LE: Integration statt Zynismus! am 24.5.

hearts fear 22.06.2012 00:45 Themen: Antirassismus Soziale Kämpfe
"Zukunft statt Herkunft" - unter diesem Motto fand am 24. Mai im Neuen Rathaus Leipzigs die 5. Leipziger Integrationsmesse statt.

Auf der Messe stellte sich auch das Jobcenter vor. Das nahmen wir, als Gruppe von Betroffenen, Interessierten und FreundInnen zum Anlass, die aktuell laufenden HartzIV-Ausschlüsse von arbeitssuchenden EU-BürgerInnen in die Öffentlichkeit zu bringen...
Integration statt Zynismus!
24.5. Integrationsmesse in Leipzig

Seit kurzem lehnen die Jobcenter vermehrt ALG II-Anträge von EU-AusländerInnen, die in Deutschland leben, ab. Hintergrund ist, dass die Deutsche Bundesregierung im Dezember 2011 einen sogenannten Vorbehalt gegen das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) erklärt hat. Nach diesem Abkommen konnten bisher AusländerInnen aus den EU-Staaten, die das Abkommen ebenfalls unterzeichnet hatten, in Deutschland ALG II-Leistungen beziehen. Durch die Vorbehaltserklärung sollen nach dem Willen der Bundesregierung ALG II-Leistungen jetzt von dem Abkommen ausgenommen sein. (Mehr Hintergründe zum Thema siehe unten und bei efainfo.blogsport.de )

"Zukunft statt Herkunft" - unter diesem Motto fand am 24. Mai im Neuen Rathaus Leipzigs die 5. Integrationsmesse statt. So vielversprechend der Titel ist, gemeint war vor allem "Arbeitsmarktstärkung durch Migrant/-innen“. [ http://www.migranten-leipzig.de/im12.htm]

Auf der Messe stellte sich auch das Jobcenter vor. Das nahmen wir, als Gruppe von Betroffenen, Interessierten und FreundInnen zum Anlass, die aktuell laufenden HartzIV-Ausschlüsse von arbeitssuchenden EU-BürgerInnen in die Öffentlichkeit zu bringen. .

Während der Begrüßungsansprache wurden im Publikum Pappsprechblasen hochgehalten "HartzIV-Ausschluss illegal!" und "Für ein soziales Europa" sowie "Solidarity, not exclusion!", "Αλληλεγγύη αντί για περιθωριοποίηση!" ("Solidarität statt Ausgrenzung"). Auch die Eröffnungsrede blieb nicht kommentarfrei. Nachdem einige Schulkinder ihr Gedicht “Verliebt in Leipzig” vorgetragen hatten, schmuggelte sich ein Redner in die Liste und hielt eine kurze improvisierte Ansprache zur Politik von Bundesregierung und Jobcenter, die mit dem HartzIV-Ausschluss arbeitssuchender EU-BürgerInnen Ausgrenzung und Niedriglöhne massiv vorantreiben. Die Redeleitung war nicht begeistert ("falsche Fakten!" behauptete sie ohne genauere Sachkenntnis), während das Publikum applaudierte. Währenddessen wurden in der Runde erklärende Flyer verteilt.

Dann belagerten eine Handvoll AktivistInnen den Stand des Jobcenters. Wie sich dort herausstellte, waren nicht wenige BesucherInnen der Integrationsmesse nicht freiwillig da. Sie hatten Schreiben des Jobcenters, die am Stand unterschrieben werden mussten. Im Grunde eine Riesenfrechheit: anstatt bereits im normalen Alltag vernünftig zu beraten, verpflichtet das Jobcenter MigrantInnen dazu, zwangsweise zu einer Integrationsmesse zu erscheinen, auf denen sie sich am Stand des Jobcenters über die tolle Arbeit des Jobcenters informieren dürfen.

Die MitarbeiterInnen am Stand leugneten alles "nein, nein, die Leute sind freiwillig hier", während sie gleichzeitig die ihnen entgegengereichten Schreiben der BesucherInnen abzeichneten.


Später war eine Podiumsdiskussion angesetzt. Thema war eigentlich die „aktuelle
Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation von Migrant/-
innen in Leipzig
“. Spontan waren auch VertreterInnen der Aktion mit auf dem Podium, was die Tagesordnung etwas umwarf. Die Beiträge zogen sich in die Länge, viel länger als von der Orga gewünscht, denn so viel gab es zu erzählen, was erzählt werden musste. Zuerst erklärte ein Rechtsanwalt detailliert die Sachlage rund um die HartzIV-Ausschlüsse für EU-AusländerInnen. Dann stieg der Druck, als ein Franzose in harten Worten anklagte, die Messe sei ein Theater von oder für Arbeitsagentur und Stadt Leipzig. Die Stimmung war dadurch sehr aufgeregt, er verließ erstmal den Raum, aber der nötige emotionale Zustand war erreicht und danach herrschte Offenheit für die Problematik im Raum. Diese wurde nochmal dargestellt, als eine Betroffene aus Spanien den Brief vorlas, den sie mit der Ablehnung ihres HartzIV Antrags von der ARGE bekommen hat. Vielleicht haben da ein paar begriffen, was es bedeutet, dass Menschen ausgeschlossen werden, Menschen mit denen man reden kann, denen niemand so was antun möchte. Hier kam wieder die Wortmeldung des Rechtsanwalts, mit dem Vorschlag, „die ARGE kann und soll vorläufig alle Antrage akzeptieren“, angesichts der bestrittenen Rechtsgültigkeit der Regierungsanweisung.
Eine die dabei war: „Das war für mich der größte Erfolg des Tages, denn beide BeamtInnen haben es sehr wahrscheinlich angenommen, wie ihre Gesichter und spätere Wörter ausdrücken ließen.“

Dann war es dem Moderator genug, und er versuchte, mit dem geplanten Programm weiter zu machen und somit sind ein paar Aktive gegangen. Einige stellten unverdrossen noch einmal alles in Frage. Jemand intervenierte noch einmal auf dem Podium, um das Thema des Tages, „Arbeitsmarktverstärkung“, in Frage zu stellen. Denn diese bedeutet in Grunde genommen nicht mehr als zusätzliche Ausbeutungschancen für Unternehmer. Diese Einlassung wurde mit den üblichen Antworten konfrontiert, dass jeder seine Chancen suchen müsse, konkurrieren, sich durchkämpfen usw. Aber auch dies wurde wieder gekontert, indem jemand die Hürden schilderte, die MigrantInnen auf dem Arbeitsmarkt und auf Ämtern immer wieder überwinden müssen.
Nach allen diesen Argumenten und längst über der Zeit, kam der Vorschlag auf, dass sich eine Diskussionsgruppe zwischen MigrantInnen und Ämtern bildet, damit diese Probleme nicht vergessen werden. Denn es ist auch eine systematische Frage die sich nicht durch eine schnelle Entscheidung lösen lässt.

Einer der Beteiligten: „Ich bin vor kurzem zurück von der Messe und ich freue mich euch mitteilen
zu können, dass ich ein starkes Gefühl habe, dass wir einem sehr großem Erfolg geschafft haben. Nicht weil wir uns lange darauf vorbereitet haben, nicht weil wir viele waren, nicht weil alles wie geplant lief. Nein. Weil die Zeit reif ist, wir sind uns bewusst, wir haben eine Organisationskultur, wir haben viel Wissen gesammelt, wir sind engagiert und wir haben eine innere Freude, die jede Ungerechtigkeit uns nicht wegnehmen kann. Und so haben wir vermittelt, jeder auf seiner Art, mit
voller Leidenschaft, wie sehr uns eine andere Gesellschaft wünschen, die niemanden ausschließt. Sogar die Beamten die im Podium saßen, die nicht mehr als auch nur Menschen wie wir sind, haben begriffen, dass es nicht weiter laufen soll wie bisher.“

Wir freuen uns auf Menschen, die auch Interesse daran haben und Lust auf etwas gegen diese unanständige Ungerechtigkeit zu machen. Wir sind offen auf neue Ideen und Vorschläge. Kontakt: hartz4eu [ bei ] lists.notraces {punct} net


Verteilt wurden Flyer mit folgendem Text auf deutsch, spanisch und englisch:


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INTEGRATION STATT ZYNISMUS!
Hartz-IV-Ausschluss von EU-BürgerInnen ist illegal!

Seit kurzem lehnen die Jobcenter vermehrt ALG II-Anträge von hier lebenden EU-BürgerInnen ab.

Hintergrund

Deutschland ist Teil des „Europäischen Fürsorgeabkommens“ (EFA). Nach diesem Abkommen können Menschen aus den EU-Staaten, die das Abkommen ebenfalls unterzeichnet hatten, in den anderen EU-Staaten Sozialleistungen beziehen. Deutsche erhalten also Sozialleistungen in Spanien, genauso wie Spanier in Deutschland. Im Dezember 2011 hat aber die deutsche Bundesregierung einseitig einen „Vorbehalt“ gegen das Abkommen erklärt. Durch den „Vorbehalt“ will die Bundesregierung EU-BürgerInnen von ALG II-Leistungen ausschließen. Der Vorbehalt ist rechtswidrig. Dies stellten sowohl das Sozialgericht Berlin als auch das Sozialgericht Leipzig in aktuellen Entscheidungen klar. Die Chance darauf, vor Gericht Recht zu bekommen, ist für Betroffene also groß.

Und das Jobcenter Leipzig?

Trotzdem bewegen sich Jobcenter in diesem Punkt bisher nicht! Auch das Jobcenter Leipzig schließt aktuell immer wieder Menschen aus diesen Gründen aus. Dass sich dasselbe Jobcenter hier unter dem Motto „Zukunft statt Herkunft“ präsentiert ist der Gipfel des Zynismus!

Wirtschaftskrise

Nachdem die Sparpolitik, die vor allem von Deutschland rigoros vorangetrieben wird, die Krise in den anderen EU-Staaten massiv verschärft hat, will man nun vorsorglich die davon Betroffenen fernhalten. Hier wird nicht nur ein zentrales Element der europäischen Integration einseitig aufgekündigt! Der Ausschluss von EU-BürgerInnen aus dem sowieso enorm rigiden Hartz-IV-System ist ein weiterer Schritt Richtung Sozialabbau! Das betrifft auch Deutsche!

Nicht erst dann, wenn die anderen europäischen Staaten als nächstes Deutsche von ihren Sozialleistungen ausschließen werden - sondern bereits jetzt, wenn der Ausschluss Lohndumping befeuert!

Schluß mit dem Sozialabbau!

Gegen eine Politik, die die Folgen der Krise auf die Schwächsten abwälzt!

SOLIDARITÄT STATT AUSGRENZUNG!

Eine Gruppe von Betroffenen und anderen.

Mehr Informationen dazu:
www.efainfo.blogsport.de
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Ergänzungen

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ups

ups 22.06.2012 - 01:11
ups. da scheint die formatierung ein bisschen schiefgegangen zu sein. lässt sich das korrigieren?
(der eine Absatz bissel verrutscht, und so viele Leerzeilen..)

KONSEQUENT...

der Weg der Arbeiterklasse zum Paradies 23.06.2012 - 22:45
...in Sachen Arbeitsverweigerung kann man da nur sagen, wenn man feststellt, dass der Autor für diese läppischen paar Zeilen über einen Monat gebraucht hat!
Das ist wahrer pogoanarchistischer Geist!
Weiter so!

Schützende gute alte Vorurteile

Einer 27.06.2012 - 13:51
Lass die Realität nicht deine Muster zerstören, dann müsstest du aus deiner Komfortzone, was wär's dann? Es gibt keinen "Autor" vom Text und es war nicht geplant etwas zu veröffentlichen, die Idee kamm erst später. Wir sind keine Journalisten, die meisten von uns auch nicht mächtig in der deutschen Sprache, wir arbeiten ehrenamtlich und kannten uns zwei Wochen davor nicht untereinander. In der Nachbereitung geht es nicht nur darum eine Information zu veröffentlichen über die die Medien nicht berichten, sondern diejenigen zu erreichen, die am den Tag nicht dabei waren und sie am letzten Stand unserer Initiative zu bringen. Vielleicht ist der Beitrag für dich läppisch, dann bis du eingeladen uns zu helfen, damit das nächste Mal es deiner Vorstellung nach ordentlich aussieht.