OL: »leeranstalt« geräumt

[regentied] 06.04.2012 20:46 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Am gest­ri­gen Don­ners­tag Abend wurde die ehe­ma­li­ge Grund­schu­le in der Ek­kard­stra­ße, un­weit des Os­tern­bur­ger Mark­tes, kurzzeitig be­setzt. Ein »Kol­lek­tiv jun­ger Men­schen, die nicht län­ger über die Hälf­te ihrer Ein­künf­te für ein meist viel zu klei­nes Zim­mer aus­ge­ben wol­len« waren in das seit 2009 leer­ste­hen­de Haus ein­ge­zo­gen, um »einen Wohn­raum (zu) er­kämp­fen, in dem (sie) zen­tral woh­nen und so­li­da­risch mit­ein­an­der Leben or­ga­ni­sie­ren kön­nen«.
We­ni­ge Stun­den spä­ter folg­te aber das jähe und zu­min­dest vor­über­ge­hen­de Ende die­ser Wohn­raum­be­schaf­fungs­maß­nah­me. Nach­dem die Ol­den­bur­ger Stadt­ver­wal­tung An­zei­ge wegen »Haus­frie­dens­bruchs« er­stat­tet hatte, zog die Po­li­zei al­ler­lei Kräf­te zu­sam­men, sperr­te die Be­rei­che rund um das Ge­bäu­de für (rund 50) Un­ter­stüt­ze­rIn­nen ab und räum­te gegen halb Zehn unter fleis­si­ger Amts­hil­fe der be­nach­bar­ten Feu­er­wehr die neue »Leer­an­stalt«. Sechs Be­set­ze­rIn­nen wur­den vor­läu­fig fest­ge­nom­men, ei­ni­ge Stun­den ein­ge­knas­tet und nach einer ED-​Be­hand­lung wie­der ent­las­sen.
Dass die Stadt als Ei­gen­tü­me­rin der Im­mo­bi­lie trotz des aku­ten Woh­nungs­man­gels in Ol­den­burg auf diese Wohn­raum­be­schaf­fung mit einer An­zei­ge wegen »Haus­frie­dens­bruchs« re­agier­te und damit die po­li­zei­li­che Räu­mung zu ver­ant­wor­ten hat, ist schon be­zeich­nend. An­statt als »Leer­an­stalt« einem guten Dut­zend jun­ger Men­schen be­zahl­ba­ren Wohn­raum zu ver­schaf­fen, plan­te die Stadt zu­nächst den Abriß des be­wohn­ba­ren Ge­bäu­des. In­zwi­schen be­ab­sich­tigt sie laut NWZ das Haus in einem Wett­be­werbs­ver­fah­ren auf den Markt zu brin­gen – womit es dann wohl an ir­gend­ein fi­nanz­kräf­ti­ges Yup­pie­pär­chen ver­scher­belt wer­den würde. Da er­scheint eine Nut­zung durch das »Kol­lek­tiv Leer­an­stalt« um Ei­ni­ges sinn­vol­ler.
Hier nun noch das Flug­blatt des »Kol­lek­tiv Leer­an­stalt« zur Be­set­zung in vol­ler Länge: »Liebe Nach­bar_In­nen, …am Don­ners­tag Abend (05.​04.​12) wurde die leer ste­hen­de Drielaker Grund­schu­le in der Ek­kard­stra­ße von uns be­setzt. Wir wol­len nicht ak­zep­tie­ren, dass bei der ge­ge­be­nen Woh­nungs­not in Ol­den­burg Ge­bäu­de wei­ter nicht ge­nutzt wer­den und ver­fal­len. Die Stadt, als Ei­gen­tü­mer, trägt in die­sem Fall be­son­de­re Ver­ant­wor­tung. Wir wol­len in die­sem Haus ein Wohn­pro­jekt für junge und jung ge­blie­be­ne Men­schen, ab­seits von wirt­schaft­li­chen und an­de­ren ge­sell­schaft­li­chen Zwän­gen, ent­ste­hen las­sen.
Kün­di­gung wegen Auf­wer­tung der Im­mo­bi­lie, iso­lier­tes woh­nen am Stadt­rand, lan­ges war­ten auf eine So­zi­al­woh­nung, das sind all­täg­li­che Pro­ble­me mit denen viele junge Men­schen in un­se­rer ach so schö­nen Stadt zu kämp­fen haben. Meh­re­re tau­send re­gis­trier­te Woh­nungs­su­chen­de bei der GSG und eine Leer­stands­quo­te für Wohn­raum von unter einem Pro­zent in Ol­den­burg spre­chen für sich. Stei­gen­de En­er­gie und an­de­re Le­bens­hal­tungs­kos­ten tun ihr üb­ri­ges.
Wir sind ein Kol­lek­tiv jun­ger Men­schen, die nicht län­ger über die Hälf­te ihrer Ein­künf­te für ein meist viel zu klei­nes Zim­mer aus­ge­ben wol­len. Wir möch­ten unser Leben selbst ver­wal­ten und die Res­sour­cen, die uns zur Ver­fü­gung ste­hen ge­mein­sam nut­zen. Wir sind uns un­se­rer Ver­ant­wor­tung, wel­che aus der be­son­de­ren Lage (Grund­schu­le, Kin­der­gar­ten etc.) re­sul­tiert be­wusst, und wol­len ein ak­ti­ver Teil un­se­rer Nach­bar­schaft wer­den. Um die­ses zu er­rei­chen laden wir sie zu einem le­ben­di­gen und dau­er­haf­tem Dia­log ein. Wir laden Sie hier­zu herz­lich zu einer Be­sich­ti­gung der Räum­lich­kei­ten und einem an­schlie­ßen­den Zu­sam­men­kom­men am Sonn­tag zwi­schen 15 und 18 Uhr ein. Au­ßer­dem kön­nen sie uns unter 0152/56196715 er­rei­chen.
„Urban, mo­dern und sexy“ soll Ol­den­burg nur für die­je­ni­gen sein, die es sich leis­ten kön­nen. Dem wol­len wir etwas ent­ge­gen­set­zen. Statt einer wei­te­ren Yup­pie-​Bou­tique, einem Zeit­ar­beits­bü­ro oder so „er­folg­rei­chen“ Pro­jek­ten wie den Schloss­hö­fen wol­len wir ei­ner­seits nicht-​kom­mer­zi­el­ler Kul­tur einen Ort geben, sei es ein be­zahl­ba­res Kino, Kon­zer­te, ein­fach einen war­men Ort zum Rum­sit­zen, ohne den Zwang sich jede halbe Stun­de einen sau­teu­ren Café Latte zu be­stel­len. An­de­rer­seits wol­len wir aber auch of­fe­ne Werk­stät­ten oder so­zia­le Zen­tren, in dem Selbst­or­ga­ni­sie­rung von unten statt­fin­den kann, schaf­fen. Vor allem wol­len wir aber einen Wohn­raum er­kämp­fen, in dem wir zen­tral woh­nen und so­li­da­risch mit­ein­an­der Leben or­ga­ni­sie­ren kön­nen.
Wir for­dern die Stadt auf von einer Räu­mung ab­zu­se­hen und uns so­wohl die Nut­zung des Hau­ses als auch die des Strom-​ und Was­ser­an­schlus­ses mög­lich zu ma­chen.
Wenn Woh­nungs­not ein Pro­blem ist, dann ist Leer­stand ein No-Go.
Mit freund­li­chen Grü­ßen Kol­lek­tiv Leer­an­stalt« ( http://leeranstalt.blogsport.de/)
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