Das Gedenken an Mehmet Turgut - Eine Nachlese

Kombinat Fortschritt 01.03.2012 14:51 Themen: Antifa Antirassismus
„Rechtsextreme greifen Polizei bei Gedenken an NSU-Opfer an", so oder so ähnlich meldeten es die Nachrichtenagenturen. Bei den Nachrichtensendern lief diese Meldung als „Breaking News"Irgendwie typisch Ostdeutschland mag man denken. So viel Unverfrorenheit der Nazis scheint anderswo kaum möglich, doch reicht dies als Erklärung aus? Keine Frage, im Angesicht des bundesweiten Entsetzens, ob der Morde der NSU erscheint es kaum nachvollziehbar, warum ausgerechnet hier die Naziszene zur Tat schreitet, anstatt in Schweigen zu verharren. Politisch können sie mit Protesten gegen Gedenkveranstaltungen für die Opfer der NSU wohl kaum etwas gewinnen. Schon gar nicht, wenn man wie am Samstag vermummt auftaucht. Das haben nun offensichtlich auch die „Nationalen Sozialisten Rostock" eingesehen. Ausgerechnet sie beklagen nun, dass das Gedenken in den Hintergrund gedrängt werde. Strikt weisen sie den Vorwurf von sich, sie wären am Samstag bewaffnet gewesen. Doch wir wissen es besser und hat auch entsprechnde Fotos...

Lokalpolitik greift Forderung der Gedenkkundgebung auf



Mit der Kundgebung im Rostocker Stadtteil Toitenwinkel am Samstag, dem 25.02. ist eine Sensibilisierung der demokratischen Zivilgesellschaft gelungen. Etwas mehr als 120 Menschen hatten sich eingefunden und an den, im Jahre 2004 von dem 'Nationalsozialistischen Untergrund' ermordeten, Mehmet Turgut mit Redebeiträgen und einer Schweigeminute gedacht. Von den LokalredakteurInnen auf die weitgehende Abwesenheit ihrer Mitglieder und SympathisantInnen befragt, versuchen nun die Parteien die Initiative zur Erinnerung an Mehmet Turgut zu umarmen. So wird sich beispielsweise der Vorschlag nach einer Straßenumbenennung zu eigen gemacht und die eigene Abwesenheit mit terminlichen Problemen begründet.

An all den Äußerungen des guten Willens werden sich die lokalen PolitikerInnen messen lassen müssen. Denn in den nächsten Wochen und Monaten wird sich zeigen, ob es ihnen mit der Unterstützung von Betroffenen rechter Gewalt ernst ist, oder ob, wie nicht wenige befürchten, der 20. Jahrestag des Pogroms von Rostock-Lichtenhagen Ende August vor allem dazu genutzt werden soll, das Bild eines geläuterten Stadtteil zu präsentieren ohne die eigene Geschichte dabei kritisch aufzuarbeiten.

Während die AntifaschistInnen zuversichtlich in die Zukunft schauen können, dass die konkreten Ziele der Kundgebung erreicht werden könnten, verhält es sich bei den Nazis geradezu spiegelverkehrt. Für sie geriet der 25.Februar zu einem regelrechten Desaster.

Die NSR als Vorfeldorganisation der NPD in Rostock

Zwei Namen sind für die Kameradschaftsjugend der Hansestadt zentral. David Petereit und Michael Fischer. Petereit ist ein Urgestein der Mecklenburger Kameradschaftszene. Im Nordosten bedeutet aggressives Auftreten jedoch nicht, dass man eher verschämt in eine Ecke verbannt wird. In M-V, wo die NPD so militant und gewaltbereit auftritt, wie kaum anderswo, ist so ein Verhalten beinah so etwas wie ein Ticket für die höchsten Posten innerhalb der Partei. So erging es David Petereit, der nicht zuletzt für seinen Verdienst mit der Eisenstange vor einem lokalen Naziladen jüngst mit einem Sitz im Schweriner Schloss belohnt wurde.


Gleiches scheint sich nun mit Michael Fischer anzudeuten. Er ist ebenfalls ein langjähriger Aktivist vor Ort und kandidierte bei der letzten Landtagswahl als Direktkandidat für die NPD im Wahlkreis Rostock IV. Doch eins unterscheidet beide voneinander. Trotz der gemeinsamen Anhängerschaft zum Nationalsozialismus ist bei David Petereit etwas mehr politisches Feingespür zu konstatieren. Um so schwerwiegender, wirkte sich nach der Eroberung seines Landtagsmandates die dadurch „erzwungende" Abwesenheit in Rostock aus.
Schon seit einigen Monaten bemerken SzenekennerInnen eine zunehmende Verflachung beim, auf Petereit angemeldeten, Portal „MuPInfo". Eigenständige Berichte finden sich kaum noch. Stattdessen wird seitenlang aus Pressemitteilungen der NPD zitiert.

Gleichzeitig tritt „info-rostock", die Homepage der Kameradschaft „Nationalen Sozialisten Rostock", als deren Führungskader Michael Fischer gilt, immer offensiver auf. Unter anderem mit den Schlagworten: Gewalt, Hass, Schlagstock, Spannung, Spaß, Spiel und Totschläger wird auf die Kundgebung anlässlich des NSU-Mordes hingewiesen.

Wenn die Katze am Tollensesee ist...



David Petereit, der seine Karriere in Neustrelitz begann, hielt sich zum Zeitpunkt, als sich der braune Mob in Toitenwinkel zu sammeln begann, am Tollensesee beim traditionellen Rundlauf auf. So fiel es seinem jahrelangen Adjutanten, Michael Fischer, zu, die Verantwortung für diesen Tag zu übernehmen. Obwohl auch öffentlich und für ihre gewaltaffine Klientel hinreichend martialisch mobilisiert wurde, folgten dem Aufruf kaum mehr als anderthalb Dutzend AnhängerInnen. Allein dies stellt eine ordentliche Schlappe für die NSR dar. Schließlich wird sie nicht müde zu betonen, dass Toitenwinkel ihr Viertel sei. Gewissermaßen befand sich die rechte Szene tatsächlich in der Bringschuld, denn vor einigen Monaten zogen drei stadtbekannte Neonazis deutlich den Kürzeren, als sie eine Gruppe von rund 70 Personen angegriffen hatten. Vorwiegend Jugendliche hatten im Rahmen des Wahlkampfes eine Kampagne gegen den Einzug der NPD organisiert. Bei einem Stadtteilspaziergang, wo Flyer verteilt werden sollten, kam es schließlich zu der Konfrontation. Sogar in der Naziszene wurde die Aktion kritisiert.
Höchstwahrscheinlich also, dass die NSR diese Scharte unbedingt wieder auswetzen wollte. Das Gedenken an Mehmet Turgut in „ihrem" Viertel kam da gerade recht. Und so führte Michael Fischer nun den vermummten Mob an. Vorne lief er, nach Bekunden von „info-rostock", nur, damit er besser photographieren konnte. Ganz abgesehen davon, dass damit mehr oder weniger die Autorenschaft Michael Fischer bei „info-rostock" bestätigt wird, da kurze Zeit später seine Bilder auf der Homepage hoch geladen wurden.

Doch es geht noch weiter: Denn wie glaubwürdig derartige Aussagen sind, lässt sich exemplarisch an der Behauptung prüfen, die Personengruppe sei nicht bewaffnet gewesen. Für die Eisenstange, die auf einen Polizeibeamten geschleudert wurde, präsentiert die NSR die wenig einfallsreiche Erklärung, dass diese von Linken geworfen sein müsse. Logisch. Denn man hatte ja nichts dabei. Der Gipfel des Desaster dürfte jedoch sein, dass gegen mindestens neun namentlich bekannte Neonazis nun ermittelt wird, weil sie im Rahmen der Nahbereichsfahndung gestellt werden konnten. Das sichtliche Bemühen um Schadensbegrenzung erinnert an die Einlassungen der Schläger von Pölchow.

Doch auch ihnen nutzte das nichts. Sie wurden dennoch verurteilt. Doch auch die Gerichtsverhandlung war von Gewaltexzessen überschattet worden. Im Vorraum griffen Neonazis AntifaschistInnen sogar mit einem Feuerlöscher an. So sehr sich die Nazis durch ihren Hang zur Gewalt regelmäßig selbst ein Bein stellen. Insbesondere für die Betroffenen des rechten Terrors werden sie dadurch nicht weniger gefährlich. Im Gegenteil. Die Dreistigkeit mit der die NSR und andere Gruppierung in MV vorgehen, ist bemerkenswert. Eine bis heute nicht aufgeklärte Anschlagsserie auf Gebäude von demokratischen Parteien, Buttersäure- oder gar Brandanschläge auf alternative Einrichtungen. Der ganz normale Wahnsinn im Nordosten eben. Das Versagen der Behörden in Bezug auf die rechte Mörderbande NSU, das beständige Kleinreden der Gefahr und das freche Runterspielen der Opferstatistik: Antifaschismus darf man nicht dem Staat überlassen. Nazis haben nur dort eine Chance wo nicht gegen sie mit allen Mitteln interveniert wird.

Der Artikel der Nazis ist unter: hxxp://info-rostock.org/112-die-kombinierer-von-kombinat-und-co/ zu finden.
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Ergänzungen