Dresden: Siamo tutti antifascisti!

addn.me 18.02.2012 21:22 Themen: Antifa Blogwire
Ein großer Tag für den in Sachsen so ungern gesehenen Antifaschismus. Mehrere tausend Menschen zogen heute vom Hauptbahnhof durch die gesamte Dresdner Innenstadt bis hin zum "Haus der Begegnung" im Stadtteil Pieschen. Anlass für die Demonstration war ein geplanter Aufmarsch von mehreren tausend Nazis, die erst im vergangenen Jahr am Widerstand von mehr als 20.000 Menschen im Süden der Stadt gescheitert waren. Daraufhin hatten sächsische Ermittler damit begonnen, mehr als eine Million Handydaten auszuwerten und die Praxis der Blockaden zu kriminalisieren.
Zu einer der größten Antifademonstrationen in der deutschen Nachkriegsgeschichte versammelten sich heute in Dresden mehr als 10.000 Menschen, die Polizei sprach von etwa 6.500 Menschen (Fotos 1 | 2 | 3). Die Demonstration war nötig geworden, nachdem in Sachsen die Ermittlungsbehörden schon seit Monaten die Jagd auf mutmaßliche Antifaschistinnen und Antifaschisten eröffnet hatten. Am Block der "antisächsischen Extrem_ist_innen" beteiligten sich fast 3.000 Menschen, um damit ihren Unmut "Gegen das sächsische Demokratieverständnis und die Kriminalisierung von Antifaschismus" auf die Straße zu tragen. Auch das Aktionsbündnis "Dresden Nazifrei" und mehrere Antifagruppen hatten sich einem gemeinsamen Aufruf "...für einen antifaschistischen Konsens!" eingesetzt und zur Großdemonstration mobilisiert.

Schon vor dem Beginn der eigentlichen Demonstration hatten sich vor dem Hauptbahnhof knapp 4.000 Menschen versammelt, insgesamt waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit über 100 Busses nach Dresden gekommen. Nur etwa einen Kilometer entfernt war die Zahl der DemonstrantInnen auf der Zwischenkundgebung am Pirnaischen Platz schon auf mehr als 10.000 Menschen angestiegen. In Redebeiträgen und auf Transparenten erinnerten sie an die jüngst bekannt gewordenen rassistischen Morde durch eine Zwickauer Terrorzelle und forderten die Auflösung der zuständigen Verfassungsschutzbehörden. Vor dem im vergangenen Jahr von vermummten SEK-Kräften durchsuchten "Haus der Begegnung" verlas der Fraktionsvorsitzende der Linken in Thüringen, Bodo Ramelow, als Abschlussredner den letzten Strafbefehl des Amtsgerichtes Dresden, in dem er zur Zahlung von einer Geldbuße von 3.400 Euro für die Teilnahme an einer Blockade vor drei Jahren aufgefordert worden war. Er erklärte den heutigen Tag "zum schönsten seines Lebens" und betonte, dass es nur dem Protest eines breiten Bündnisses zu verdanken sei, dass die Nazis auch in diesem Jahr "keinen Stich sahen".

Im Anschluss an das Ende der Demonstration kam es nach Provokationen durch die Polizei zu einigen Flaschenwürfen, bei denen auch mehrere unbeteiligte Personen getroffen wurden. Bei Farbbeutelwürfen gegen das Gebäude der Sächsischen Staatskanzlei und dem Einsatz von Pyrotechnik wurden insgesamt fünf Beamtinnen und Beamten verletzt. Insgesamt sprach aber auch die Polizei von einem friedlichen Verlauf der Veranstaltungen.

Zeitgleich zur Großdemonstration kamen zu einer von der Stadt und der AG 13. Februar beworbenen Kundgebung auf dem Schloßplatz etwa 1.500 vor allem ältere Menschen. (Video) Nach einigen Redebeiträgen, in denen der SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel ein Verbot der NPD forderte und Überlebende des Zweiten Weltkriegs an die Hintergründe der nationalsozialistischen Barbarei erinnerten, zogen sie gemeinsam mit Sachsens CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich und anderer Politprominenz zur Neuen Synagoge am Hasenberg (Fotos 1 | 2).

Während die Nazis in Dresden nun schon bereits das dritte Mal in Folge mit ihrem Großaufmarsch gescheitert sind, versuchten sie ihre empfindliche Niederlage im Nachgang mit einigen kleineren Demonstrationen erträglich zu gestalten. So kam es im Gera, Worms und Fürth zu drei kleineren Demonstrationen mit nicht mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
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Ergänzungen

Bilder von der erfolgreichen Demo

boeseraltermann 18.02.2012 - 21:42

10000 + x Menschen auf AFA-Demo!!!

mustopf 18.02.2012 - 22:22
Dort, wo vor drei Jahren noch 7.000 Nazis durch die Straßen marschierten, zogen heute mehr als 10.000 Antifaschistinnen und Antifaschisten aller Spektren entlang. Mit ihrem Protestzug feierten sie nicht nur den Erfolg, der durch den antifaschistischen Konsens des Bündnisses möglich wurde, sondern kritisierten vor allem die „sächsischen Verhältnisse“.

Mehr unter:
 http://www.dresden-nazifrei.com

Bilder:
 http://www.flickr.com/photos/pm_cheung/sets/72157629374537773/
 http://www.flickr.com/photos/rassloff/sets/72157629373486343/

Anzahl der Demonstranten und Wirkung.

Demo_Teilnehmer 18.02.2012 - 22:29
Ich war heute mit ein parr Leuten auf der Antifademo in Dresden gewesen und nach meinen bzw. unseren Schätzungen waren es min. 13000 Teilnehmer.

...und ich habe lange nicht mehr eine solche kratvolle und entschlossene Demo erlebt diese hatte ihre Wirkung erzielt, es wurde in Dresden gezeigt dass der antifaschistische Widerstand hier im Osten noch lange nicht Tod ist!

Darauf sollte aufgebaut werden, also bewegt euch damit sich was bewegt !

mag

Ein Demo_Teilnehmer

Komisches Konzept

Meooowwww 19.02.2012 - 10:02
Ich war gestern mit einigen Genossen und Genossinnen auf der Demo und wurde schon vom Beginn überrascht - regionale Blöcke, warum das denn? Natürlich stand unser Block dann direkt von den Samba-Trommlern, welche es sich scheinbar seit 2007 zur Aufgabe gemacht haben, den direkt Anwesenden das Hirn wegzutrommeln.
Schön, das ihr Ohrschützer habt, wir hatten keine! Ergo dann auch relativ schnell den regionalen Block verlassen.

Schon am Bahnhof habe ich einige Leute gesehen, die mich irgendwie irritiert haben - MLPD'ler und die DKP kenne ich schon, aber seit wann rennen wir auf linken Demos mit Stalin-Fahnen rum? What the...

Warum auch immer, unser erster Versuch, einen bestimmten Block zu finden, der sowohl unserer politischen Einstellung als auch der aktuellen Kleidung angepasst war, scheiterte grandios. Kleinere schwarze Kleingrüppchen waren durchaus zu finden, welche auch - mehr oder weniger erfolglos - versuchten, sich gegen laute Musik mit antifaschistischen Parolen durchzusetzen.

Als dann schließlich der Neustädter Bahnhof erreicht wurde, nutzten wir die Gelegenheit und besorgten uns erstmal etwas Nahrung in Brötchenform - super. Und dann:
Ein Knall, Cops rennen vor, Antifa brüllt, alles schallt - eine Sekunde lang war die Stimmung von Dresden '10 und '11 da. Dann plötzlich eine Polizeikette, und alles rannte aus dem Bhf. Was war passiert? Irgendjemand hat ein paar Nazis gesehen, ein Schild fiel um, knallte mörderisch laut, Nazis wurden von der Polizei beschützt. Diese zog dann Pfefferspray und 200 Leute zogen flugs Leine.
Kurzum: Viel Lärm um gar nichts.

Aber dann gestaltete sich der Bahnhofsvorplatz um - schwarze Jacken, schwarze Kapuzen, das übliche Klientel halt. Dieses bildete nun endlich einen eigenen Block, der sich dann auch deutlich von der Hauptdemo abspaltete und in der Mittle lief. Parolenmäßig lief hier - gemessen daran, das es so viele waren - eindeutig zu wenig, gerade in den Wohngebieten hätte man noch mal schön Lärm machen können um Stellung zu beziehen.

So blieb es aber bis zum ene hin friedlich, ein einzelner Neonazi-Fotograph wurde fachgerecht der Polizei übergeben (laut Gerüchten leicht lädiert), und alle waren fertig.

Fazit:
Die Demo-Organisation war schlampig! Wenn die hinteren Lautis nicht wissen, warum die vorne stehen bleiben (Handy, Funkgeräte, anyone?) und das ganze zum Stop-and-Go ausartet, wo man auch locker nochmal pennen konnte (sehr angenehm in der Sonne!), dann passt irgendwas ganz gewaltig nicht.
Vlt. das nächste mal eine Art Sternmarsch organisieren, wo sich die Leute entsprechend ihrer politischen Meinung einordnen können, der sich nach 3/4 dann trifft.

Die Demo war aber ein mehr als deutliches Zeichen für einen mittlerweile wieder gesellschaftlich akzeptierten Antifaschismus, der auch die vermeintlich "Extremen" nicht ausschließt - das eröffnet weiteres Potential für andere Demos.

Abschließen kann man da wohl am besten mit der Überschrift dieses Beitrages:
Siamo tutti antifascisti!

Feiren ist wichtig,

Solala 19.02.2012 - 11:10
War gestren in DD, Stimmung gut, Anlass wichtig und Demo richtig!

Aber: Die Antifa-Szene läuft - mal wieder - Gefahr, die Flexibilität der Neonaziszene zu unterschätzen und den Faschisten damit die Straße zu überlassen. Bereits in den letzen Jahren hat sich die Tendenz herausgestellt, dass die Nazis im Umfeld von DD zum Teil mit erheblichen Gewaltpotential auf die Straße gingen.

Seit Jahren nehmen aktive Antifas nun lange Anreisen in Kauf m in DD gegen die Nazis zu protestieren. Die umliegende Provinz kommt meist gar nicht in den Blick - erst nachem dann die NAchrichten von den Aufmärschen durch die Ticker gelaufen sind.

Dieses Jahre aber war es im Vorfeld bekannt, dass die Nazis nicht nach DD kommen werden. Es ist auf jeden Fall verstaändlich, dass aufgrund der Geschichte des Protestes und der schwierigen Etablierung der Proteststrukturen in diesem Jahr die Freude über den großen Erfolg sowie die völlig unverhältnismäßigen staatl. Repressionen in Form einer großen gemeinsamen Demo zum Ausdruck gebracht werden sollte.

Doch zeichnet sich in aller Deutlichkeit für die nächsten Jahre ab, dass entwerder die "Gedenkmärsche der Nazis" zu anderen Jahrestagen in anderen Städte immer wichtiger werden - Chemnitz, Magdeburg etc. Oder dass anlässlich des 13. Feb. in anderen Städte Aktionen stattfinden werden. Die Antifa wird hier Strategien entwicklen müssen! Ist DD Geschichte, die Antifa hat gewonnen und nun kann Mitte Februar endlich auf das lange Reisen verzeichtet werden, soll der Erfolg nun regelmäßig jedes Jahr in DD gefeiertw erden oder wird sich auf die zunehmden flexible Aktionsform der Nazis eingelassen und im nöchsten Jahr kommen ähnlich viele Busse aus Berlin, Hamburg, Köln, München und und und in die Region um evtl. staatfindende Aufmärsch aktivb zu behindern. Wird auf den sich abzeichnede Bedeutungszuwachs anderer "Gedenkmärsche" in der Nazisszene reagiert.
Dieses Jahr ist daher durchaus neben Freude auch ein Anlass Strategie und Struktur der Antifaproteste in den nächsten Jahren zu überdenken

Grund der Eskalation

anonym 19.02.2012 - 12:13
Im Anschluss an das Ende der Demonstration kam es nach Provokationen durch die Polizei zu einigen Flaschenwürfen, bei denen auch mehrere unbeteiligte Personen getroffen wurden.

Das ist falsch. Der Grund, warum es vor der Tankstelle in der Großenhainerstr. eskalierte, war eine Auseinandersetzung zwischen offensichtlich Anti-D's und Anti-Imps etwa auf Höhe der Weinböhlaer Str. Ein Anti-D' meinte, einer Bezugsgruppe die Palästina-Fahne entreißen zu müssen. Die daraufhin entstehende Boxerei verlagerte sich hoch Richtung Tankstelle, die Bullen sahen das und rockten rein, weil es deren Aufgabe ist.

Versucht endlich mal, neben politischen Absichten hinter solchen Aktionen des Staatsapparates auch welche in Erwägung zu ziehen, die seiner Immanenz für die Aufrechterhaltung seines Zustands von "Ordnung und Sicherheit" entspringen. Will sagen: Prügeln sich Leute, müssen Bullen dazwischen gehen, weil sie es so gelernt haben - selbst wenn die Hoffnung besteht, dass es doch noch zu einem gewaltfreien Diskurs zwischen den Streitenden kommen kann

Redebeitrag der Antifa AG17 aus Erfurt

--- 19.02.2012 - 12:38
Ein Nazimordkommando und die flächendeckende Telefonüberwachung als polizeiliches Mittel scheinen auch in der linksradikalen Antifa Themenschwerpunkte für politische Mobilisierungen zu sein. Es wird zwar immer wieder betont, dass das eigentliche Problem die Gesellschaft ist, jedoch bleibt es meist bei einer Interpretation der medialen Aufhänger. Das ist nicht falsch, aber auch meist unvollständig.

Es ist fatal für die Linke, im Fahrwasser von Medienskandalen um öffentliche Aufmerksamkeit kämpfen zu müssen. Die Gesellschaft wird hierbei notgedrungen von ihren Rändern, von ihren Ausnahmen und dem Extravaganten her erklärt. Schlussendlich wird, gewollt oder ungewollt, der demokratische Normalzustand als bessere Alternative verteidigt.
...


mehr hier:  http://www.autistici.org/ag17/Startseite/Redebeitrag-Dresden-18_02_2012.html

Als pdf:  http://www.autistici.org/ag17/Flyer-Redi-dd.pdf

Zeitungsartikel

Antifa 19.02.2012 - 13:06
SPD kritisiert Kürzung bei Initiativen gegen Rechts

Dresden. Die SPD hat der schwarz-gelben Koalition in Sachsen Kürzungen im Kampf gegen Rechtsextremismus vorgehalten. Für das Kulturbüro Sachsen und die Opferberatung seien in diesem Jahr insgesamt 50.000 Euro weniger eingeplant, obwohl die Netzwerke schon jetzt unterfinanziert seien, erklärte der Abgeordnete Henning Homann am Samstag in Dresden. „Diese Kürzung durch die Hintertür darf nicht sein.“ Beide Initiativen würden eine wichtige Arbeit leisten.

Homann berief sich auf eine Antwort des Sozialministeriums auf eine Kleine Anfrage im Landtag. Demnach stellt das Innenministerium Sachsens Geld in bisherigem Umfang bereit. Zugleich kürzt aber das Sozialressort. (dpa)

Quelle: Sächsische Zeitung (18.02.2012)

Die Flaschenwürfe waren schlichtweg scheiße!

Namenlos 19.02.2012 - 14:16
Hatte mir vor langer Zeit abgewöhnt überhaupt noch etwas auf Indy zu posten, geschweige regelmäßig reinzuschauen. Die Gründe kennen fast alle: zu viele Schwachköppe die ihren (oftmals rechten) bullshit hier posten können der nicht mal nach Hinweisen an die Moderation rausfliegt.
Was sich da gestern abgespielt hat, Leute sorry, auch wenn ich hiermit für einige "die politische heilige Kuh schlachte", Flaschen von hinten 40-50 cm über die Köppe der anderen zu schmeißen die direkt vor den Bullen stehen, ist fucking gefährlich und dermaßen scheiße, daß ich mein Vorhaben aufgegeben habe, mich hier schriftlich nie mehr einzubringen. Mindestens eine Pulle ist in umstehende DemoteilnehmerInnen geflogen, ganz große Klasse. Ich will hier weder spalten, noch moralisch anprangern, aber wer so verantwortungslos drauf ist, sucht sich besser eine andere Gelegenheit um zu zeigen, wieviel scheiße "ihr" in der Rübe habt.

Noch ein Artikel und Fotos

Antifa Westhavelland 19.02.2012 - 16:27

18.02.2012 Bilder

Sachse 19.02.2012 - 18:29

Vom Mythos der unschuldigen Stadt

fan 19.02.2012 - 20:39

Fotos: Dresden - Siamo tutti antifascisti!

Umbruch Bildarchiv 21.02.2012 - 11:36

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arm — xVx

@xVx/arm — whatever

Kritik — WarDa

... — ...

Was für ein Tag! — grinsegrim

@ einige Naziposter hier: — Demo_Teilnehmer

SAMBABLOCK !?!?! — cccp

Danke — Bertino

Liedtitel — wurde ausgefüllt