allerdings verweigerten und stattdessen gegen die Kündigung klagten. Das Amtsgericht Segeberg bestätigte die Kündigung jedoch und ordnete die Räumung des Gebäudes an. Hiergegen gingen die Segeberger Jugendlichen in Berufung, der entsprechende Prozess findet heute in Kiel statt. Wird die Räumungsklage nochmals bestätigt, droht das sofortige Aus für das HaK, zumindest in seiner bisherigen Form.

Wir als Kieler Freund_innen selbstverwalteter Kultur und Organisierung aus der radikalen Linken haben größten Respekt vor den Nutzer_innen des HaK, die ihr Haus seit nunmehr eineinhalb Jahren trotz widrigster Bedingungen in einem mehrheitlich feindlich gesinnten Umfeld quasi besetzt halten und wollen mit dieser Demo ihren langjährigen Kampf gegen die Zerstörung ihres Projektes und für ein Ausweichobjekt stärken.

Mit der Zerstörung des HaKs würde zahlreichen Jugendlichen in und um Bad Segeberg einer der raren Orte genommen, an denen sie abseits der zunehmenden Zumutungen des kapitalistischen Alltags selbstbestimmt ihre Bedürfnisse verwirklichen und Fähigkeiten entfalten können. Wir wissen, dass insbesondere in ländlichen Regionen, vielmehr noch als in größeren Städten wie Kiel, nach dem Wegfall solcher Orte oft nicht viel mehr übrig bleibt, als provinzielle Tristesse, in der dann zu schlechter Letzt nicht selten Neonazis leicht eine Hegemonialstellung unter den Jugendlichen einnehmen können. Gerade für linke und alternative Jugendliche sind Orte wie das HaK, an denen sie ein kritisches Bewusstsein herausbilden und sich organisieren können, unverzichtbar.

Was treibt also einen Segeberger Bürgermeister Dieter Schönfeld und seine Gefolgschaft an, einen der wenigen Attraktionen seiner Stadt so beharrlich und krampfhaft ausmerzen zu wollen? Einerseits spricht daraus wohl die Verbitterung eines autoritären Charakters, der nicht darauf klarkommt, dass aufmüpfige Jugendliche ihre eigenen Interessen zu verfolgen gelernt haben und ihm, dem Herrscher über Bad Segeberg, den sonst gewohnten Gehorsam verweigern. Andererseits erfüllt er mit seiner autoritären Vorgehensweise gegen die HaK-Nutzer_innen genau die Rolle, die ihm als politischen Verwalter selbst auf unterster Ebene als Mainstream abverlangt wird: Den Erhalt einer bürgerlich-kapitalistischen Ordnung, die in Zeiten sich zuspitzender Krisen immer mehr die kläglichen Restfetzen ihres menschlichen Gewands ablegt, durch Wegkürzung auch noch der letzten Einrichtungen sozialen Lebens bei gleichzeitiger Ausweitung von Repressionsdrohungen und Kontrollmaßnahmen gegenüber auch nur den kleinsten Anzeichen der Abweichung oder gar des Widerstands.

Wir wissen als Aktivist_innen aus dem Umfeld der Alten Meierei auch in Kiel aus eigener Erfahrung zu gut, wie wichtig in Zeiten der akuten Bedrohung unserer Projekte eine breite Solidarität. Wir kämpfen aber nicht nur an der Seite des HaKs, weil wir selbst in den letzten Jahren so oft und zahlreich bei den verschiedenen Angriffen von städtischer, bürokratischer oder faschistischer Seite solidarische Unterstützungung erfahren haben, sondern auch ganz grundsätzlich, weil Solidarität mit allen zarten Plänzchen der Emanzipation das Fundament unseres politischen Anspruchs ist.

Den reaktionären Stadtoberen in Bad Segeberg sei Gewiss: Ein Haus könnt ihr vielleicht zerstören. Die zahlreichen Jugendlichen, die es bisher genutzt haben, und das Bedürfnis nach einem emanzipatorischen Ort, zu dem sie es in den letzten zehn Jahren gemacht haben, werden damit nicht auf einen Schlag verschwinden. Die vielen Nutzer_innen des HaK werden sich, auch wenn ihr die jetzigen Räumlichkeiten den Erdboden gleich machen solltet, neue Räume nehmen und wir werden an ihrer Seite stehen, ganz gleich, wie das Gericht heute entscheidet.

In diesem Sinne: Finger weg von unseren Zentren! Stay HaK!

Offener Brief zum Thema HaK

LAG Soziokultur S-H 19.07.2012 - 12:52
Sehr geehrter Herr Schönfeld,

seit langer Zeit beobachten wir, Vorstand und Geschäftsführung der LAG Soziokultur e.V., besorgt die Auseinandersetzungen um die Zukunft des HaK in Bad Segeberg. Oftmals werden die positiven Effekte solcher Gemeinschaftsprojekte zur Gestaltung einer offenen Gesellschaft weit unterschätzt, da der Blick einseitig polarisierend allein auf negative Begleiterscheinungen gerichtet ist.

Bundesweit hatten viele heute etablierte Kultureinrichtungen in ihrer Gründungsphase massive Probleme und Konflikte mit Politik und Verwaltung, sind gegen den erklärten Willen von Stadtparlamenten durchgesetzt worden, nicht selten sogar nach Hausbesetzungen. Immer waren es engagierte, überwiegend junge Menschen, die mit viel Idealismus und ehrenamtlichem Engagement friedlich etwas Sinnvolles für das Gemeinwesen geschaffen haben. Sie haben in den zurückliegenden 30-40 Jahren stadtprägende Gebäude vor dem Abriss gerettet, haben sie um- und ausgebaut und mit neuem, meist kulturellem Leben gefüllt.

Ermöglicht haben das Konflikt-, Gesprächs- und Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten, der Politik und der Initiativen.

Wir wenden uns heute an Sie mit der dringenden Bitte: Zerreißen Sie das Tischtuch nicht vollends! Der Abriss des alten Hotels am Kalkberg scheint allen Beteiligten unausweichlich. Aber warum nicht diesen Abriss als Chance für einen Neubeginn nutzen? Wir erachten es als sehr wichtig, ein Stück lebendige Soziokultur zu erhalten und damit jungen engagierten Menschen die Möglichkeiten zu geben, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden und eigene Wege zu probieren. Die HaK-Initiative könnte sich auch mit einer geeigneten räumlichen Alternative anfreunden. Unseres Wissens steht doch z.B. die ehemalige Jugendbildungsstätte “Mühle“ immer noch leer. Sicherlich gibt es weitere nutzbare Immobilien in kommunaler Hand, die als Jugend- und Kulturzentrum geeignet sind.

Eine Wiederaufnahme der Gespräche zwischen den jungen BürgerInnen und der Stadt Bad Segeberg ist sicherlich vor dem Hintergrund der langjährigen Konflikte nicht einfach. Wir können und möchten Ihnen anbieten, dass die LAG Soziokultur e.V., der Fachverband für soziokulturelle Arbeit in Schleswig-Holstein, die Neuaufnahme von Verhandlungen als Moderator mit dem Interesse einer Konsensfindung begleitet.

Unser Appell lautet: Lassen Sie die jungen Menschen nicht im Regen stehen, schüren Sie nicht noch mehr Frust und Politikverdrossenheit, sondern nutzen Sie die immer noch bestehende Chance für einen Neuanfang, die Chance für ein Stück lebendige selbstbestimmte Jugendkultur in Bad Segeberg. Dafür bieten wir Ihnen unsere Unterstützung an!

Mit freundlichen Grüßen

Bernd Wulf, LAG-Vorstand Günter Schiemann, LAG-Geschäftsführer

Vorabveröffentlichung zum heut HAK Prozess

löwe 19.07.2012 - 17:53

Noch ein paar Bilder...

support your local hak 19.07.2012 - 18:42
...hier.

Mehr als 100

Demozähler 19.07.2012 - 18:50
Ich denke es waren bei dem Demozug mehr als 100. Eher 110-120.