Mobilisierung zu den Krisenprotesten inBerlin

teilnehmender beobachter 23.03.2012 04:06 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe
In den letzten zwei Wochen hat die Mobilisierung zu den Krisenprotesten gezeigt: Der Druck im Kessel steigt.
Knapp 10 Tage vor dem M31 bewegt sich etwas in Teilen der Bevölkerung. Das will ich an zwei Veranstaltungen zeigen, die in den letzten Tagen zu den Krisenprotesten in Berlin gelaufen sind. Wer, wie der Verfasser dieses Textes, auch schon die Krisenproteste der letzten zwei Jahre als teilnehmender Beobachter verfolgen konnte, sieht einen positiven Trend. Es kommen nicht immer die „üblichen Verdächtigen“ aus der außerparlamentarischen Linken zu den Veranstaltungen, die eigentlich immer schon wissen, es wird sich wieder nichts verändern, auch wenn es anders sein müsste. Das Bewusstsein, es reicht, hat auch Teile der Lohnabhängigen erfasst, die teilweise in Gewerkschaften organisiert sind.


Krieg gegen die Lohnabhängigen

Das zeigte sich am 13.März im Berliner IG-Metallhaus. Der große Saal dieses Gebäudes, war schon lange vor Beginn gut gefüllt. Überwiegend Aktivisti_innen aus betrieblichen Kämpfen. Mensch kennt sich noch von den langen Streiks beispielsweise bei Bosch etc. Als der Kollege aus dem seit Monaten besetzten griechischen Stahlwerk bei Athen seine kurze Ansprache hielt, und erklärte, dass europaweit unter dem Namen Krisenprogramm ein Krieg des Kapitals gegen die Lohnabhängigen geführt wird, hatte er schon die Teilnehmer_innen auf seiner Seite. Er berichtete wie seit Monaten die Versorgung der Familien der Streikenden von Kampfkommissionen, wie die von Arbeiter_innen gebildeten basisdemokratische Räte, genannt werden, organisiert wird.
Wie dieser Krieg aussieht, hat die Journalistin Konstantina Daskalopulous von der linksliberalen griechischen Zeitung Eleftherotypi mit einigen Zahlen verdeutlicht
Die Zahl der Obdachlosen und Kältetoden steigt. Rund 600000 Kinder lebten unter Bedingungen der absoluten Armut. Vor diesem Hintergrund sähen sich viele Eltern gezwungen, ihre Kinder in Heime zu geben. Das einzige was boomt, sind die Suppenküchen. Daskalopulous hat mit Kolleg_innen Eleftherotyp und in Eigenregie weitergeführt, nachdem die Zeitung geschlossen werden sollte. Also, eine Geschichte von kapitalistischem Krieg und Widerstand.
Die Stimmung im Saal verdeutlicht das Auspfeifen des ver.di-Vorstandsmitglied Dierk Hirschel, der Zwischenrufer_innen aus dem Saal meinte disziplinieren zu können und wegen irgendwelcher Protesttage auf den Herbst vertröstete, also wieder mal einen heißen Herbst ankündigt, der nie kommen wird, wenn man sich auf die DGB-Apparate verlässt.

Einen Arbeitskampf bis zu Sieg zu führen

Knapp eine Woche später hatte das Berliner Krisenbündnis in den Festsaal Kreuzberg zur Diskussion über Perspektiven europäischen Widerstands eingeladen. Dort stellte die im Krisenbündnis vertretenen Gruppen Interventionistische Linke (IL) und das kommunistische Umsganze Bündnis ihre Protestagenda vor. Gemeint sind die Aktionstage in Frankfurt/Main Mitte Mai und als Protestauftakt der europäische antikapitalistische Aktionstag M31. Es wurde über die vielen Gemeinsamkeiten und die unterschiedliche Akzentuierung gesprochen und es diskutieren zwei Gewerkschafter mit. Andreas Förster von der Freien Arbeiter_innenunion, die wesentlich mit zu M31 mobilisiert und der verdi-Basisgewerkschafter bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben Georg Heidel. Hierin bestand in mehreren Aspekten nicht nur die neue Qualität dieser Veranstaltung sondern der Mobilisierung zu den Krisenprotesten: die Kämpfe der Lohnabhängigen sind nicht nur per Spiegelstrich mit in die Aufrufe addiert, es sitzen . Aktivist_innen aus verschiedenen Gewerkschaften mit am Tisch und diskutieren. Möglich wurde das, weil sich in den relevanten Teilen der außerparlamentarischen Linken, die zu den Krisenprotesten mobilisieren herumgesprochen hat, dass ohne die Kämpfe der Lohnabhängigen keine grundlegenden antikapitalistischen Veränderungen möglich sind. Bei Teilen auch der DGB-Basis hingegen ist die Bereitschaft gewachsen, auch mit Aktivist_innen der radikalen Linken zu kooperieren. Dadurch sind auf beiden Seiten Abgrenzungsrituale geringer geworden, ein DGB-Linker stört sich nicht mehr an dem Kolleg_innen der FAU sondern begrüßt wie Heidel, dass es unterschiedliche Ansätze gibt. Natürlich sind es bisher vor allem die kampfbereiten, aktivistischen Teile der Lohnabhängigen, die bereit sind, hier zu kooperieren. Die Masse der Unorganisierten spürt sehr wohl, dass die Krise sie auch betrifft, reagiert aber oft mit Sozialchauvinismus, Rassismus etc. Es ist aber, wie der Kollege Heidel richtig erklärte, die Aufgabe der Betriebsaktivist_innen hier die Initiative zu ergreifen, damit es eine antikapitalistische Mobilisierung gibt. Dazu ist es auch nötig, Kämpfe um jede Minute weniger Arbeitszeit und gegen jede Kürzung von Lohn und Intensivierung der Ausbeutung bis zum Sieg durchzukämpfen, wie Förster richtig sagte. Dass diese Worte bei manchen im Publikum auf Kritik und sogar offenes Missfallen stieß, zeigt nur, den Zustand auch einer radikalen Linken, die selber nicht mehr beriet ist, Kämpfe bis zum Sieg zu führen und die, wie Künstlerin Lena Stöhrfaktor sehr gut beschreibt, jede Party in einen Kampf gegen Rechts undsoweiter umdefiniert. „Wenn es nur noch ums Tanzen geht, dann ist es nicht meine Revolution“. Dieser Satz von Lena Stöhrfaktor könnte erweitert werden, wer nicht bereit ist, Alltagskämpfe am Arbeitsplatz, im Jobcenter, an der Schule, an der Uni bis zum Sieg zu führen, wird auch nie eine grundsätzliche Veränderung der Gesellschaft, schon gar nicht eine Revolution bewirken.
Und es sind tatsächlich die für manche als klein und nebensächlich gehaltenen Alltagskämpfe, die in der Geschichte zu großen Umwälzungen führte, mensch denke nur an die Pariser Kommune.
So kam in der Debatte zwischen den Aktivist_innen der außerparlamentarischen Linken und den beiden Gewerkschaftern eine Ebene ins Spiel, die oft bei den Treffen der außerparlamentarischen Linken fehlte. Es geht um gesellschaftliche Kämpfe und nicht nur um Diskursverschiebungen, es geht darum, sich vorbereiteten, den Kampf zu gewinnen und nicht nur Kräfteverhältnisse zu verschieben und es geht darum, dass viele Kämpfe im Alltag darauf vorbereiten, größere gesellschaftliche Kämpfe zu führen und auch zu gewinnen. Es geht darum, ein neues Buch in der Gesichte aufzuschlagen und eine Welt z u gewinnen.
Es geht darum, etwas von dem Bewusstsein wieder heranzuholen, dass in dem Lied Brot und Rosen, gesungen während des Streiks der Textilarbeiterinnen in den USA im Jahr 2012: zum Ausdruck kommt:
„Wenn wir zusammen geh‘n, kommt mit uns ein bessrer Tag.
Die Menschen die sich wehren, wehren aller Menschen Plag.
Zu Ende sei, dass kleine Leute schuften für die Grossen!
Her mit dem ganzen Leben: Brot und Rosen! „
Wenn es um gelingt, etwas von diesen Vertrauen auf die eigene Kraft auch in die Krisenproteste reinzutragen, zunächst in M31, dann ist viel gewonnen. Dann geht es gar nicht in erster Linie um die Zahl der Demonstrant_innen. Natürlich wäre jede Zahl von 5000 plus ein großer Erfolg. Aber es geht auch um die Positionierung in der Auseinandersetzung. Wenn die Debatten zwischen unterschiedlichen Gewerkschafter_innen und Aktivist_innen der außerparlamentarischen Linken auch über den 31.März und den Mai-Protesten hinaus weiter laufen, wenn die europaweite Dimension der Krise und auch der Proteste endlich realisiert wird, sind wir ein Stück weitergekommen.
Wenn am kommenden Donnerstag, den 29.3. in Spanien mit einem Generalstreik auf das europäische Krisendiktat regiert wird, der von der im M31-Prozess involvierten CNT initiiert wurde und wenn in vielen europäischen Ländern dieser Arbeitskampf mit Solidaritätsaktionen unterstützt wird, dann nimmt der europäische Kampf gegen den Kapitalismus Gestalt an.


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Ergänzungen

Solidarität mit dem Generalstreik M29

piquetero 23.03.2012 - 06:44
Alle baskischen Gewerkschaften und immer mehr baskische linke Gruppen und Organisationen rufen zum Generalstreik M29 im Baskenland gegen die sog. Arbeitsmarktreform und Kürzungen auf. Es gibt Vorfeld-Aktionen wie Besetzungen von Arbeitsämtern und ähnlichem.

Das dass Baskenland nicht Spanien ist, zeigte sich schon immer in der Vergangenheit, denn bei Generalstreiks im Baskenland wurde immer richtig gestreikt, d.h. auch die Infrastruktur blockiert, so das über 70% des Landes für 24h lahmgelegt sind.
Spanische Staatsgewerkschaften wählten daher in der Regel in der Vergangenheit gerne einen anderen Tag als die radikaleren baskischen Gewerkschaften, da der spanische Staat immer zur Mäßigung aufruft, ja nicht alles effektiv zu bestreiken um "ein Mindesmaß an Service" zuzulassen, wie die Sprachregelung auch der derzeitigen rechten PP-Regierung ist.

In diesem Jahr hat die anarchistische Gewerkschaft zur Solidarität und Beteiligung beim Generalstreik im Baskenland aufgerufen und will die Streiks auf den spanischen Staat ausweiten.

Auch spanische Staatsgewerkschaften rufen inzwischen überraschend für Solidarität mit dem Generalstreik im Baskenland M29 auf und wollen Streikaktionen auf den spanischen Staat ausweiten.

Infos:  http://de.indymedia.org/2012/03/326948.shtml

Interview Radio Dreieckland zu Generalstreik

--- 23.03.2012 - 07:09
Mit Ralf Streck gabs ein ausführliches Interview zum Generalstreik im Baskenland und in Spanien:  http://www.rdl.de/+index.php?option=com_content&view=article&id=16057:spanienvordemgeneralstreikam29maerz&catid=26:punkt12&Itemid=201

@Fabian

egal. 23.03.2012 - 16:12
Liebe_r Fabian, melde dich doch beim EA und achte bitte darauf, weder hier noch sonstwo öffentlich einsehbar über das zu diskutieren, was dir vorgeworfen wird etc.

Mit solidarischen Grüßen.

im IG-Metall-Haus beschlossene Resolution

gewerkschaftler 23.03.2012 - 16:36

Die Resolution wurde bei einer Enthaltung auf der im Artikel erwähnten VA im Berliner IG-Metallhaus verabschiedet:


Griechenland ist überall !
Die Erpressung Griechenlands zeigt uns, dass die Regierungen in der EU
unter dem Druck der Finanzmärkte und unter Anleitung Deutschlands ein
neues Gesellschaftsmodell durchsetzen. Öffentliche Dienstleistungen
werden radikal eingeschränkt oder ganz abgeschafft; Bildung und
Gesundheit werden zu einem Privileg der Reichen. Das Recht auf eine
menschenwürdige und sichere Existenz werden beseitigt.
Damit einher geht die Einschränkung erkämpfter und verbriefter
demokratischer Rechte von der Tarifautonomie, über das Streikrecht bis
hin zum Recht auf Widerstand.

Die Gewerkschaften in Europa müssen der Durchsetzung dieses Modells
gemeinsamen Widerstand entgegensetzen:
1. Sie müssen sich aus der Falle der Standortkonkurrenz befreien, sich
von der Logik der Profitmaximierung lösen und international gültige
gewerkschaftlich-solidarische Zielsetzungen formulieren
2. Der wichtigste Beitrag zur Solidarität ist Lohn- und Sozialdumping
hier zu bekämpfen und soziale Verbesserungen durchzusetzen
3. Die vielfältigen Formen des Widerstandes und der Selbstorganisation
müssen von den Gewerkschaften europaweit inhaltlich, moralisch und
materiell unterstützt werden
4. Internationale Solidarität und europäischer Widerstand gegen das
Diktat der Finanzmärkte müssen an ganz konkrete Aktionsformen
gekoppelt werden: So könnten z:B in einer öffentlichkeitswirksamen
Aktion, in Südeuropa arbeitslos gemachte Menschen in Deutschland sich
an den Jobcentern demonstrativ arbeitssuchend melden. Der DGB /EGB
müsste die Reisemöglichkeiten und die Öffentlichkeit dafür organisieren
5. Der DGB und die Einzelgewerkschaften beteiligen sich Mitte Mai an
den internationalen Protesten gegen die Diktatur der Finanzmärkte. Sie
entwickeln dabei Formen der internationalen Kooperation unter den
Gewerkschaften

Die Forderungen der griechischen Kollegen und Kolleginnen sind auch
unser Forderungen.
In Anlehnung an die Forderungen der Griechischen Lehrergewerkschaft
OLME sagen wir:
Keine Politik im Sinne der Memoranden von EU, Europäischer Zentralbank
und IWF, stattdessen einen Schuldenaudit / Schuldenmoratorium
Keine neoliberale Politik in Europa ! Der Ausverkauf von Öffentlichen
Eigentum muss gestoppt werden
Massive Besteuerung der Reichen und Superreichen. Keine weiteren
Kürzungen bei Bildung und Gesundheit
Keine Gehalts- und Rentenkürzungen
Keine Entlassungen
Keine Abschaffung des Rechts auf kollektive Verhandlungen



Veranstaltung: 'Demokratie unter Beschuss' im IG Metallhaus am 13.
März 2012

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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