Straßen aus Zucker #7 online!

Luther Blissett 29.05.2012 18:40 Themen: Medien
Anfang Mai erschien die nunmehr siebte Nummer der kostenlosen Jugendzeitung "Straßen aus Zucker" in einer Gesamtauflage von 115.000 Stück. Etwa die Hälfte der Ausgabe wurde in der Samstags-taz und der Jungle World beigelegt, der Rest wird wie gewohnt bei Demonstrationen & Events, sowie vor Schulen & Universitäten verteilt...
Anfang Mai erschien die nunmehr siebte Nummer der kostenlosen Jugendzeitung "Straßen aus Zucker" in einer Gesamtauflage von 115.000 Stück. Etwa die Hälfte der Ausgabe wurde in der Samstags-taz und der Jungle World beigelegt, der Rest wird wie gewohnt bei Demonstrationen & Events, sowie vor Schulen & Universitäten verteilt...

Organisieben!
Salut! In euren Händen haltet ihr gerade die 7. Ausgabe der Straßen aus Zucker. Nachdem sich die letzte Ausgabe mit Religionskritik und Sozialchauvinismus beschäftigt hat, haben wir uns für diese Ausgabe Gedanken dazu gemacht, was wir eigentlich für eine sinnvolle Praxis halten um dem schlechten Ganzen richtig eins reinzuwürgen. Wir haben uns dabei entlang der Fragen im Brief auf der folgenden Seite gehangelt und versucht, diese Fragen, die sich sicher viele stellen, zu beantworten.
Zusätzlich gibt es zahlreiche Interviews mit Aktivist_innen und ein Interview mit Tom Morello, der, wenn er nicht gerade die Gitarre bei Rage Against The Machine bearbeitet, sich für politische Gefangene oder die Verbesserung der Situation von Migrant_innen einsetzt.
Also viel Spaß beim Lesen and let‘s get organized.

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Ein Brief...
...anstelle einer Einführung in das Thema der Ausgabe #7

Liebe Straßen aus Zucker,
als ich im Herbst letzten Jahres das erste Mal auf einer Occupy-Demo war, wusste ich noch nicht mal, dass es euch gibt. Auch wusste ich vieles andere noch nicht und die Welt mit all ihren Problemen erschien mir damals viel klarer als heute. Als ich an einem Samstagmorgen im Oktober mit meinem Kumpel Jo nach Frankfurt auf die Occupy-Demo fuhr, waren wir ziemlich aufgeregt und voller Vorfreude. Das erste Mal in unserem Leben taten wir etwas, das wir für wichtig hielten. Es war unsere erste Demo. Für uns war klar, was die Politiker gerade während der Krise machen, ist falsch. Während Banken Millionen von Euros bekommen, geht die Welt vor die Hunde. Mittlerweile sehe ich das alles ein wenig anders. Die Krise erscheint mir inzwischen so komplex, dass ich gar nicht mehr weiß, was richtig ist und was man tun soll. Macht es Sinn, dass Deutschland irgendwelche Banken rettet? Hilft mir das? Und dieses ganze Griechenland-Ding – warum will Deutschland unbedingt den griechischen Staat retten? Bringt denn das den Leuten vor Ort eigentlich was? Naja, diese Krise nervt mich nur noch. Ich weiß nicht, was die mit mir zu tun hat. Ich weiß nicht, ob ich die ernst nehmen soll. Noch weiß ich wo die herkommt und wie es weitergeht.
Zurück zu Occupy: Zusammen mit Jo bin ich nach der ersten Demo öfters nach Frankfurt gefahren. Wir nahmen an den Asambleas teil und haben sogar ein paarmal mit vor der Europäischen Zentralbank gezeltet. Das war ´ne richtig gute Erfahrung. Wir haben coole Leute kennen gelernt, viel diskutiert und das Gefühl gehabt, was reißen zu können. Etliche Male habe ich auch mit Leuten von Parteien diskutiert. Meistens waren die meiner Meinung. Sie meinten aber, wenn wir wirklich etwas verändern wollen müssen wir uns eben in einer Partei engagieren. Irgendwie hatte ich dagegen eine Abneigung. Parteien gibt es doch schon ewig und trotzdem bleibt alles gleich. Occupy erschien mir da anders. Es fiel aus dem Rahmen. Es war etwas Neues und völlig unabhängig von irgendwelchem Parteigedödel. Aber so richtig sicher bin ich mir da nicht. Vielleicht ist es doch richtig bei einer Partei mitzumachen? Funktioniert so Demokratie?
Langsam kam der Winter. Auf den Asambleas waren immer weniger Leute und immer mehr Freaks. Jo und ich sind dann immer seltener hingefahren. Irgendwann gar nicht mehr. Aber die vielen geknüpften Freundschaften und der Wille etwas zu verändern blieben. Eine von den Frauen, Alex, die ich mal auf einer Asamblea kennengelernt habe, ist in Frankfurt in einer Antifa-Gruppe. Bis dahin bestand mein Bild von der Antifa aus schwarzen Hoodies und grölenden Steineschmeißern. Ein Buch, das sie mir gab, über die Geschichte der Antifa änderte mein Bild ziemlich schnell: Echt beeindruckende Bewegung mit ´ner richtig langen Geschichte. So etliche Gedanken finde ich durchaus sinnvoll. Alex lud mich zu einem Treffen von ihnen ein. Also packte ich Jo ein und wir fuhren wieder nach Frankfurt. Diesmal zu einem Plenum. Ganz schön was passiert in letzter Zeit. Vor drei Monaten war ich noch nicht mal auf einer Demo und jetzt sitze ich auf einem Antifa-Plenum. Jo und ich waren ganz schön überrascht, dass die nicht nur schwarze Hoodies tragen, sondern auch total ernst diskutieren und sich mit gesellschaftlichen Problemen beschäftigen. Konsens bei allen Themen war aber immer, dass es eine grundsätzliche Veränderung der Gesellschaft geben muss. Von nicht reformierbaren Problemen war dauernd die Rede. Jetzt war ich erst richtig verwirrt. Vor ein paar Monaten forderte ich noch klare Sachen von der Politik und die Leute hier fordern gar nichts – nur die Revolution. Ich stimme denen ja zu, dass die Krise nicht durch irgendwelche Reformen verschwindet, aber manche Probleme könnten wir doch versuchen durch Gesetzesänderungen hier und jetzt zu lösen. Fragen über Fragen. Dauernd werden mir Bücher empfohlen. „Lies mal das und das. Das ist voll gut. Da wird dir einiges klar werden“. Eigentlich wollte ich jetzt und hier etwas ändern, aktiv werden und nicht erst ein halbes Philosophiestudium absolvieren. Hier beim Plenum heißt es dann immer, Theorie und Praxis müssen Hand in Hand gehen. Manche von denen sehe ich dann wiederum nur auf den Treffen schlauen Sachen sagen. Wenn wir irgendwelche Aktionen machen sind sie aber nie dabei. Andere wollen dauernd irgendein Transpi malen und würden am liebsten den ganzen Tag ´ne Demo machen. Bei all den Fragen, erscheint es mir dann doch sinnvoll wirklich erst mal ein wenig zu lesen. Und im Café ExZess habe ich dann eure Zeitung gefunden. Dort gab es leider nur 2 Ausgaben #3 und #6, könnt ihr mir die restlichen schicken? Und was denkt ihr über diese nervige Krise? Wie organisiert ihr euch? Stellt ihr euch ähnlich Fragen über Reform oder Revolution? Und wie praktisch ist eure Theorie oder wie theoretisch eure Praxis? Ich würde mich über ´ne Antwort sehr freuen.

Viele Grüße
Robin
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Ergänzungen

DANKE!

... 29.05.2012 - 18:55
Schön das es die Ausgabe nun als Pdf hier auf Indy gibt!
Da blogsport ja zur Zeit meistens nicht funktioniert, war/ist leider auch die SaZ-Seite und damit auch die Ausgabe nicht digital verfügbar... :/

Im Netz könnt ihr "Straßen aus Zucker" alternativ hier erreichen:

 http://twitter.com/saz_crew
 http://www.facebook.com/strassenzucker

Interview mit Robert Stadlober

Roberta S. 29.05.2012 - 19:14
In der SaZ #6 gab es ein sehr nettes Interview mit Robert Stadlober:

"Was ist da bei Ihnen durchgebrannt, Herr Stadlober?" (BILD-Zeitung vom 12.6.11)
Der aus den Filmen "Sonnenallee", "Sommersturm" und "Crazy" bekannte Schauspieler geriet diesen Sommer als „Sympathisant“ von „Autozündlern“ in die Schlagzeilen. Er war in einer Antifa-Gruppe, findet Deutschland nicht so gut und hat den Hamburger Kommunisten Thomas Ebermann zum Vorbild. Dass damit eine Menge Leute Probleme haben ist klar – wir nicht! Deswegen haben wir ihn an einem regenfreien Tag zum Bier trinken getroffen.

SaZ: Du hast ein Interview für das Berliner Stadtmagazin ZITTY gemacht, das noch mal Bezug auf deinen viel zitierten Satz aus der ARD-Talk-Show „3 nach 9“ vom 12. Juni nimmt: „Solange in Hoyerswerda keine Asylantenheime brennen, sind mir brennende Autos relativ egal.“

Robert Stadlober: Ich wurde ja zum Staatsfeind Nummer 1 erklärt und das war noch so ein letzter Nachschlag. Das war auch kein wirkliches Interview in der ZITTY, sondern ein Text, den ich geschrieben habe. Nach der Talkshow wollte ich einfach ein paar Sachen klarstellen. Vor allem nachdem mir BILD-Zeitungsleser Morddrohungen und ähnliches geschickt hatten.

SaZ: Was waren das für Drohungen?

Robert Stadlober: Naja, sowas wie: „Wenn ich wüsste wo dein Auto steht, dann würde ich dich dran binden und es anzünden!“. Oder: „Leute wie du gehören aus der Gesellschaft ausgeschlossen!“. Das krasseste war dann in Braunschweig vor dem Stadttheater. Als ich das verlasse, kommen
 drei Typen an, die meinten: „Ey man, bisher fand ich dich echt gut, aber 
pass mal auf, damit schmeißt du echt deine Karriere weg.“ Darauf ich: „Hä, so schlimm war's doch gar nicht!“. Und dann sie: „Doch man, damit hast du jeden einzelnen Deutschen beleidigt!".
Ich nehme meinen Satz allerdings nicht zurück. Vielleicht war er ein bisschen hitzig, aber an dem Abend in dieser Talkshow hatte ich einfach keine Lust mit diesen Berufsaufregern verständnisvoll zu diskutieren. Was mich im Nachhinein sehr verwundert hat, war die Tragweite des Ganzen. Dass sich Leute in solch einem Maße über mein Aussage aufregen, anstatt über die Zustände in unserer Gesellschaft. Der momentane Diskurs um soziale Probleme geht ja im Augenblick nur in eine Richtung und die Schwierigkeiten der Leute gehen dabei leider vollkommen unter. Ich habe halt das Gefühl, dass bestimmte Stimmen in diesem Diskurs absichtlich nicht gehört werden. Und der ein oder andere fängt dann halt an, Autos anzuzünden. Natürlich sind solche Aktionen nicht die Lösung des Problems und führen leider auch in den seltensten Fällen dazu, dass man sich mehr Gehör verschafft.

SaZ: Ganz schön krass ist auch, dass öffentliche Stellungnahmen fehlten, die dich unterstützten. Wir fanden es lustig und gut was du gesagt hast!

Robert Stadlober: Naja, Christiane Rösinger, die Solomusikerin und Mitglied der Band 'Britta', hat mich unterstützt, aber auch leider nur auf dem Blog von Fm4, das haben also nur Österreicher gelesen. Und in der letzten KONKRET gab es ein Protokoll meines Gespräches bei 3 nach 9 mit Kommentar.

SaZ: So, jetzt aber mal zu deinem Beruf. Du bist sicher oft auf Filmevents, laufen da viele Idiot_innen rum?

Robert Stadlober: Kommt sehr auf den Film oder das Event an. Zum Glück gibt es aber einige, die nicht total gehirnamputiert sind. Viele sind durchaus reflektiert, ich will jetzt keine Namen nennen. Wie weit jemand sich öffentlich zu seiner politischen Haltung bekennt, sollte jedem selbst überlassen sein. Es gibt aber genug Leute wie mich, die eigentlich ein vollkommen anderes Leben führen, außerhalb von diesem komischen Promizirkus. Die mischen natürlich darin mit, haben aber durchaus eine eigene Meinung. Die vertreten sie dann nicht unbedingt ständig in der Öffentlichkeit. Meistens ist es so, dass ich mich bei den Events dann mit ein paar Leuten, die ich schon kenne, in irgendeine Ecke verziehe und das Buffet plündere. Yeah, umsonst Getränke!

SaZ: Glaubst du, dass mit Filmen etwas politisch verändert werden kann?

Robert Stadlober: Ich glaube, dass mit Filmen Leute schon anders erreicht werden als mit anderen Medien, also auf einer viel emotionaleren Ebene.
Aber natürlich ist Filme machen immer ein Kompromiss. Weil, ganz klar: Es ist eine auf ein Publikum gerichtete Kulturform. Du musst daher immer für dich selber abwägen, wie weit du gehen kannst und ab welchem Punkt es dann nicht mehr tragbar ist. Da gibt's gerade als Schauspieler auch oft Momente, wo man Ausrutscher hat, weil man schwer einschätzen konnte, wie das Projekt dann wirklich wirkt. Das liegt daran, dass man oft den Leuten, die im Endeffekt darüber zu bestimmen haben, wie der Film wird, auf gewisse Art ausgeliefert ist. Es gibt aber auch genug Leute, auch in meinem Alter, die sehr gern populäre Filme machen und die ich überhaupt nicht verurteile. Ich für meinen Teil, versuche halt nur, seit ich angefangen habe Kinofilme zu machen, zumindest ein bisschen anspruchsvoll zu bleiben, ich will keine bloße Popcornunterhaltung!

SaZ: Der neue Lieblingsbegriff in Deutschland ist ja grade Integration. Wir arbeiten gerade auch dazu bzw. dagegen. Wie stehst du zu dem Thema bzw. Begriff?

Robert Stadlober: Also ich weiß einfach nicht, worin sich jemand integrieren soll? Ich glaube nicht, dass es in den letzten 60 Jahren in Deutschland oder sonst wo in Europa jemals eine Gesellschaft gab, die so geschlossen war, dass es irgendetwas gab, in das man sich hätte integrieren können. Darum halte ich 'Integration' für einen ziemlichen Quatschbegriff, an dem die ganze Zeit nur rumgedoktert wird, weil sich kein anderes Wort finden lässt. Es geht doch nur wieder darum jemanden zu finden, den man für unsere Probleme verantwortlich machen kann, statt zu überlegen woher diese Probleme eigentlich kommen. Natürlich kann man schnell mal sagen: Die jungen türkischstämmigen Menschen in Berlin-Neukölln sind schuld, dass unsere Gesellschaft vor die Hunde geht. Da schreien natürlich viele: „Ja, Mann! Ich hab's dir doch schon immer gesagt!“
Nur, dass der, der da ruft, nicht merkt, dass es ihm genauso scheiße geht wie dem in Neukölln, und dass der in Neukölln den deutschen Pass hat – genauso wie seine Mutter und genauso „integraler“ Bestandteil dieses Landes ist, das wird gern übersehen. Eigentlich müssten die ja zusammenstehen, denn uns geht’s allen gleich scheiße.

SaZ: Und warum geht es uns so dreckig?

Robert Stadlober: Naja, dass es uns so dreckig geht, liegt ja recht offensichtlich am Kapitalismus. Leider steht die Revolution aber auch nicht gerade vor der Tür. Mir wär's zwar recht, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob die Kreuzung, an der wir hätten abbiegen müssen, nicht schon weit hinter uns liegt. Also ich glaube nicht dass 'ne Marktwirtschaft an sich fähig ist eine solidarische Gesellschaft zu schaffen. Und ich glaube, dass der Weg auf dem wir uns gerade befinden schwer umkehrbar ist. Es wurde ja durchaus in einigen Ländern versucht, marktwirtschaftlich eine sozial gerechte Gesellschaft zu erreichen. Das ist aber bis jetzt immer grandios gescheitert. Außerdem denke ich nicht, dass es eine tolle soziale Revolution in einem einzigen Staat geben kann und da herrscht dann Milch und Honig. Wenn, dann alles und überall.

SaZ:Im September kommt ja der Papst nach Deutschland...

Robert Stadlober: Ja, da mach ich auch was mit Thomas Ebermann! Der Abend nennt sich: „Papst gefälscht!“. Das ist ein Text nach André Gide und wir lesen das. Das werden wir in Berlin und Leipzig machen, wenn der Papst dann da ist.

SaZ: Danke für das Interview!

Nationalstolz?

ANTIFA 29.05.2012 - 19:33
Kurz vor der kommenden EM nochmal eine kleine Erinnerung an die tollen Kurzinterviews mit vielen linken Musiker_innen und Bands (Sookee, Slime, Bratze, WIZO, Irie Revoltes, Captain Capa,... )zum Thema Deutschland aus der "Straßen aus Zucker" Nummer 3:

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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supi — dupi

Nur.. — mal so..

... — PM

SaZ antideutsch? — antinat

hate hate hate — antifa berlin

wer zahlt sowas und warum? — komisch isset...

Werdet politisch! — Frühaufklärer*in

Lieber "Robin", — Münchhausen

@dingdong — naja