[Erfurt] Arbeit!? Ich krieg' die Krise!

sj-ef 02.05.2012 16:02 Themen: Soziale Kämpfe
Wie schon die letzten Jahre begleitete die Sozialistische Jugend - Die Falken den 1.Mai in Erfurt kritisch - diesmal mit mit Flugblättern und Transparent.
"Arbeit? Niemals. Gegen Lohnarbeit und Arbeitsethos!" war auf dem Transparent zu lesen und das dazu veteilte Flugblatt war mit "Arbeit? Ich krieg' die Krise!" betitelt. Während sich die Vertreter_innen von Parteien und Gewerkschaften wie üblich damit begnügten eine "sozial verträglichere" Ausbeutung und quantitativ "bessere" Verwaltung unseres Elends einzuforden, richtete sich die Aktion der Falken explizit gegen die übliche Verklärung und Belobigung von Lohnarbeit und des herrschenden System.




"Arbeit? Ich krieg' die Krise!

Bei Lohnarbeit sind sich alle einig. Da gibt es keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche. Alle wollen sicher gehen, „dass alle etwas von der wachsenden Wirtschaft haben“ (SPD), dass Reichtum „angemessen verteilt“ wird und „Arbeitsplätze geschaffen“ werden (Die LINKE). Sie wollen „soziale Teilhabe und Arbeit“ (Grüne) mit „wirtschaftlicher Vernunft und sozialem Ausgleich“ verbinden (CDU) und fordern: „Arbeitsplätze und den notwendigen sozialen Ausgleich“ (FDP) oder „eine starke Wirtschaft, eine gerechte Arbeitswelt und soziale Teilhabe“ (CSU). Bei der NPD steht die „Arbeit“ sogar noch vor „Familie“ und „Vaterland“.

Egal wo und in welchem Zusammenhang sie uns begegnet, nichts scheint wichtiger als Arbeit. Wir werden mit Arbeitslosenquoten und Wachstumsprognosen torpediert und bei jedem noch so irrsinnigen und ökologisch desaströsen Projekt gilt der Umstand, dass dort zumindest kurzfristig Arbeitsplätze entstehen könnten als unumstößliche Rechtfertigung. Vor allem im Dienstleistungsbereich werden ständig neue Jobs quasi erfunden und Arbeitslose werden vom Staat zwangsverpflichtet, für ihre Sozialleistungen die sogenannten Ein-Euro-Jobs anzunehmen, damit „die auch mal was dafür tun“. Was und wozu ist egal, Hauptsache niemand kommt auf die Idee, ohne Anstrengung ein angenehmes Leben führen zu können (wovon Hartz IV sowieso meilenweit entfernt ist).

Warum eigentlich? Eigentlich ist der Rückgang des Angebots an Arbeitsplätzen ja ein gutes Zeichen: Es bedeutet, dass die Produktivität der Gesellschaft steigt und deswegen immer weniger Menschen für den gleichen Lebensstandard Kraft und Energie aufbringen müssen. Aber was in dieser Gesellschaft das Leben zu verbessern und zu erleichtern droht, muss einen riesigen Rattenschwanz hinter sich herziehen. Dass wir mit weniger Arbeit mehr Dinge herstellen können scheint kein Argument dafür zu sein, weniger zu arbeiten.
Denn gearbeitet im Kapitalismus wird nicht um nützliche Dinge herzustellen und menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. Bedürfnisse befriedigen sollen die Dinge nur deshalb, damit sie verkauft werden können. Hergestellt werden Waren, um aus dem für ihre Produktion vorgeschossenen Geld mehr Geld zu machen. Wer das nicht glaubt kann die Probe ohne Probleme selbst machen: Denn dass Hunger ist kein Argument dafür ist, Essen herzustellen offenbart sich spätestens wenn man zwar Hunger, aber kein Geld hat. Nicht den Hunger soll die Ware Brot im Laden stillen, sondern den in ihr enthaltenen Mehrwert durch Verkauf als Profit fürs Kapital realisieren. Der Hunger der Käufer*innen ist dazu nur notwendige Voraussetzung.

Und das hat auch Konsequenzen für die Arbeit: Wir arbeiten nicht alle gemeinsam und nur so lange wie nötig um nützliche Dinge für alle herzustellen und so unsere Bedürfnisse befriedigen zu können, sondern sind gezwungen zu arbeiten. Denn obwohl wir ein freies Vertragsverhältnis mit unseren Arbeitgeber*innen eingehen, haben wir nichts anderes, das wir verkaufen können um unser Leben zu finanzieren, als unsere Arbeitskraft. Weil wir über die Mittel zur Produktion der Dinge die wir brauchen um zu leben nicht verfügen, sind wir gezwungen unsere Arbeitskraft verkaufen. Das staatlich garantierte Privateigentum an Produktionsmitteln, verhindert, dass wir, obwohl Produzent*innen des Reichtums, frei auf diesen zugreifen können. Und das ist kein Unrecht, sondern das Recht dieser Gesellschaft: Denn was wir während unserer Arbeitszeit (also verkaufte Lebenszeit und -kraft) produzieren gehört rechtmäßig nicht uns, sondern dem Kapital. Es hat unsere Arbeitskraft rechtmäßiger Weise erworben und so gehören ihm auch die Früchte ihrer Arbeit. Und so steht hinter dem freiwillig eingegangenen Vertrag nicht nur der Zwang einen Vertrag einzugehen um überleben zu können, der Verkauf unserer Arbeitskraft zementiert zugleich unsere Arbeit: Was wir gesellschaftlich produzieren sind keine nützlichen Dinge für uns alle, sondern Mittel zum Zweck des Kapitals sich zu vermehren. Deswegen sorgt die neue Maschine nicht dafür, dass wir weniger arbeiten müssen und es uns trotzdem gut geht, sondern dafür, dass wir unsere Arbeitskraft nicht mehr verkauft bekommen.

Wie die einzelnen Unternehmen gezwungen sind auf dem Markt zu konkurrieren, anstatt gemeinsam zu produzieren, sind auch wir gezwungen uns untereinander als Konkurrent*innen aufzuführen: In dieser Gesellschaft heißt es jeder gegen jeden, den Job den Du bekommst, kann ich nicht mehr bekommen und umgekehrt. Der Mensch ist nicht „einfach von Natur aus egoistisch“, wie das beliebteste Totschlag'argument' der Skeptiker*innen und Arbeitsfetischist*innen behauptet. Der Egoismus ist nicht die Ursache für die Konkurrenz, sondern seine Folge: Wenn jede*r durch das Privateigentum vom Reichtum der Welt ausgeschlossen und gegen die Anderen gestellt ist, ist es auch nur konsequent bloß auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein. In einer Gesellschaft, in welcher gemeinsam alle für alle nützliche Dinge statt Waren produzieren, um Bedürfnisse zu befrieden statt Kapital zu vermehren, sind Egoismus und Gemeinnutz keine Gegensätze mehr, sondern die Verwirklichung der Interessen der Einzelnen die Bedingung für die Verwirklichung der Interessen aller und umgekehrt.

Zu fordern, man dürfe nicht „arm trotz Arbeit“ sein und deswegen einen gesetzlichen Mindestlohn einführen ist zwar eine nette Geste und würde bei tatsächlicher Umsetzung vielleicht durchaus einigen Menschen helfen, ändert aber nichts an den Verhältnissen, die solche Forderungen erst nötig machen. Arm sind wir im Kapitalismus nie trotz Arbeit, sondern wegen ihr. Weil wir für unsere Arbeitskraft bloß deren Wert erhalten, eben das was es braucht um sie wiederherzustellen, kommen wir zu nichts in dieser Gesellschaft und müssen uns buchstäblich alles vom Munde absparen. Ein bisschen Umverteilung setzt dem System der endlosen Geldvermehrung und Profitorientierung unter den Bedingungen knallharter Konkurrenz und Selektion der Menschen nichts entgegen. So ohnmächtig der*die Einzelne heute auch notgedrungen ist, gibt es doch nur gemeinsam eine Perspektive zur Überwindung dieser Zustände, zur Überwindung des Kapitalismus. Also organisiert euch in Betriebs- und Schülergruppen, Lese- und Bildungszirkeln oder z.B. bei der Sozialistischen Jugend.
Für eine Assoziation der Freien und eine Gemeinschaft Aller ohne Zwang!"
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