Der Syndagma Selbstmord

Iaourti Iaourtaki 05.04.2012 18:02 Themen: Blogwire Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Ein politischer Selbstmord auf dem Syndagmaplatz in Athen löst Diskussionen über die Selbstmordwelle in Griechenland aus, führt zu Protesten und Zusammenstössen, während Politiker und Medien versuchen die Aktion zu depolitisieren.
Dimitris Christoulas, 77 Jahre alt, ist derzeit der bekannteste griechische "Selbstmörder", selbst der orthodoxe Pope, für den Selbstmord eine Sünde sein müßte, fand sich am Ort des Geschehens ein. Dimitris hatte seine Apotheke 1994 verkauft und lebte von der Rente, für die er 35 Jahre lang brav eingezahlt hatte und die ihm durch den Terror der Sparmaßnahmen derartig zusammen gekürzt wurde, daß ihm sein Leben kein Leben mehr war, wie so vielen anderen Menschen in Griechenland auch. Noch vor ein paar Jahren ging kaum jemand zum Arbeitsamt, aus Stolz und weil die Familie den griechischen Sozialstaat ersetzte. Doch wenn dann alle in der Familie arbeitslos sind und schnell auch kein Geld mehr vom Staat bekommen, wie sollen da die Eltern und Großeltern etwas auffangen, wenn auch ihre Renten und Pensionen bis zu 50% zusammen gestrichen werden, ganz zu schweigen von Märchensteuererhöhungen und anderen Schweinereien wie Immobilienkopfsteuern.
Seinen Kinder wollte er nicht "zur Last fallen", schreibt er in seinem Abschiedsbrief und natürlich übersetzt die deutschsprachige Schweinepresse, er hätte "Schulden" gehabt und mit keinem Wort erwähnt sie seinen indirekten Aufruf zum bewaffneten Aufstand.
Laut eines Kommentars auf Indymedia Athen - der das allerdings auch nur erwähnt, weil ein paar Faschisten zwischen den Trauernden am Syndagma rum schlichen und versuchten aus seinem Tod Profit zu schlagen - war Dimitris Christoulas ein Linker im weitesten Sinne, bekannt in fortschrittlichen Projekten und er hatte keine Distanz zu linken radikalen Bewegungen, mit anderen Worten ein weiterer Genosse wurde in Griechenland ermordet, denn, wenn man in den Selbstmord getrieben wird, ist das frei nach Ulrike Meinhof genauso Mord. Es ist Mord wie die unzähligen Arbeitsunfälle, die nur deshalb passieren, weil gierige Arbeit"geber" einfach den Hals nicht voll bekommen, es ist Mord wie das langsame Dahinsiechen und elendige Verrecken von Stella Antoniou oder Savvas Xiros in der Hölle von Koridallos oder all den anderen demokratischen Luxusknästen der griechischen Junta und es ist Mord wie die Unmengen an ständigen Selbstmorden und Selbstverbrennungen in Griechenland und Italien, die ausgelöst werden durch mitleidlosem Politiker- und Technokratenabschaum oder wie es Russia Today treffend formulierte: "...und immer noch sind es die griechischen Politiker, die europaweit die höchsten Diäten kassieren!"

Der Abschiedsbrief, den er bei sich trug und seiner Tochter schickte:

"Die Tsolakoglou* Besatzungsregierung hat meine Fähigkeit, mit einer lebenswerten Rente, für die ich bereits seit 35 Jahren ohne jedwede staatliche Zuschüsse eingezahlt hatte, überleben zu können, sprichwörtlich ausgelöscht.

Ich bin in einem Alter, daß mich davon abhält mit einem persönlichen Ausraster zu reagieren - ohne allerdings auszuschliessen, daß ich die zweite Person gewesen wäre, die zur Kalaschnikow gegriffen hätte, hätte eine erste sich dafür entschieden - ich finde keine andere Lösung als einen würdevollen Tod, bevor ich anfangen muß, in den Mülleimern zu fischen, um meine Ernährung sicherzustellen.

Eines Tages, darauf vertraue ich, wird die perspektivlose Jugend zu den Waffen greifen und die Verräter unseres Landes auf dem Platz der Verfassung (Syndagma) (kopfüber) aufhängen, genauso wie die Italiener es mit Mussolini 1945 auf der Piazzale Loreto in Mailand taten."

–Dimitris Christoulas, Syndagma, Athen, 4. April 2012

Er erschoß sich mit einem Kopfschuß auf einer Rasenfläche in der Nähe der Treppen zum U-Bahn Eingang, aber weit genug von Passanten entfernt, hinter einem stämmigen Baum, um niemand in Gefahr zu bringen und nicht dabei gesehen zu werden, um nicht seine Mitmenschen zu belasten.
Letzte gerufene Worte, wie lanciert, sind nicht bestätigt.
Mindestens 7000 Menschen kamen im Laufe des Abends zusammen und es gab eine Motorraddemo, allerdings waren wesentlich mehr Leute vor Ort, die kurz vorbei schauten, um ihre Trauer zu bekunden und dann beklemmt weiter ihrer Dinge nach gingen.
Natürlich rollten zuerst die Krokodilstränen der politischen Klasse, dann übergab man die Verantwortung für seine Aktion dreist dem griechischem Volk, das einfach noch nicht genug gespart habe und inzwischen versuchen Sender und Politiker Dimitris mit Dreck zu beschmeissen, seine Aktion zu depolitisieren und logischerweise lernen die MAT-Schergen der Troikaner und ihrer Kollaborateure auch nicht dazu und griffen die Trauernden instinktlos und feindlich mit brutaler Polizeigewalt an, bis dann schliesslich im Laufe des Abends die Auseinandersetzungen durch die Hetzjagden über den Platz bis zu gelegentlichem Molotoweinsatz eskalierten - die Schweine setzten auch wieder ihre Antiterrorgranaten ein, obwohl die eigentlich seit Juni 2011 nicht mehr eingesetzt werden sollten; mindestens 10 Festnahmen!
.
Heute Abend wird wieder auf dem Syndagma demonstriert!



[*Georgios Tsolakoglou war ein griechischer Offizier, der der erste Premierminister der griechischen Kollaborateursregierung während der Besetzung durch die Achsenmächte von 1941-1942 wurde.]

Das Titelfoto ist ein Erinnerungsgedicht einer jungen Frau auf den Marmorplatten am Syndagma.

Fotos, Videos und Updates während der Versammlungen:
 http://translate.google.de/translate?hl=de&ie=UTF8&prev=_t&sl=el&tl=de&u=http://athens.indymedia.org/%3Flang%3Del
Hintergründe und Zahlen zur Selbstmordwelle in Griechenland:
 http://www.protothema.gr/news-in-english/article/?aid=188251
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Ergänzungen

Briefe d. wg. der Marfinmorde Kriminalisierte

.... 05.04.2012 - 18:37

ΣΥΝΤΡΟΦΕ ΑΝΤΙΟ...

-(A)- 06.04.2012 - 07:47
Auf Wiedersehen Genosse...

Hungerstreik, Verletzte, Festgenommene, etc.

update 06.04.2012 - 17:20
Z.z. formieren sich zwei Demos in Athen, 3 Gefangene Mitglieder einer unbenannten Terrorgruppe für ungenannte Aktionen, die seit 16 Monaten ohne Beweise ein sitzen, sind im Hungerstreik - die Justiz versucht mit neuen "Beweisen" die 18 Monate maximale U-Haft Zeit auszudehnen, gestern gab es 20 Festnahmen und erneut Verletzte bei brutalen Bulleneinsätzen, u.a. wieder ein bekannter Journalist...

weiter in Englisch:
 http://www.occupiedlondon.org/blog/2012/04/06/4-imprisoned-anarchist-are-on-hunger-strike-from-today-new-rally-on-syntagma-at-1800-tonight-injuries-and-arrests-from-last-nights-rally/

Schädelbruch von Journalist

Gewerkschaft der Fotojournalisten 06.04.2012 - 20:36
ANNOUNCEMENT – INDICTMENT

FOR THE BRUTAL ATTACK OF THE POLICE FORCES ON OUR COLLEAGUES AND THE INJURY OF THE PRESIDENT OF EFE





Athens

4/5/2012



The Union of Greek Photojournalists denounces the new brutal and unprovoked attack by the special police forces of MAT against colleagues who were covering yesterday’s rally in Syntagma square, as well as today’s demonstration. This time victim was the President of our Union, Marios Lolos, who is already hospitalized “for traumatic brain injury caused by strike with a police baton (skull fracture impressed) requiring surgical intervention”! We want to remind that this is not the first time that the President of EFE is becoming a target, moreover in the same way. In the 15th of December 2010 he was hit from behind on the head by a man of the MAT police forces, while doing his job, and the very next day our union in its announcement drew attention to the Ministers in charge “to follow through their responsibilities, because we are afraid that in the end we shall mourn victims”!



We emphasize the fact that for one more time information of the public becomes a target, despite assurances by the (former) Minister of Protection (?) of the Citizen to EFE’s representatives, in our meeting last July regarding similar incidents, that “the political and physical leadership of EL.AS. (Greek Police) is devoted to the protection of the democratic rights and treats the information vocation with the needed sensitivity and shall make every effort so that it can be exercised freely and unobstructed” (!!) nullifying these assurances.



The systematic and repeated attacks against the press workers, while on duty, that violate even fundamental human rights, can be considered far than random. Even in the most good faith, one could conclude that these attacks are consciously exercised by several circles in order to impose silencing of the free press with the also conscious attempt to terrorize the free press workers.



Moreover we see that there is no development in similar brutal attacks that took place previously, like the one against our colleague journalist Manolis Kypraiou, who suffered permanent disability and we also note that tens of named complaints from our colleagues and our Unions regarding the provocative and brutal behavior of the police forces remain unaddressed (like the one against our colleague Tatiana Bolari) following the usual procedure of archiving any sworn administrative inquiry.



After these incidents our Union will join the rest of the Unions and the Federations in our sector in Greece and abroad, in the effort to preserve the freedom of information and will stand in every way against actions that undermine the foundations of democracy and attempt to return us back into situations and regimes for which our people has heavily paid and will never be repeated in our country.

Video 4.4.12

clashes 06.04.2012 - 20:38

Presselinks

Aganaktizmenoi 07.04.2012 - 20:58
Präsident der Photojournalisten bleibt auf Intensiv:
 http://www.ekathimerini.com/4dcgi/_w_articles_wsite1_1_06/04/2012_436931
Cop wird verdroschen, verliert seine Uniformjacke, sein Handy und Knarrenholster wird in den Baum am Platz der Tragödie gehängt und seine Uniform angesteckt:
 http://www.keeptalkinggreece.com/2012/04/07/athens-protesters-beat-policeman-set-uniform-jacket-alight/#comment-13175
Es regnet antifaschistischen Joghurt und Eier live im Fernsehstudio:
 http://www.keeptalkinggreece.com/2012/04/07/news-anchorman-attacked-with-while-live-on-tv-video/
Werftarbeiter entschuldigen sich bei Bin Laden, daß sie keine Flugzeuge fliegen können, um sie in das Bordell (=Parlament) zu steuern:
 http://www.athensnews.gr/portal/1/54739
Trauerrede der Tochter:
 http://de.euronews.com/2012/04/07/trauerfeier-fuer-den-selbstmoerder-von-athen/

Hintergrundartikel zur Situation v. Migranten

in Griechenland 08.04.2012 - 18:45

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