Zu schön um wahr zu sein: Private Gefängnisse

Kurt Sonntag 11.02.2012 15:06 Themen: Antirassismus Blogwire Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Im Januar 2012 legte das unabhängige Sentencing Project einen Bericht über die private Gefängnisindustrie in den USA vor, der es lohnt, genauer betrachtet zu werden.

Es folgt eine kleine Besprechung.
Das Sentencing Project sich die Entwicklung der letzten 30 Jahre vor dem historischen Hintergrund an und kam zu folgendem Schluss: "... private Gefängniskonzerne (haben) die Notwendigkeit nach einer große Gefangen Zahl. Um Profite zu sichern, werden unangemessene Anreize an Regierungsstellen gegeben, für Richtlinien zu werben, die noch mehr Menschen ins Gefängnis bringen."

Im historischen Abriß fehlt eine genauere Betrachtung der Sklaverei. Dafür werden aber die Zusammenarbeit staatlicher Institutionen sowie privater Dienstleister bei der Inhaftierung ab 1790 und deren Ausweitung seit 1980 untersucht.

Auf 22 Seiten legt der Bericht mit Quellenangaben detailliert dar, wie es zu dem massiven Anstieg der Gefangenen Zahlen in den USA seit der Amtszeit Reagans kam und warum seit dem jede Administration dem Lobby Druck der Gefängnisindustrie nachgegeben hat. Erst langsam scheint den Kommunen in den USA bewusst zu werden, dass sie schlussendlich mit den Kosten zurück bleiben, während die Konzerne die Gewinne mitnehmen.

Gewinne privater Konzerne in Gefängnissen resultieren in überwiegender Mehrheit aus Verschlechterung der Haftbedingungen und Versorgung der Gefangenen sowie dem weiteren "Outsourcen" von Infrastruktur. Die Gesundheitssituation sowie die oft permanente Isolation von sehr vielen Gefangenen führen seit 2010 regelmäßig zu Massenaufständen in den Gefängnissen, wobei die Unterschiede zu staatlichen Haftanstalten dabei kaum ins Gewicht fallen. Auch in staatlichen Gefängnissen wird häufig versucht, Gewinne aus Gefangenen zu erwirtschaften.

Die größte Lobby Gemeinschaft stellt die in Kalifornien entstandene Correctional Corporations of America (CCA) dar. Statistisch lassen sich deren hohe Lobby Ausgaben und den darauf laufenden Gesetzesverschärfungen sowie Anstieg der Inhaftierungsraten nachvollziehen. Besonders in Wahlkampfzeiten ist CCAs "Political Action Committee" im Einsatz, um sowohl auf Bundesstaats- sowie föderaler Ebene politischen Einfluss zu kaufen.

Beispielhaft wird auf den 2010 bekannt gewordenen Justizskandal in Pennsylvania eingegangen. Dort hatten zwei Jugendrichter jahrelang Jugendliche gegen private Geldzahlungen in eine Privatgefängnis gesteckt, obwohl sie gar keine ausreichenden Verurteilungsgründe dafür hatten. Richter und Staatsanwälte sind in Pennsylvania und vielen anderen US Bundesstaaten gewählte Ämter.

Eine Darstellung der Bevölkerungsgruppen, die dieser Vermengung von Staat, Justiz und privaten Geschäftsinteressen zum Opfer fallen, fehlt in dem Bericht leider. Der rassistische Charakter der Masseninhaftierung wird deutlich, wenn mensch betrachtet, dass aus der Bevölkerungsgruppe der ca. 20% People Of Color in den USA ca. zwei Drittel der derzeit 2,5 Millionen Gefangenen entstammen. Laut US Regierung sind seit April 2011 mehr Afro-Amerikaner_innen in den USA inhaftiert, als es vor 1865 in der Sklaverei waren. Natürlich ist die Bevölkerungsgröße seit 1865 enorm gewachsen, aber eine materielle Entschädigung der ehemaligen Sklav_innen oder der Überlebenden des Massenmordes aus der indigenen Bevölkerung hat bis heute nicht stattgefunden. Folglich ist die materielle Not dort bis heute ungebrochen hoch und führt überproportional zu Verurteilungen, obwohl es statistisch keinen Unterschied bei Anklageerhebungen in irgend einer Klasse oder Bevölkerungsgruppe der USA gibt. Grundlage hierfür ist nach Meinung von Kritiker_innen der Rassismus und der ausgesprochene Klassencharakter der Justiz. In Kombination mit privatwirtschaftlichen Interessen ergibt dies das derzeit größte Arbeitslager des Planeten.

Da in der EU, u.a. auch in der BRD, in den letzten Jahren Bestrebungen laufen, Gefangene auch hier industriell auszubeuten, stellen die Erfahrungen aus den letzten 30 Jahren in den USA wichtige Grundlagen für eine linke Kritik gegen die Knastgesellschaft hier dar.

Der vollständige Report kann als PDF in englisch hier gelesen werden:
Too Good to be True - Private Prisons in America (January 2012 - engl)
 http://sentencingproject.org/doc/publications/inc_Too_Good_to_be_True.pdf
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Ergänzungen

Demos und Aktionen gegen Gefängnisindustrie

Free Mumia Berlin 11.02.2012 - 15:24
In Kalifornien und an der Ostküste der USA gibt es am 20. Februar einen Aktionstag gegen die Isolationshaftbedingungen und die Masseninhaftierung in den gesamten USA. Occupy Oakland ruft dazu gemeinsam mit vielen Anti-Knast, Anti-Todesstrafen- sowie Gefangenensolidaritätsgruppen auf.

Am 24. April wird unter dem Motto "Occupy the Department of Justice: Free Mumia! Stop the prison nation!" zu einer Massenaktion zivilen Ungehorsams nach Washington DC mobilisiert. (Der 24. April ist Geburtstag des inhaftierten Aktivisten Mumia Abu-Jamal, der selbst seit Jahrzehnten über die Gefängnisindustrie veröffentlicht.)

In Berlin gehen Unterstützer_innen von Mumia Abu-Jamal gemeinsam mit vielen anderen am 21. April auf die Straße. Unterstützt werden sie dabei auch von Aktivist_innen aus den USA, wie z.B. dem ehemaligen Todestraktgefangenen Harold Wilson, der 17 Jahre gemeinsam mit Mumia in SCI Greene sass. Weitere Infos unter  http://www.freiheit-fuer-mumia.de/termine.htm

Die USA brauchen eine Massenbewegung

Mumia Abu-Jamal 11.02.2012 - 15:51
Die USA brauchen eine Massenbewegung gegen den gefängnisindustriellen Komplex

Als ich davon hörte, daß jetzt im kalifornischen Oakland dazu aufgerufen wurde, »die Gefängnisse zu besetzen« (...) Denn die Gefängnisse sind zu einer Metapher geworden, zur Schattenseite Amerikas. (...) während die USA in Wirklichkeit im Bereich der Gefängnisindustrie weltweit an der Spitze stehen, war es allerhöchste Zeit für die Occupy-Bewegung, ihre Aufmerksamkeit auf dieses Problem zu richten. Das war überfällig, denn die USA sind das führende Land beim Wegsperren von Menschen, was größtenteils eine Folge der schleichenden Effekte des sogenannten Antidrogenkriegs ist, den ich als »Krieg gegen die Armen« bezeichne (...) Jeder Staat, jeder Landkreis, ja jedes kleine Nest in den USA unterhält heute ein Gefängnis und damit einen Ort, an dem die Verfassung nicht existiert und Sklavenarbeit so gut wie legalisiert ist.

weiter auf  http://baskinfo.blogspot.com/2012/02/mumia-abu-jamal-die-usa-brauchen-eine.html

They are trying to build a prison

disorder 11.02.2012 - 21:17
“Jeder Mensch, der vor den Mauern eines Gefängnisses stand und sich nicht für die Degradierung der Menschheitsgeschichte schämte, muss entweder ein_e Wärter_in oder blind sein.”

Redebeitrag zur Privatisierung von Knästen

TMF - gelesen von Radio Aktiv 12.02.2012 - 21:18
Redebeitrag des anarchistischen Gefangenen Thomas Meyer-Falk (zur Zeit in der JVA Bruchsal) über die Privatisierung des Knastsystems in der BRD.

gelesen von Radio Aktiv - zu hören unter  http://www.freie-radios.net/46384

...

... 13.02.2012 - 09:32
"...warum seit dem jede Administration dem..."

Die "Administration" ist die Regeriung, wird das Wort einfach so in einem deutschen Satz benutzt handelt es sich um eine Verwaltung.

Hungerstreikender Gefangener

in Kalifornien gestorben 14.02.2012 - 21:56
Prisoners at Cocoran Continue Hunger Strike, Concerns Rise Over Health Conditions
Posted on February 10, 2012

Prisoners in the Corcoran Administrative Segregation Unit (ASU) have been striking for periods of time since late December 2011. It’s likely that some number of prisoners have been striking for the last two weeks. As of February 9, the California Department of Corrections and Rehabilitation (CDCR), disclosed that 30 men were still striking and a representative in the office said that prisoners had been intermittently striking for the last month. The CDCR has consistently misreported the numbers of prisoners on strike around California, and we’ve heard rumors of numbers anywhere from 50 to 200.

more info at  http://prisonerhungerstrikesolidarity.wordpress.com/2012/02/10/prisoners-at-cocoran-continue-hunger-strike-concerns-rise-over-health-conditions/

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Verwaltung - ja und? — administrative Ratlosigkeit