Türkei: Journalisten seit 1 Jahr inhaftiert

L. Imoni 03.03.2012 23:09 Themen: Medien Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Seit einem Jahr sind die beiden türkischen Journalisten Ahmet Şık und Nedim Şener nun verhaftet. Für Pressefreiheit und die Freilassung von ihnen und weiteren reichlich hundert Journalist_innen protestierten heute in İstanbul mehrere hundert Menschen. Zwei weitere Hauptforderungen waren die Abschaffung des Terrorismusbekaempfungsgesetzes sowie der Gerichte mit speziellen Sonderrechten.
"Ein Gedicht oder ein Buch kann keine Bombe sein"

Auf der Demonstration waren Fotos von sich in Haft befindenden Journalist_innen zu sehen neben Transparenten mit Aufschriften wie "Schweig nicht, sei laut, wir haben ein Recht auf eine freie Presse" oder "Yansak da dokunacağız" (Der Slogan ist eine Anspielung auf die Haftgründe des Journalisten Ahmet Şık, welcher aufgrund seines zum Zeitpunkt der Festnahme noch unveröffentlichten Buches über die Gülen-Sekte, welche u.a. den Polizeiapparat unterwandert hat, im Gefaengnis ist. Die Demonstrierenden fordern auf, weiterhin den Mund aufzumachen, auch wenn sie dann selber von Repressionen betroffen sind.).

Die Demonstration, die vom Taksim-Platz bis zum Galatasaray-Platz führte, wurde dort mit einer Pressererklaerung beendet.
Zur Zeit sind in der Türkei 104 Journalist_innen sowie 30 Zeitungs- und Buchhaendler_innen inhaftiert. Weiterhin wurde vielen kritischen Journalist_innen innerhalb der letzten Monate gekündigt. Wenn sich die Zahl der Inhaftierten seit Ahmet Şıks und Nedim Şeners Verhaftung verdoppelt hat, bleibt die Frage offen, wer über Ungerechtigkeit berichten wird.
Auch 600 Studierende sind inhaftiert; Menschen, die sich gegen die Umweltzerstörung in ihren Dörfern einsetzen, oder gegen die Regierung protestieren werden mit Traenengas eingenebelt (im Mai letzten Jahres gab es durch den Einsatz von Traenengas einen Todesfall im Zuge eines Protestes gegen den Wahlkampfbesuch von Tayıp Erdoğan und der Regierungspartei AKP in Hopa am Schwarzen Meer); Kinder sind zu hunderten inhaftiert, sexuelle Mishandlungen im Gefaengnis sind erst kürzlich bekannt geworden; Streiks werden verboten; die Anwaelte der Unterdrückten werden verhaftet...... und seit dem Frühjahr 2009 wurden im Zuge der Repression gegen die kurdische Bevölkerung 10000 (zehntausend!) Menschen inhaftiert, davon sind 6300 nach wie vor inhaftiert.
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Ergänzungen

Wer Gülen berührt, wird verbrannt...

Demokratie hinter Gittern 06.03.2012 - 09:19
Am 6. März veranstaltet das zur Gülen-Bewegung gehörende Forum für interkulturellen Dialog in Berlin (Stresemannstr. 99) eine Informationsveranstaltung zu Gülens Medienpolitischen Visionen.

Unterstützer der Kampagne "Demokratie hinter Gittern" haben ein Flugblatt verfasst, dass passend zu diesem Thema auf die massenweise Inhaftierung von Journalisten und Schriftstellern in der Türkei eingeht:

"Wer Gülen berührt, wird verbrannt…“

Das schrieb der seit einem Jahr inhaftierte Journalist Ahmet Sik aus dem Hochsicherheitsgefängnis in Silivri bei Istanbul über den pensionierten Imam Fethullah Gülen. Der Antidemokrat Gülen hat bereits die blutigen Militärputsche 1971 und 1980 in der Türkei als „Rettung des Vaterlandes“ vor „Ungläubigen“ und „Kommunisten“ gerechtfertigt und auch den vom Militär erzwungenen Rücktritt der Regierung Erbakan 1997 unterstützt. Unter der seit 2002 regierenden islamisch-konservativen AK-Partei hat sich die ultranationalistisch-religiöse Gülen-Gemeinde nun selbst tief im türkischen Staatsapparat eingenistet. Ihre Macht nutzt die Gemeinde, um Oppositionelle und Kritiker unter fingierten Terrorvorwürfen in Haft ins Gefängnis zu bringen. Zurzeit befinden sich in der Türkei nach Angaben des internationalen PEN-Clubs über 100 Journalistinnen und Journalisten sowie und Schriftsteller– mehr als in jedem anderen Land der Erde. Betroffen sind prokurdische, linke und laizistische Medien sowie generell Gülen-Kritiker.

Ausgerechnet der ehemalige Gülen-Anhänger und frühere stellvertretende Direktor der nachrichtendienstlichen Abteilung der Polizei, Hanefi Avci, befindet sich seit 2010 unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer linksradikalen Stadtguerilla in Untersuchungshaft. Kurz vor seiner Verhaftung waren Avcis autobiographische Aufzeichnungen erschienen, in denen er die Unterwanderung der Polizei sowie illegale Abhöraktionen durch die Gülen-Gemeinde schilderte.

Am 3.März 2011 wurden die international renommierten Enthüllungsjournalisten Ahmet Sik und Nedim Sener gemeinsam mit sechs weiteren Medienmitarbeitern inhaftiert. Die militärkritischen Journalisten, die zuvor Putschpläne der Armee entlarvt hatten, wurden nun selber der Mitgliedschaft in einem ominösen nationalistischen Putschisten-Netzwerk namens Ergenekon beschuldigt. Der Mitarbeiter der laizistischen Tageszeitung Milliyet, Nedim Sener, hatte in einem Buch enthüllt, wie Polizeibeamte aus dem Umfeld der Gülen-Bewegung die Ermittlungen im Falle des von einem Faschisten ermordeten armenischen Journalisten Hrant Dink behinderten. Ahmet Sik arbeite zum Zeitpunkt seiner Verhaftung an einem Buch über die Unterwanderung der Polizei durch die Gülen-Bewegung mit dem „Die Armee des Imam“ (Imamin Ordusu), das noch vor seinem Erscheinen verboten wurde. Verlagshäuser, Zeitungsredaktionen und eine Anwaltskanzlei wurden von der Polizei nach Kopien durchsucht. Das Buch wurde trotz Verbos zuerst im Internet veröffentlicht und inzwischen von 125 namhaften Persönlichkeiten gemeinsam herausgegeben. Seit dem 28. Oktober 2011 befindet sich der inzwischen für den Friedensnobelpreis nominierte Verleger und Menschenrechtsaktivist Ragip Zarakolu in Haft, weil er an einer Parteiakademie der legalen prokurdischen Partei für Freiheit und Demokratie (BDP) gesprochen hatte. Zarakolu sollte kurz nach seiner Verhaftung beim Schriftstellerverband PEN in Köln auf einer Solidaritätsveranstaltung für die inhaftierten Journalisten Sener und Sik sprechen. Am 20. Dezember 2011 durchsuchte die Polizei dann landesweit Büros der Tageszeitung Özgür Gündem, der Nachrichtenagentur DIHA und weiterer prokurdischer Medien. Dutzende Journalistinnen und Journalisten wurden anschließend aufgrund ihrer Berichterstattung zum Kurdenkonflikt verhaftet – so wie zuvor bereits Tausende kurdische Politikerinnen und –politiker und zivilgesellschaftlich Aktive wegen ihres Friedens- und Kommunalpolitischen Engagements in Untersuchungshaft kamen.

Begleitet werden die Verhaftungen von Oppositionellen und Journalisten durch Rufmord- und Desinformationskampagnen in den Medien der Gülen-Gemeinde. Während Anwälte lange keinen Einblick in die Ermittlungsakten erhalten, verbreiten Gülen-Medien wie die Tageszeitung Zaman und der Sender Samanyolu TV vorab ganze Passagen daraus zur Vorverurteilung der Inhaftierten. Auch das zur Gülen-Bewegung zählende Berliner „Forum für interkulturellen Dialog e.V.“ und das Internetportal Deutsch-Türkische Nachrichten haben die Inhaftierung Seners und Siks in Presseerklärungen und Artikeln verteidigt.

Hinter Gülens Maske von „Dialog“ und „Toleranz“ verbergen sich Feinde der Freiheit!

Demokratie hinter Gittern

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