Griechenland: 11.02.2012

Contra-Info 13.02.2012 00:14 Themen: Antifa Globalisierung Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Tag 2 des 48-stündigen Generalstreiks und der landesweiten Mobilisierung gegen die Spardiktate
Griechenland: Zweiter Tag der landesweiten Protestmobilisierung – Das Varkiza-Abkommen wurde gebrochen, wir befinden uns wieder im Krieg

Der 11. Februar – zweiter Tag des landesweiten Generalstreiks- begann mit der Besetzung etlicher öffentlicher und Regierungsgebäude, z. B. Rathäusern. Die Gebäude wurden von Leuten besetzt, die zur sofortigen Rücknahme des neuen Bailouts aufrufen. Es existieren Stimmen, die bisher nicht gehört wurden. Innerhalb und außerhalb der Gefängnismauern ganz Griechenlands rufen sie dazu auf, die demokratische Junta komplett zu zerstören, bis hin zur sozialen Revolution.

Seit drei Tagen besetzen Anarchist_innen/Antiautoritäre und andere Unterstützer_innen die Juristische Fakultät im Zentrum Athens. Angestellte der psychiatrischen -und der Sondereinrichtungen des Gesundheitswesens besetzten das Gesundheitsministerium. Diese Angestellten verteidigen nicht nur ihre eigenen Arbeitsrechte, sie verteidigen auch das Existenzrecht zehntausender psychiatrischer Patient_innen und deren Umgangsrecht mit uns. Sie führen einen kollektiven Kampf gegen die Kürzungsmaßnahmen, die ihren Patient_innen jegliche Überlebensgrundlage entziehen. Diese Menschen bewegen sich permanent auf dem schmalen Grat zum Ausschluss, da die kapitalistische Welt sie als “nutzlos”, “unproduktiv” und “problematisch” betrachtet. Trotzdem die Forderungen, die die Streikenden bisher stellen nicht radikal sind, verdient ihre Besetzung des Gesundheitsministeriums unsere vollste Solidarität, denn allen voran schafften sie es, die nackte Realität des institutionalisierten sozialen Kannibalismus in diesem Land und über seine Grenzen hinweg, offenzulegen.

Um 11 Uhr (MEZ) war die besetzte Juristische Fakultät von einem Großaufgebot an Polizeieinheiten (Polizeimannschaften und Zivibullen) umstellt. Die Bullen durchsuchten sogar die Taschen der Leute, die versuchten in das besetzte Gebäude zu gelangen. Am Morgen befanden sich 40 Kolleg@s in dem Gebäude. Drinnen sendete die freie Radiostation 98 FM aus einem privaten Piratenstudio, das gestern dort eingerichtet wurde (Kontaktnummer:+30 210 3688703). Die Demo startete von der Propylaea in der Paneptistimiou Straße. Zur selben Zeit funktionierte weder die Webseite athens.indymedia.org, noch die Webseite der freien Radiostation aus Thessaloniki 1431am.org. Für Infos stand aber allen der Chatroom #athens im chat.koumbit.net offen. Die freie Radiostation von Mytilini spiegelte die Updates aus der 98 FM Radiosendung.

Die U-Bahnstation Omonia blieb geöffnet und so machte sich eine (eher benommene) Menge in Richtung Syntagma Platz auf. Gegen 12 Uhr (MEZ) erreichten alle Demoblöcke den Syntagma Platz. Gemessen am Ernst der Lage war das Ergebnis nicht das erwartete. Die Stalinist_innen der PAME verschwanden in der Filellinon Straße, während die Polizeimannschaften vor dem Denkmal des unbekannten Soldaten und dem Parlament standen.

Zu diesem Zeitpunkt schlossen sich insgesamt 600 Antifas der Mittagsdemo gegen Wehrpflicht und gesetzlich vorgeschriebenen Militärdienst an, die im Thissio-Bereich startete und auf dem Canningos Platz im Zentrum Athens endete. Einer der Sprechchöre lautete: NIEMALS UND NIRGENDWO MEHR SOLDATEN, FÜR DIE BOSSE ZIEHEN WIR NICHT IN DEN KRIEG!

In Thessaloniki demonstrierten fast 1.000 Menschen (hauptsächlich von Basisgewerkschaften) und zogen von Kamara zum Aristotelous Platz. Dort besetzten Demonstrant_innen das “Olympion”-Gebäude, ein historisches Kino im Stadtzentrum, um drinnen eine offene Versammlung abzuhalten und den Raum als Koordinationsbasis für den Kampf der nächsten Tage zu nutzen.

Anarchist_innen rufen zur Demonstration auf dem Syntagma Platz am Sonntag, den 12. Februar um 17 Uhr (MEZ)

In Athen protestierten um 13.30 Uhr schätzungsweise 5.000 Menschen vor dem Parlament. Bevor die Demo endete wurden laut Berichten zwei Protestierende (wahrscheinlich ohne Personalausweis) außerhalb der Juristischen Fakultät festgenommen. Die Ermou Straße (eine der größten Einkaufsmeilen Athens) im unteren Abschnitt des Syntagma war trotz der Streikmobilisierungen mit potentiellen Käufer_innen, die allein von ihren Konsumgelüsten und Tourismusverlangen getrieben wurden, vollgestopt. Der letzte Demoblock zog sich aus der Propylaea in der Panepistimiou Straße zurück und der Straßenverkehr kehrte schnell wieder zur Normalität zurück. Der anarchistische Block zog bald in die besetzte Juristische Fakultät. Einige blieben noch eine Weile vor dem Denkmal des unbekannten Soldaten, wo sie den Polizeimannschaften direkt gegenüberstanden, die dort aufgereiht waren, um ihre Bosse zu beschützen.

Sobald athens.indymedia.org wieder erreichbar war, kamen die Nachrichten aus Mytilini (Insel Lesvos). Dort protestierten fast 200 Menschen in einer stillen Demo. In einer Stadt, in der alle Läden geöffnet hatten (und die gleiche Streikbrecherpraxis spielte sich in auch in anderen Städten ab), verteilten die Kolleg@s Texte, um den Klassenkampf zuzuspitzen.

In Patras leerten rund 30 Anarchist_innen die Regale eines Supermarktes und verteilten die enteigneten Produkte unter den Menschen, die sich in der Nähe eines Open-Air-Marktes aufhielten. Später, während einer Demo, an der circa 1.000 Menschen teilnahmen, wurden in mehren Banken Geldautomaten und Überwachungskameras geschrottet. Eine Pfandleihe wurde mit Steinen angegriffen, die Scheiben einer Filiale der ZARA-Modekette wurden eingeworfen. Am vorigen Tag, 10. Februar, wurden zwei Goldaufkaufsläden (Kredithaie) in der Korinthou Straße und am Olgas Platz angegriffen. Die Bullen warfen Tränengas in die Menge, doch den Protestierenden gelang es, sich wieder auf dem Georgiou Platz zu versammeln. Die Demo erreichte die besetzte Präfektur und endete wieder auf dem selben Platz. Der anarchistische Block lief weiter, bis er sich vor der besetzten Parartima auflöste.

An der Abenddemo gegen die Verabschiedung der multinationalen ACTA durch die EU um 16.30 Uhr, nahmen auf dem Syntagma etwa 400 Menschen teil. Das sogannte Handelsabkommen gegen die Produktpiraterie soll im Juni 2012 beschlossen und auvh vom griechischen Parlament ratifiziert werden (weltweit werden mehr Aktionen gegen die ACTA werden folgen). Die Protestierenden verteilten tausende Flyer gegen die globale Internetüberwachung und die Kriminalisierung der freien Ideenverbreitung.

Zur späteren Stunde, gegen 19.45 Uhr fand eine offene Versammlung in der besetzten Juristischen Fakultät (Zugang von der Solonos Straße) statt. Die Besetzer_innen hielten alle Unterstützer_innen dazu an, sich ihren Besetzungsaktivitäten, die als Basis zur Ausweitung und Koordination des Widerstands fungieren, anzuschließen.

Antifaschistische Intervention in Livadia; auf dem Banner steht: “Faschos und Bullen arbeiten Hand in Hand; scheiß auf LA.OS. und [seinen Vorsitzenden] Karatzaferis”.

In Ilion, Nord-West Athen, nahmen 150 Menschen an einem lokalen Protest teil. Während der Demo wurden Parolen an die Fassaden mehrerer Banken, des Rathauses und den Lokalbüros der beiden dominierenden parlamentarischen Parteien PASOK und Nea Dimokratia, geschrieben.

Auf der Insel Naxos trafen sich 30 Mitglieder der autonomen Versammlung am Hafen der Stadt Naxos und verteilten Texte, die von der Bevölkerungsrevolte handeln.

Es gab örtliche Demos in verschiedenen Bezirken (vor allem in Attika), die zu den Protesten gegen das Regime am Sonntag in griechischen Städten mobiliesierten, sowie etliche Supermarkt-Enteignungen. Zu den bedeutensten direkten Aktionen des Tages kam es in Livadia, wo militante Antifaschist_innen eine geschlossene Versammlung von Verbrechern der ultrarechten Partei LA.OS. unterbrachen und in Heraklion (Insel Kreta), wo Anarchist_innen/Antiautoritäre am Vormittag das örtliche Studio des Mainstreamsenders KretaTV besetzten. Sie unterbrachen die Nachrichtensendung und verbreiteten stattdessen einen Aufruf zum Generalstreik, auf dem Bildschirm stand: “Kapitalismus oder Revolution”. Im Anschluss an diese Aktion zogen sie vor das Alikarnassos Gefängnis. Dort verweilten die Kolleg@s etwa eine halbe Stunde und riefen Soliparolen für die Gefangenen des Kampfes.

Videos, etc.:  http://de.contrainfo.espiv.net/2012/02/13/griechenland-zweiter-tag-der-landesweiten-protestmobilisierung-das-varkiza-abkommen-wurde-gebrochen-wir-befinden-uns-wieder-im-krieg/
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Ergänzungen

Das Abkommen von Varkiza 1945

Machno 13.02.2012 - 00:29
Ein verwandter anarchistischer Slogan lautet: “Das Abkommen von Varkiza wurde gebrochen; wir befinden uns wieder im Krieg.”

Um sich ihre Legalität im neuen Regime zu sichern, betrog die stalinistische KKE (“Kommunistische Partei Griechenlands”) 1945 mit dem Abkommen von Varkiza, den bewaffneten Kampf tausender im Bürgerkrieg kämpfender.

varkiza

ale 13.02.2012 - 01:38

15.02.12 - Soli Kundgebung in FFM

No Troika! 13.02.2012 - 17:17
Kundgebung in Frankfurt
Mit. 15.02. - 17:00 - Willy Brandt Platz Frankfurt

Weg mit dem Sparpaket, weg mit der “Troika” und endlich Schluss mit Staat und Kapital!
Solidarität mit dem Aufstand in Griechenland!
Kundgebung von “No Troika” Frankfurt & autonome antifa [f]

Weiter Infos folgen in Kürze! Haltet euch auf dem Laufenden was gerade in Griechenland passiert! Ihr Kampf muss auch unser Kampf sein!

15.02.12 - Soli Kundgebung in FFM

No Troika! 13.02.2012 - 17:19

Kundgebung in Frankfurt
Mit. 15.02. - 17:00 - Willy Brandt Platz Frankfurt

Weg mit dem Sparpaket, weg mit der “Troika” und endlich Schluss mit Staat und Kapital!
Solidarität mit dem Aufstand in Griechenland!
Kundgebung von “No Troika” Frankfurt & autonome antifa [f]

Weiter Infos folgen in Kürze! Haltet euch auf dem Laufenden was gerade in Griechenland passiert! Ihr Kampf muss auch unser Kampf sein!

Geniale Fotostrecke

:-) 13.02.2012 - 19:48

@no troika

. 14.02.2012 - 02:55
Die internationalistische Ausrichtung der (f) ist ja mal lobenswert, kommen sie doch allmählich von ihrem AD-Trip runter. Allerdings sind einige Analysen nach wie vor sehr widersprüchlich oder auch ganz einfach falsch. Problematisch ist vor allem die Negierung des personellen im Kapitalismus, wie das auch sehr schön bei dem Vortrag in Thessaloniki zum Ausdruck kam:

 http://umsganze.org/2011/10/15/audio-mitschnitt-der-veranstaltung-in-thessaloniki-griechenland-ist-online/

Für die (f) und das "Ums Ganze Bündniss" (die f ist Teil des davon) ist der Kapitalismus immer noch ein abstraktes System (gleiches sagen sie auch über den "Staat"), daraus resultieren dann solche Formulierungen wie "JEDER möchte gegen den anderen im Kapitalismus in der Konkurrenz siegen" oder "Der KAPITALISMUS möchte die Arbeiter möglichst effektiv Ausbeuten" (ca. bei Minute 4 im Vortrag)... es folgen zahlreiche solcher Unsinnsformulierungen.

Die (f) und Ums Ganze trauen sich einfach nicht zusagen das es DER KAPITALIST ist, welcher ausbeuten und in Konkurrenz siegen möchte und zwar nicht aus einem systemischen Zwang heraus wie behauptet, sondern weil es seine Ideologie, seine freie Entscheidung ist, sein überzeugter Wille. Das unterscheidet den Kapitalisten von all denjenigen die eben nicht ausbeuten und in Konkurrenz siegen wollen, ich zähle mich übrigens dazu ;-)

Aus diesem Unvermögen die Akteure des Systems benennen zu können (oder wollen) folgt dann eine abstrakte Systemkritik die nicht nur "kein Banken-Bashing betreiben möchte" (Aufruf zur Demo M31) sondern eben jene Gruppen die solches betreiben ebenfalls zur Zielscheibe der Kritik werden lässt. Damit betreiben Ums Ganze u.a. (die Jungle World ist na klar auch mit im Boot) nicht nur verkürzte bzw. falsche Kapitalismuskritik sondern sie entsolidarisieren sich auch mit all jeden, die bestrebt sind in irgendeiner Form gegen den Kapitalismus zu kämpfen. Letztendlich hofieren sie den Kapitalisten damit in doppelter Hinsicht.

Trotzdem möchte ich niemanden davon abhalten zur morgigen Soli-Griechenland-Demo zu gehen, denn der internationalistische Ansatz ist der richtige und ihr könnt vor Ort mit den Leuten von der (f) und UmsGanze diskutieren.

Reich in Griechenland

hey 15.02.2012 - 03:36
Hier könnt ihr gucken was es mit den systemischen Zwängen so auf sich hat:

 http://www.swr.de/report/dossiers/-/id=8246696/gp5=superPano512/gp4=8793022/nid=8246696/did=8793022/15q5kdu/index.html

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