17. März - Antifa-Demo in Buxtehude

In Gedenken an Gustav Schneeclaus 06.03.2012 17:30 Themen: Antifa
Seit der sog. Wende 1990 sind ca. 180 Menschen Todesopfer neonazistischer und rassistischer Gewalt geworden. Der 18. März 1992 wurde dem Kapitän Gustav Schneeclaus zum Verhängnis. Er wurde am Buxtehuder Busbahnhof von Neonazis zusammen geschlagen und erlag vier Tage später im Krankenhaus seinen Verletzungen. Einer der beiden Täter, Stefan Silar, spielt heute eine führende Rolle in der norddeutschen Naziszene.

Anlässlich des zwanzigsten Todestages von Gustav Schneeclaus, findet am 17. März 2012 im niedersächsischen Buxtehude eine antifaschistische Bündnis-Demo statt. Zusätzlich beginnt morgen eine Veranstaltungsreihe.
Vorgeschichte

Anfang der 1990er war Buxtehude als Hochburg extrem rechter Skinheads im Landkreis Stade bekannt und sorgte immer wieder für Schlagzeilen durch neofaschistische Propagandaaktionen, Nazischmierereien und Gewalttaten. „Verfassungsschutz „und Polizei gingen damals von einem Kern der Neonaziszene von rund 30 Personen aus Buxtehude und Umland aus.
Diesem wurde zwar keine feste Organisationsstruktur nachgewiesen, allerdings sei unter anderem eine starke Verbindung zu der damaligen FAP (Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei) zu beobachten gewesen. Der zweite Täter, der damals 25-jährige Stephan Kronbügel, sei außerdem bei öffentlichen Veranstaltungen als Wortführer aufgetreten und habe versucht, sich in den Vordergrund zu drängen.
Bereits ein Jahr vor dem Totschlag von Gustav Schneeclaus hatte ein neofaschistischer Skin dem Buxtehuder Tageblatt gegenüber erklärt: „Das kannste glauben, irgendwann gibt’s den ersten Toten im Landkreis”.
Gustav Schneeclaus war am 12. November 1938 geboren worden und hatte als kleines Kind den Krieg und die Hochphase des Nationalsozialismus bedingt miterlebt. Nachdem er 30 Jahre als Kümo-Kapitän zur See gefahren war, ließ er sich in Buxtehude nieder, um ein neues Leben zu beginnen.


Der Mord

Am Morgen des Mittwoch, den 18. März 1992 verließ er seine Freundin von zu Hause und wollte zur Bank. Am Spätnachmittag traf der Kapitän auf eine Gruppe von Skinheads, welche sich am Busbahnhof aufhielten, um sich dort wie so oft zu besaufen. Der ebenfalls alkoholisierte Schneeclaus kam irgendwie über seine Seefahrergeschichten mit den Neonazis Stefan Silar und Stephan Kronbügel ins Gespräch. Nach einer Weile wurde es politisch und als der Kapitän sagte: “Hitler war der größte Verbrecher!” schlugen die beiden Nazis auf ihn ein. Stephan Kronbügel gab später im Prozess vor Gericht an, dass er sich schon durch andere Aussagen von Schneeclau habe provoziert gefühlt, wie z.B. durch die Aussage, das Hitler Österreicher und nicht Deutscher war. Wohl deshalb schlugen sie auf den Kapitän ein, bis er von der Bank fiel, auf der er vorher gesessen hatte. Daraufhin verschwanden die Neonazis vom Busbahnhof mit dem Auto.
Etwa eine Dreiviertelstunde später kamen sie wieder, bewaffnet mit einem Kantholz, um ihre Gräueltat zu vollenden. Mit dem Kantholz und ihren Springerstiefeln schlugen und traten sie auf ihr Opfer ein, doch nicht genug der Brutalität, der 19-Jährige Stefan Silar sprang darüber hinaus auch noch unter den Anfeuerungsrufen seines Kameraden Stephan Kronbügel: „Mach ihn tot, mach ihn tot”, immer wieder auf den wehrlosen Schneeclaus. Anschließend verschwanden sie wieder und riefen einen Freund an, um zu flüchten:„Wir haben einen umgehauen und müssen weg. Komm, fahr‘ uns nach Hamburg”. Der Fahrer kehrte später zum Tatort zurück und benachrichtigte kurz vor Mitternacht anonym den Notarzt, als Schneeclaus immer noch schwer verletzt am Busbahnhof lag.
Der Kapitän wurde unterkühlt, mit schwersten inneren Verletzungen, einem Schädelbruch, einem abgerissenem Halswirbel und vier gebrochenen Rippen ins Kreiskrankenhaus Stade eingeliefert, wo er in der Nacht von Samstag, dem 21.3., auf Sonntag, den 22.3. aufgrund der Schwere der Verletzungen an einem Herz-Kreislauf-Versagen starb. Gustav Schneeclaus wurde 53 Jahre alt.


Verhaftung und Gerichtsprozess

Da sowohl die Jacke als auch Schlüssel und Portemonnaie des Kapitäns fehlten, ging die Polizei anfangs von einem Raubüberfall, später Raubmord aus. Allerdings konnten bereits 12 Stunden nach Bekanntwerden des Todes von Gustav Schneeclaus die beiden Täter, Stefan Silar in Hollenstedt und Stephan Kronbügel in Neugraben, verhaftet werden. Silar, der Jüngere der beiden Neonazis, legte bereits am Montag ein Tatgeständnis ab, während Kronbügel seine Aussage verweigerte. Die einberufene Sonderkommission war ihnen unter anderem deshalb auf die Spur gekommen, weil sich der anonyme Anrufer in Widersprüche verstrickte und Silar und Kronbügel am Tag nach der Tat direkt am Tatort vor ihrer Skinheadclique mit der noch vorhandenen Blutlache prahlten.
Im September des selben Jahres fand der Gerichtsprozess statt. Die Anklage der Staatsanwaltschaft lautete: Körperverletzung mit Todesfolge. Doch die Richter des Stader Landgerichts nahmen schnell Mord aus niedrigen Beweggründen an, was lebenslange Haft für die beiden wegen Raubes, Körperverletzung und Sachbeschädigung vorbestraften Täter bedeutet hätte.
Die Verteidiger beider Skinheads plädierten aufgrund des Alkoholkonsums darauf, dass die Beiden im Vollrausch weder vorsätzlich hatten töten wollen noch seinen Tod bei der Schlägerei billigend in Kauf nahmen. So habe z.B. Silar alleine 12 Bier und eine halbe Flasche Weinbrand vor der Tat getrunken. Ein Sachverständiger berechnete aus den Angaben der Angeklagten einen Maximalpromillewert von 4,7, mindestens jedoch 2,8 für den 19-jährigen Stefan Silar und für den 26-jährigen Stephan Kronbügel mindestens 2,6 bis maximal 4,3 Promille. Dennoch war in den Augen der Gerichtsmedizin keine verminderte Schuldfähigkeit zu erkennen, da das Verhalten der beiden Täter im Widerspruch zu den Promillewerten stand. Auch aufgrund von Aussagen direkt nach der Tat wie: „Wir haben einen platt gemacht, […], der vielleicht auch tot ist”, sahen die Richter die volle Einsichtsfähigkeit der beiden Neonazis als erwiesen an.
Trotzdem plädierte die Anwälte der beiden „nur” auf Körperverletzung mit Todesfolge, Kronbügels Anwalt sagte zum Beispiel in seinem Plädoyer: „Stephan ist ein Schläger, aber kein Totschläger”, außerdem bezeichne er sich nur als „rechts” und nicht als „radikal”.
Einer der Zeugen, ebenfalls Mitglied der Skinheadgruppe um die beiden Täter, der die beiden Täter nach der Tat nach Hamburg gefahren und später den Notarzt alarmiert. Hatte, wurde vor seiner Zeugenaussage massiv vedroht. Bevor er am dritten Verhandlungstag zum Prozess erscheinen konnte, wurde ihm und seiner Familie sowohl anonym gedroht, als auch versucht ihn auf der Autobahn auf dem Weg zum Gericht mit einem Fahrzeug abzudrängen. Seinen Freunden waren 2000 DM geboten worden, wenn sie seine neue Adresse herausgeben würden. Auch andere Zeugen aus der Umgebung der Angeklagten wirkten stark eingeschüchtert.
Am 18. September 1992 verurteilte das Gericht Stefan Silar nur zu sechs und Stephan Kronbügel zu achteinhalb Jahren Gefängnis wegen Totschlags. Den beiden blieb damit eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes aus niederen Beweggründen erspart.


Blood & Honour sowie Combat 18 Pinneberg

Nachdem Silar im Gefängnis anscheinend einige Kontakte geknüpft hatte, übernahm er direkt nach der Haftentlassung im verbotenen Rechtsrocknetzwerk „Blood & Honour” eine Leitungsfunktion in der „Sektion Nordmark”. Er organisierte Rechtsrockkonzerte und sorgte mit dem „Saalschutz Nordmark”, welcher aus dem Verbot des „Blood & Honour”-Netzwerkes hervorging, für die Sicherheit der Konzerte, unter anderem auch für die Band „Kategorie C – Hungrige Wölfe”. Im Jahr 2006 versuchte der „Saalschutz Nordmark” unter Leitung von Silar einen Angriff auf einen anwesenden Journalisten.
Zuvor wurde Silar 2005 jedoch im „Combat 18 Pinneberg” Prozess mitangeklagt, weil die Gruppe der Planung und Durchführung von gewalttätigen und terroristischen Aktionen beschuldigt war. „Combat-18“ hatte von „szenetreuen“ Rechtsrockversänden Schutzgeld erpresst und Neonazis, die die Entwicklung nach dem „Blood & Honour“ Verbot kritisierten, abgestraft und verprügelt. Durch die Verknüpfung des „Saalschutz Nordmark” hatte auch Silar einen solchen Auftrag übernommen um einen Kritiker „zurück auf Linie zu bringen”. Der Kritiker wurde auf einem Rechtsrockkonzert von Silar verprügelt, was zu seiner Mitanklage führte. Kurz vor einer großen Razzia gegen die Combat 18 Pinneberg” Gruppe, warnte Silar den späteren Hauptangeklagten Clemens Otto vor, nachdem er vom Staatsschutz erfahren hatte, dass die Gruppe unter Beobachtung stand.


Neonaziszene Tostedt

Ebenfalls 2005 eröffnete Stefan Silar seinen Neonaziladen „Streetwear Tostedt” im Tostedter Ortsteil Todtglüsingen. Dort verkauft er von Rechtsrock CDs, über Waffen wie Quarzsandhandschuhe und Pfefferspray alles, darunter auch die Nazimarken „Thor Steinar” und „Eric & Sons”. Der Laden dient als Anlaufpunkt für Interessierte, wo sie Tipps zu „nationalen” Informationen erhalten, sowie als Szenetreff für die Naziszene von Tostedt und den umliegenden Dörfern. Des Weiteren ist der verurteilte Totschläger auch Betreiber des Internetversandhandels „Nordic Flame”, welcher das gleiche Sortiment wie der Onlineshop von „Streetwear Tostedt” bietet.
Neben seinen Aktivitäten in der lokalen Naziszene steht Silar auch über Tostedt und Norddeutschland hinaus in gutem Kontakt zu anderen Neonazis. Er ist regelmäßiges Mitglied beim „Stammtisch Nord”, einem Vernetzungstreffen für die „Freien Kräfte” und „Nationalen Sozialisten” aus dem norddeutschen Raum. Zudem steht er in enger Verbindung mit dem ehemaligen NPD-Bundestagskandidaten Sebastian Stöber, einer ehemaligen Schlüsselfigur in der Tostedter Naziszene, welcher zeitgleich auch Anführer der Kameradschaft „Gladiator Germania” war und heute im kriminellen Rockerclub „MC Gremium“ aktiv ist.
In Tostedt besteht eine der größten und aktivsten Strukturen des organisierten Neofaschismus im nördlichen Niedersachsen. Die Nazikameradschaften „Gladiator Germania“ oder „Nationaler Widerstand“ treiben seit Jahren dort ihr Unwesen. Angriffe auf politisch Andersdenkende, nichtrechte Jugendliche und Menschen die nicht ins rassistische und menschenverachtende Weltbild der Nazis passen gehören dort zum Alltag.
Diese Situation wird in von der örtlichen Politik, Verwaltung und vor allem durch die Polizei und den sog. „Verfassungsschutz“ systematisch verharmlost und entpolitisiert. Vielmehr werden antifaschistische Jugendliche kriminalisiert und als Unruhestifter im Dorf gebrandmarkt


Kein Vergeben, kein Vergessen!

Der Mord an Gustav Schneeclaus und andere rechte Gewalttaten sind die Konsequenz einer extrem rechten Ideologie, in der die soziale Gleichheit und Gleichwertigkeit aller Menschen verneint und Menschen, die nicht in das menschenverachtende Weltbild der Nazis passen, das Recht auf Leben aberkannt wird.
Die Ermordung von Gustav Schneeclaus ist ein Ausdruck extrem rechter Einstellungen und Handlungen, die der Nazi Stefan Silar und die Tostedter Neonazis bis heute propagieren und leben.

Mit einer antifaschistischen Demonstration in Buxtehude am 17. März 2012 soll an Gustav Schneeclaus und den vielen anderen Opfern rechter und sozial-chauvinistischer Gewalt erinnert und den Nazis entgegengetreten werden.


Infos und Termine zur Demo und Veranstaltungsreihe:  http://akschneeclaus.blogsport.de/termine/
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Ergänzungen

Den Nazis einen kleben...

Ich 06.03.2012 - 17:34
Antifa-Aufkleber zur Demo:

Stader Tageblatt

Haas & Igel 07.03.2012 - 10:42
Erst lesen, dann verstehen!!!


Nachrichten

Buxtehuder DRK sieht rot

Junge wurde belästigt
BUXTEHUDE. Das Buxtehuder Rote Kreuz hat durchgegriffen. Nach dem Hinweis eines Vaters, sein 12-jähriger Sohn sei von einem Mann sexuell angegangen worden, der vorgebe, auch für das DRK zu arbeiten, trennte sich der Vorstand von dem Mann und informierte die Polizei.
Tatsächlich hatte der Mann von einem Gericht aufgebrummte Sozialstunden abzuleisten, und das Buxtehuder Rote Kreuz hatte ihn diesbezüglich in der Kleiderkammer eingesetzt. Dort kam er allerdings nicht in Kontakt mit Kindern, so das DRK.
Der Beschuldigte soll nach Angaben des Vaters seinen Sohn im Rahmen einer Tätigkeit als Hundeführer und Hundetrainer belästigt haben. Der Kontakt mit dem Kind war angeblich über eine Anzeige des Jungen zustande gekommen, der gerne mit Hunden arbeiten wollte.
Der in Buxtehude wohnhafte Mann betreibt nach eigenen Angaben eine eigene private Rettungshunde-Staffel "Rescue Dog", die nach eigenen Belegen auch tatsächlich schon für Polizei und Grenzschutz im Einsatz war, unter anderem auch beim Zugunglück in Eschede 1998 und 2011 nach einem Unwetter in Bernburg.
Der Hundeführer bestreitet jegliche sexuellen Übergriffe, er selbst will Strafanzeige gegen den Vater wegen Verleumdung und übler Nachrede erstatten. Allerdings ist es nicht der erste Vorwurf dieser Art gegen ihn. Auch der DRK-Kreisverband hatte bereits im vorigen Jahr einen ähnlichen Anruf einer besorgten Mutter erhalten, und er selbst bestätigt im TAGEBLATT-Gespräch, dass es in Hollenstedt ein ähnliches Ermittlungsverfahren gegen ihn gegeben habe, das allerdings eingestellt worden sei. Er könne sich die Vorwürfe nur so erklären, dass Unbeteiligte bei den Übungen mit Hunden, bei denen Kinder als Schauspiel-Verletzte eingesetzt werden, Situationen missverstehen.
Der Mann ist der Polizei allerdings auch sonst kein Unbekannter. Er selbst gibt an, beim Mord an einem Buxtehuder Kapitän vor 20 Jahren durch Rechtsradikale derjenige gewesen zu sein, der die beiden Täter vom Tatort abholte. Er habe damals der rechten Szene angehört, sich aber inzwischen völlig davon losgesagt. Nach dem Mord sei er zum Tatort zurückgefahren und habe die Polizei informiert. Bei Mord sei für ihn damals eine Grenze überschritten worden. (rsu)

Stader Tageblatt vom 07.03.2012

Foto aus Rostock

Rostocker 08.03.2012 - 12:47
Leuet, das doie bürgerliche Presse dieses Foto aus Rostock(im Hintergrund seht ihr den Doberaner Platz, das Banner wurde kurz nach den NSU-Morden gemalt) dauerverschleisst, muss es jetzt auch noch als Lückenbüßer für andere Antifa-Gruppen herhalten? Habt ihr keine eigenen Banner oder Fotos?

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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guter artikel — erfreuter

... ... — Antifa Arne

Achso — @arni