M31 Bremen: Lautstarker Protest gegen Lernmesse

Bremer M31 Bündnis 01.03.2012 17:16 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit
Circa 50 AktivistInnen des Bremer „M31“-Bündnis haben heute lautstark auf der Bremer Lernmesse protestiert.
Die Lernmesse Bremen richtet sich mit sog. Angeboten der Qualifizierung und Fort- und Weiterbildung vor allem an Erwerbslose und zieht nach eigener Aussage tausende BesucherInnen an. Das „M31“-Bündnis ist ein europaweites Bündnis zur Organisierung eines antikapitalistischen Aktionstages am 31. März.
Mittels eines Transparentes, Flugblättern und Redebeiträgen griffen die AktivistInnen in den bis dahin ungestörten Betrieb der Lernmesse ein.
„Die Ansage der Lernmesse ist eindeutig: Für alle die, die es bisher nicht geschafft haben einen Job zu finden oder sich in miesen, schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen befinden, gibt es endlich eine Lösung: Weiterbildung!“ so Monica Bauer vom Bremer „M31“-Bündnis in ihrer Rede auf der Lernmesse. „Die soziale Wirklichkeit wird so auf den Kopf gestellt. Zum x-ten Mal wird das alte Märchen erzählt, dass wer sich nur wirklich anstrenge – oder weiterbilde – auch wirklich alles erreichen könne. Tatsächlich bedeutet dies für die meisten aber nur das Abrackern in noch niedriger bezahlten Jobs oder den schikanösen Bezug von ALG.“, so Bauer weiter.
Das Bremer „M31“-Bündnis hält dem bereits eine grundsätzliche Kapitalismuskritik entgegen. „Lohnarbeit ist nur ein notwendiges Übel. Wenn der Job sich dabei schlimm anfühlt, liegt das nicht an der eigenen ungenügenden Bildung, sondern das Lohnarbeit bereits grundsätzlich mies ist.“ steht in dem von den AktivistInnen verteilten Flugblatt.
Dabei sei all dies nicht alternativlos, z.B. die kämpfenden Menschen in Griechenland zeigen, dass sie nicht länger bereit sind die Zumutungen dieser Gesellschaft zu ertragen.
Für den 31. März ruft das „M31“-Bündnis deshalb u.a. zu einer bundesweiten Großdemonstration in Frankfurt am Main auf.



Der Redebeitrag:
"Bildung ist Zukunft" mit diesem wohlfeilen Spruch hält die Bremer Arbeitslosenbetreuungsindustrie heute Heerschau.

Sie sind alle da, die Anbieter von "Ein-Euro-Jobs", die Maßnahmenträger, die uns zum x-ten mal erklären, wie eine Bewerbung zu schreiben ist, und wie man beim Einstellungsgespräch so richtig schön unterwürfig ist. Es sind die Maßnahmenträger die uns durch Gewöhnung an einen rechtlosen Zustand in Maßnahmen dazu bringen sollen jede Erniedrigung, Streß und Demütigung beim zukünftigen Job widerstandslos zu ertragen.

Sie sind heute gekommen um sich als Gutmenschen zu präsentieren. Sie wollen uns zum Wohle des Standorts Deutschland zu nützlichen, vermittelbaren Lohnarbeiterinnen und Lohnarbeitern machen. Däfur sollen unsere vielen Vermittlungshemmnisse und Defizite, die uns mit Assessmentgutachten erst angedichtet wurden, geheilt werden.

Die Träger präsentieren ihre Projekte als soziale Wohltat, auch wenn sie an jeder Stelle selbst die Hand aufhalten. Sie bekommen die Maßnahmen - unsere kümmerlichen Prämien und Fahrtkosten - vom Staat bezahlt. Und dennoch scheuen sie sich nicht, die von uns erbrachten Arbeitsleistungen und Produkte für teures Geld zu verkaufen. Dafür bekommen die Maßnahmenträger bis zu 15 Euro pro Arbeitsstunde.

Die Anbieter machen ihren Job - die Zurichtung auf Niedriglohn und prekäre Arbeitsverhältnisse und die passgenaue Minimalqualifizierung für Leiharbeit und Hilfstätigkeiten. Bezahlt werden sie vom Staat der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter. Sie schaffen die Bedingungen für die Unternehmen möglichst rechtlose und gefügige Lohnarbeiterinnen und Lohnarbeiter zu bekommen.

Diese Zukunft sieht folgendermaßen aus:

- durch Schichtarbeit, Arbeit auf Abruf, Ladenöffnungszeiten rund um die Uhr wird uns jeglicher Rest selbstbestimmter Lebensgestaltung genommen.

- Die Löhne sind so gering, dass zunehmend Hartz IV Ergänzungen notwendig ist.

- die Jobs sind so stressig und belastend, so dass die Berufserkrankungen dramatisch zunehmen.

- Unsichere Beschäftigung und Stress machen krank und menschen sterben früher als noch vor 10 Jahren.

Und warum? Weil die Unternehmen am Standort Deutschland ständig neue und billige Arbeitskräfte brauchen, um ihren Profit zu mehren und die Konkurrenz kleinzuhalten. Und nur dann, wenn unser Einsatz in ihren Hallen, Büros und Verkaufsräumen ihnen einen Profit verspricht, dann werden sie uns einstellen, dann sind sie bereit uns auszubeuten.

Und je mehr wir uns strecken und bewerben, je öfter wir in den Maßnahme den Götzen Arbeit anbeten, desto mehr verstärkt sich die Konkurrenz unter uns, desto billiger wird unsere Arbeitskraft, desto mehr sinken die Löhne, desto schlechter werden die Arbeitsbedingungen. Auf europäischer Ebene ist es genau diese Niedriglohnpolitik die zum Expotschlager Deutschlands geworden ist. Nur durch die erfolgreiche Durchsetzung dieser Maßnahmen im angeblichen Wohle aller – konnte Deutschland eine so führende Rolle in der europäischen Krisenpolitik einnehmen. Unter diesem Zwang stehen die Menschen in Griechenland, Portugal, Spanien und anderen europäischen Ländern.

So international wie diese Krisenpolitik ist – ist auch der Widerstand. Wir sind heute hier um an dem Beispiel der Lernmesse zu zeigen das Widerstand möglich und nötig ist. Wir machen keine Verbesserungsvorschläge wie ihr uns besser Kontrollieren und Ausbeuten könnt.
Denn das wäre nicht unsere Zukunft. Wir sind hier um zu sagen das es reicht und eine Zukunft nur ohne Kapital und Lohnarbeit eine wünschenswert ist!

Organisiert euch, tut euch zusammen und wehrt euch gegen diese Schweinerei.
Ein Redebeitrag vom M31 Bündnis Bremen. Zur Vorbereitung auf den europäischen Aktionstag gegen Kapitalismus. Im Internet unter www.bremen.march31.net
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.



Der verteilte Flyer:
Gut zu Wissen, dass Uns heute mal wieder gesagt wird wir wären am Elend selbst schuld, um damit vom eigentlichen Problem abzulenken.

„Investieren Sie ein paar Stunden in Ihre Zukunft“ , „Bildung ist Zukunft“. Mit solchen und ähnlich dümmlichen Phrasen bewirbt die heute hier stattfindende Messe für Qualifizierung, Fort- und Weiterbildung sich selber.

Die Ansage ist dabei eindeutig: Für all die, die es bisher nicht geschafft haben, einen Job zu finden oder sich in einem miesen, schlecht bezahlten Arbeitsverhältnis befinden, gibt es endlich eine Lösung: (Weiter)Bildung!

Schuld an den eigenen miesen Arbeitsbedingungen, dem geringen Lohn oder der eigenen Erwerbslosigkeit haben nämlich nur: Wir selbst! Wir waren bisher einfach zu blöd!
Zum Glück gibt es endlich Auswege aus diesem Dilemma des selbstverschuldeten Elends, nämlich die hier heute zu Hauf angebotenen Weiter-, und Fortbildungskurse.

Die Wirklichkeit ist aber eine andere:
Lohnarbeit ist eine unerträgliche Notwendigkeit um sich in dieser kapitalistischen Gesellschaft Dinge kaufen zu können. Wenn der Job sich schlimm anfühlt, liegt es nicht an der eigenen ungenügenden Bildung, sondern daran, dass Lohnarbeit grundsätzlich mies ist. Es geht nicht um die Schaffung der Bedingungen eines schönen Lebens, statt dessen geht es um die Ausbeutung der eigenen Arbeitskraft zu Gunsten des Unternehmens.
Uns wird immer wieder versucht beizubringen, dass Erwerbslose sich nicht genügend angestrengt hätten. Denn das Ziel ist es, dass wir die schlechten Arbeitsbedingungen und die geringsten Löhne ertragen.
Wenn hier mehr Fortbildung gefordert wird, dann ändert dies an den miesen Bedingungen und dem Zwang zur Lohnarbeit nichts. Statt dessen muss für die eigene Selbsttäuschung bezahlt werden.

Je mehr wir uns strecken und bewerben, je öfter wir in den Maßnahme den Götzen Arbeit anbeten, desto mehr verstärkt sich die Konkurrenz unter uns, desto billiger wird unsere Arbeitskraft, desto mehr sinken die Löhne und desto schlechter werden die Arbeitsbedingungen. Auf europäischer Ebene ist es genau diese Niedriglohnpolitik, die zum Exportschlager Deutschlands geworden ist. Nur durch die erfolgreiche Durchsetzung dieser Maßnahmen im angeblichen Wohle aller – konnte Deutschland eine so führende Rolle in der europäischen Krisenpolitik einnehmen. Diese hat massive Auswirkungen auf die Menschen in Griechenland und anderen europäischen Ländern.

So international wie diese Krisenpolitik ist, organisiert sich auch der Widerstand. Wir sind heute hier um an dem Beispiel der Lernmesse zu zeigen, dass Widerstand möglich und nötig ist. Wir machen keine Verbesserungsvorschläge wie ihr uns besser kontrollieren und ausbeuten könnt.
Denn unsere Zukunft soll eine andere sein.
Wir sind hier um zu sagen das es reicht!
Für eine Zukunft ohne Kapital und (Lohn)Arbeit.

Wir sind ein Bündnis aus linken und gewerkschaftlichen Gruppen und Einzelpersonen die es sich zum Ziel gesetzt haben damit aufzuräumen.
Organisiert euch mit uns, schließt euch zusammen und wehrt euch!
Die Krise heißt Kapitalismus – überwinden wir diese so schnell wie möglich!

M31 Bündnis Bremen – Europäischer Aktionstag gegen den Kapitalismus
Demonstration in Frankfurt am Main | 14 Uhr | Hauptbahnhof
www.Bremen.march31.net
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Ergänzungen

War da

Erwerbsloser 01.03.2012 - 17:43
Ich war auf der Lernmesse, weil das Jobcenter mich da hin geschickt hatte. Und ich muss sagen, ihr habt mir meinen Tag gerettet! Danke schön! Endlich sagts mal endlich wer und dann auch noch klar antikapitalistisch! Danke!

It's not enough to be angry

M31 01.03.2012 - 17:49

Taz 2.3.

Abonent_in 01.03.2012 - 20:02
Aus der taz Bremen vom 2.3.: "Lernmesse gestört
Mit Transparenten und Flugblätter protestierten antikapitalistische AktivistInnen am Donnerstag gegen eine Lernmesse im Musical-Theater. „Zum x-ten Mal wird das alte Märchen erzählt, dass wer sich nur wirklich anstrenge – oder weiterbilde – auch wirklich alles erreichen könne“, sagte eine der AktivistInnen. Tatsächlich aber bedeutet dies für die meisten aber „nur das Abrackern in noch niedriger bezahlten Jobs oder den schikanösen Bezug von ALG.“ Auf der vom Europäischen Sozialfond geförderten Messe informierten zahlrei- che Aussteller über ihre Weiterbildungsangebote. (taz)"

Audioaufruf für M31

Sergio Leone 01.03.2012 - 20:22

Pressereaktionen

Weser Kurier 02.03.2012 - 07:47
Lernmesse bot Qualifizierungen
Angebote im Musical Theater Bremen


Von Karina Skwirblies Bremen. Ob es eine Umschulung zum Gärtner ist oder eine Weiterbildung im Gasschweißen, das Angebot der gestrigen ESF-Lernmesse Bremen umfasste ein breites Spektrum an Möglichkeiten, sich beruflich neu zu orientieren oder aufbauende Qualifikationen zu suchen. Zu der Messe im Musical Theater Bremen strömten im Lauf des Tages einige Tausend Besucher.
Unter ihnen waren viele Gruppen, die bereits an einer Weiterbildungs-Maßnahme teilnehmen. Beispielsweise Migranten, die nach einem Sprachlehrgang auf der Suche nach einer beruflichen Perspektive waren.
Bei der ESF-Lernmesse präsentierten sich 50 Träger: das Jobcenter, die Handwerkskammer, das Deutsche Rote Kreuz, die Arbeitnehmerkammer und viele mehr. Veranstalter war der Verbund arbeitsmarktpolitischer Dienstleister in Bremen. Wer arbeitslos ist, kann bei einer Fortbildung trotz reduzierter Bundesmittel noch auf eine Förderung durch das Jobcenter Bremen hoffen. "Unser Königsweg ist Bildung, nicht Ein-Euro-Jobs", erklärte Jobcenter-Chef Helmut Westkamp im Gespräch mit dieser Zeitung. Aktuell seien über 2000 Teilnehmer in Maßnahmen. "Vielfach besteht das Problem, dass kein beruflicher Abschluss vorliegt." Für Arbeitslose ohne Berufsausbildung bot der Biolandbetrieb Rhizom aus Borgfeld auf der Lernmesse seine dreijährige Qualifizierung zum Gärtner an. André Sandrin und Robert Schauer sind seit einem halben Jahr Auszubildende in dieser Maßnahme. "Ich habe eine Odyssee der beruflichen Selbstfindung hinter mir", erzählte André Sandrin. Er gehört zu den acht Teilnehmern, die vor einem halben Jahr bei der neuen Fortbildung begonnen haben.
Teilnehmen kann man hier nur bis 45 Jahre, danach ist Schluss. Ein Problem, mit dem Gaby W. (Name geändert) zu kämpfen hat. Sie ist über 50 Jahre alt und hört immer wieder, dass sie zu alt sei. "Ich habe keine Ausbildung und würde gerne in der Verwaltung arbeiten. Doch wegen meines Alters höre ich immer wieder: Das zahlen wir nicht mehr. Man kriegt Kleckermaßnahmen und In-Jobs und wird auf die soziale Schiene des Abwartens geschoben." Aus Tansania kommt Said Mrisho Said, der zurzeit Deutsch lernt und sich auf der Lernmesse nach einer Berufsausbildung umgesehen hat. Viele Angebote gab es im IT-Bereich, in der Logistik und im kaufmännischen Bereich. Berufsfelder, in denen Arbeitskräfte gesucht werden.
Lautstarken Protest gab es auf der Lernmesse bei einer nicht angekündigten Aktion des Bremer "M31"-Bündnisses, ein Bündnis aus linken und gewerkschaftlichen Gruppen zum Europäischen Aktionstag gegen den Kapitalismus am 31. März. Mit einem Transparent, Flugblättern und Redebeiträgen kritisierten die rund 50 Aktivisten die Weiterbildung als Mittel gegen Arbeitslosigkeit. Fortbildung ändere nichts an den schlechten Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt und den geringen Löhnen, hieß es. Sie verschärfe die Konkurrenz und schiebe die Schuld den Arbeitslosen zu.