Uni HRO verbietet kritischen Gentechvortrag

Abt. 43 der Uni-Blockwarte, Sektion Rostock 16.05.2012 11:24 Themen: Bildung Biopolitik Repression Ökologie

Am 14.5. sollte abends an der Universität Rostock der Vortrag "Monsanto auf Deutsch - Seilschaften zwischen Behörden, Forschung und Gentechnikkonzernen" laufen. Doch die Universität verbot die Veranstaltung kurzfristig, untersagte auch, dass ein Hinweisschild auf den Ausweichort angebracht werden durfte und stelle einen Wachmann vor die Tür, damit ja niemand doch einen solchen Hinweis aufhängte. Mit dem Verbot zeigt die in Seilschaften und Betrügereien verwickelte Uni Rostock mal wieder, wie sie Wissenschaft interpretiert: Einseitige Indokrination zugunsten zahlungskräftiger Klientel ...

Offizielle Begründung war, dass die Uni keine einseitigen Veranstaltungen dulden würde. Der zwangsverdrängte Referent, Jörg Bergstedt, wies auf die doppelte Widersprüchlichkeit dieser Aussage hin: "Erstens gibt es keine Objektivität - diese Erkenntnis moderner Wissenschaft sollte auch irgendwann mal die Universitätsapparate erreichen, die Wissen nach Geldquellen ausrichten und dann als Wahrheit verkaufen. Wissenschaftlichkeit heißt heute eher, eine Sache aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Insofern ist es unwissenschaftlich, bestimmte Meinungen zu verbieten. Zweitens müssten, wenn einseitige Veranstaltungen nicht zugelassen wären, die Agrarwissenschaften und wahrscheinlich viele weitere Teile der Uni dicht machen. Denn was dort gepredigt würde, sei oft weniger Wissenschaft als Propaganda für Geldgeber."

Von www.rostock-heute.de: „Ein Déjà-vu musste gestern die Grüne Hochschulgruppe (GHG) erleben. Bereits vor zwei Jahren hatte sie zu einem Vortrag des Agrogentechnik-Kritikers Jörg Bergstedt eingeladen. Nun sollte er wieder zum Thema „Monsanto auf Deutsch: Seilschaften in der Gentechnik“ sprechen. Wieder in einem Raum auf dem Universitätscampus in der Ulmenstraße und wieder wurde die Veranstaltung von der Universitätsleitung abgesagt. Allerdings erst wenige Stunden vorher, obwohl der Termin den unteren Ebenen der Universität schon seit drei Wochen bekannt gewesen sein soll, sagt Jan Delph von der GHG. Hatten die Ereignisse vor zwei Jahren noch für Protest sowohl bei den Gentechnik-Gegnern, die der Universität Zensur vorwarfen, als auch bei den Befürwortern, die durch Zwischenrufe während des Vortrags auffielen, gesorgt, blieb er diesmal aus. Gut ein Dutzend Zuhörer fanden sich schließlich im Haus Böll ein, wohin die Veranstaltung ausweichen konnte.“

Presseinfo dazu von der Landtagsfraktion der Grünen im MVP:

Bestürzt und empört reagiert die Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf das erneute Verbot eines gentechnikkritischen Vortrags an der Universität Rostock. Der Vortrag von Jörg Bergstedt, Gentechnikgegner aus Saasen (Hessen), der durch jahrelange Recherche ein profundes Bild über die Verflechtungen der Gentechnikkonzerne Monsanto und BASF mit Forschung, Behörden und Politik verfügt, war gestern nur wenige Stunden vor Beginn der Veranstaltung durch den Rektor der Universität, Prof. Dr. Schareck, untersagt worden. Organisiert wurde die Veranstaltung unter anderem von der Grünen Hochschulgruppe an der Universität.
Die umweltpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Dr. Ursula Karlowski zu den Vorgängen: „Ich finde es empörend, dass eine Universitätsleitung ihren Studenten nicht zutraut, sich angesichts eines informativen Vortrags über die Risiken der so genannten grünen Gentechnik, eine eigene Meinung zu diesem Thema zu bilden. Wissenschaftlicher Nachwuchs kann nur in einem Umfeld gedeihen, das Raum für Aufklärung und Widerspruch lässt. Die Freiheit der Gedanken – Grundlage jeglicher Forschung – ist an der Universität Rostock nicht gewährleistet.“

Hintergrund
Zum wiederholten Mal untersagte gestern die Universität Rostock einen von Studentinnen und Studenten organisierten Vortrag zu den Risiken der so genannten grünen Gentechnik. Bereits im Jahr 2010 war eine Veranstaltung des profilierten Gentechnikgegners Jörg Bergstedt an der Universität Rostock durch diese verboten worden.Auch der Träger des Alternativen Nobelpreises, der kanadische Farmer und Gentechnikkritiker Percy Schmeiser durfte 2009 an der Universität zunächst nicht reden und konnte erst nach öffentlichen Protesten, dann aber nur in einem sehr kleinen Vortragsraum auftreten. Die Universität Hamburg stellte dem international hoch anerkannten Landwirt, der sich mit jahrelangen juristischen Prozessen erfolgreich gegen den US-Gentechkonzern Monsanto gestellt hatte und seither öffentlich vor den Gefahren des veränderten Erbguts in Lebensmitteln warnt, im selben Jahr den größten Vortragsraum der Universität zur Verfügung.
Die Universität Rostock ist Teil eines umfangreichen Geflechts aus öffentlich geförderter Forschung und privatwirtschaftlichen Aktivitäten auf dem Gebiet der so genannten grünen Gentechnik. Eine der Protagonistinnen des Netzwerks ist Frau Prof. Dr. Inge Broer, Inhaberin des Lehrstuhls für Agrobiotechnologie an der Universität Rostock. Frau Prof. Broer hat direkte Verbindungen zur Bayer AG und tritt bei Patentanmeldungen für Genpflanzen gemeinsam mit dem Bayer-Konzern bzw. Firmen, die von Bayer übernommen wurden (Hoechst, Agrevo) auf.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kritisieren in Mecklenburg-Vorpommern seit langem die öffentliche Förderung der Forschung auf dem Gebiet der so genannten grünen Gentechnik und fordern ein Stopp der öffentlichen Zuwendungen, zuletzt im Zusammenhang mit Polizei-Hubschrauberflügen über Versuchsflächen der Universität.


Termine

Spannend dürfte werden, wie die Uni Rostock mit der nächsten kritischen Veranstaltung umgeht. Sie findet statt am Samstag, 9.6., um 19.30 Uhr im Audimax der Uni Rostock (Ulmenstr. 69): Sicherheitsrisiko Gentechnik mit Prof. Susan Bardócz (Trägerin des Stuttgarter Friedenspreises).

Der an der Uni Rostock unerwünschte Vortrag ist zu hören und sehen am Sonntag, 3.6. um 13 und 16 Uhr auf dem Hoffest der Schlossimkerei Tonndorf (südlich Erfurt/Weimar).

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Ergänzungen