Propagandaplakate in Kairo

Wladek Flakin (RIO) 09.04.2012 00:09 Themen: Militarismus Weltweit
Überall in Kairo gibt es diese Plakate. Vor hellblauem Hintergrund hält ein Soldat ein Baby. Darunter wird auf Arabisch behauptet: "Die Armee und das Volk bilden eine Hand."
An Fassaden und öffentlichen Bussen ist das Motiv leicht zu übersehen. Es geht im Chaos der ägyptischen Metropole unter und muss mit Millionen weiterer Plakate um Aufmerksamkeit konkurrieren, die Gesichter der Präsidentschaftskandidaten zeigen. Auffällig sind der Soldat und das Baby jedoch an den gepanzerten Fahrzeugen, mit denen das Militär Kairo fest im Griff hat. Wahrscheinlich sind die Maschinengewehre auf den Kreuzungen der Stadt nicht gegen den Nachbarstaat gerichtet.

Die PR-Aktion wurde vor etwa einem Monat aufgelegt, als zum Generalstreik gegen die Militärregierung aufgerufen worden war. (Dieser Streik kam nicht zu Stande.) Was ist ihre Aussage? Versteht das Militär die Bevölkerung als Baby, unmündig und hilflos? Und warum trägt der Soldat volle Kampfmontur, Helm und kugelsichere Weste? Ist er in Angst vor einem Aufstand der Babys?

Hintergrund der dilettantischen Aktion ist das schlechte Ansehen des Militärs. So zahlreich wie die Plakate sind "No SCAF!"-Graffiti an den Wänden. Sie richten sich gegen den Obersten Rat der Streitkräfte, der nach dem Sturz von Mubarak die Macht übernahm. Mit Parolen der Freundlichkeit versucht das Militär im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen, die Ende Mai beginnen, Privilegien und wirtschaftliche Macht zu schützen. Ob die Generäle einen eigenen Kandidaten aufstellen oder mit der Partei der Muslimbrüder paktieren werden, wissen sie wohl selbst noch nicht.

Tagtäglich wird über die Gefahr eines Militärputsches diskutiert. Da will das Militär beruhigend wirken: "Nimm deine Nuckelflasche, Volk, wir kümmern uns." Doch während die fast 500.000 Wehrdienstleistenden relativ hohes Ansehen genießen, gelten die Generäle als Diktatoren und Usurpatoren der Revolution. Daran werden auch Babyplakate nichts ändern.

von Wladek Flakin, Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO),  http://www.klassegegenklasse.org
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Ergänzungen

Unbeholfene Handreichungen

KACKERMACKE 10.04.2012 - 09:26
Es geht wohl eher darum dass Ägypten ein sehr überjüngtes Land ist, und ein äusserst patriarchalisches dazu. Gerade erst wurde damit begonnen die Gerontokratie abzubauen. Wehrpflichtige und Berufssöldner stehen unter Druck von ihren Gattinen, die am eigenen Leib erleben müssen dass durch dieses Geschehen für ihre Geschlechtsgenossinnen auf der anderen Seite der Barrikade mehr Freiheit entsteht. Weil die Armee sich dem Volk nicht erklären kann, denn dann müsste sie ja einräumen längst abgedankt haben zu müssen, versucht sie an die innere Führung zu appellieren - die Soldaten möchten ihren Gattinnen lieber mehr bei der Hausarbeit helfen anstatt sich von plakativen Anspielungen angesprochen zu zeigen. All denen die den Sturz des Regimes wollen geht diese Propaganda natürlich völlig am Volk vorbei und der Grund dafür ist dass das Kind auf dem Bild offenbar der Storch gebracht hat, wie die photographische Froschperspektive himmelwärts suggeriert. Bemerkenswert ist dass darin die Soldatengattinnen überhaupt nicht vorkommen, obwohl sie doch diejenigen sind denen sie nutzen soll. Diese gezielte Ignoranz der Freiheit des Herzens ist die eigentliche Botschaft der Armee an das Volk.

Interpretationen

Fabian 30.04.2012 - 14:52
Wer sagt denn dass das Kind vom Soldaten ist (und deshalb eine Soldaten-Frau benötigt) ?

Ich denke das Bild ist symbolisch zu verstehen dass die Zukunft des Landes und dementsprechend der Freiheit dass dort die Kinder in Frieden aufwachsen können, in den Händen einer regulären Armee liegt, die es verteidigt.

Dass also nicht dafür geworben wird, sondern daran erinnert werden soll, dass die Bevölkerung und die Armee miteinander verbunden ist. Das Volk also hinter der Regierung und den legalen Institutionen wie die der Armee steht.

Das Baby ist sicher auch eine Metapher dafür dass viele Kinder ohne Eltern aufwachsen müssen und die Verantwortung der Armee sich um die Bevölkerung zu kümmern sich sinngemäß auch um diese Kinder kümmert.


Kann man viel rein interpretieren.
Ich erkenne in diesen Plakaten keine Propaganda!
(Denn die Behauptung dass die Armee dafür ausgebildet wurde das Land und damit das Volk, denn wie wir wissen ist ein Staat nur so lange soverän wie er ein Staatsvolk vorweisen kann, zu beschützen, glaube ich, ist wahrheitsgemäß und nicht erfunden. Demnach ist es keine Propaganda sondern eine Aufklärung, Informationsweitergabe, vielleicht auch ein Stück Werbung aber unabhängig wie man dazu steht, Propaganda ist es nicht!)

Ich will auch nicht den Menschen die diese Plakate was in den Mund legen, da ich sie nicht persönlich kenne und keine Erfahrung mit dem Leben in Kairo habe. Auch möchte ich mir nicht erdreisten selbst heraus zu finden wen diese Plakate wie ansprechen sollen, da ich es nicht weiß!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Übrigens... — Wladek Flakin (RIO)