Nazis wollen in Cottbus marschieren

Antifa Cottbus 09.02.2012 12:28 Themen: Antifa Antirassismus Soziale Kämpfe
Seit 2009 gibt es – neben den Neonazi-Großveranstaltungen in Dresden – auch in Cottbus Versuche, an den bundesweiten Opfermythos anzuknüpfen. So planen auch in diesem Jahr regionale Nazistrukturen aus NPD und Freien Kräften ein zentrales Event für die Szene. Am Mittwoch, den 15. Februar, mitten in der Woche der Dresdener Termine, wollen sie erneut ihren „Trauermarsch“ durchführen.

Infos unter: www.antifa-cottbus.de - www.cottbus-nazifrei.info
Zu einer aktuellen Provokation und bildhafter Ideologiebekundung seitens der Neonazis kam es bei der letzten Cottbuser Stadtverordnetenversammlung am 25. Januar diesen Jahres. Bei der Abstimmung um den Aufruf des bürgerlichen Bündnisses „Cottbus bekennt Farbe“, der zu Veranstaltungen gegen den geplanten Naziaufmarsch aufruft, zeigte das Nazi-Urgeistein Frank Hübner den Hitlergruß. Dieses skandalöse Verhalten zeigt einmal mehr das wahre Gesicht der Organisatoren und verdeutlicht den NS-verherrlichenden Charakter des geplanten Aufmarsches.

Die Vorbereitungen gegen den Aufmarsch im Februar sind in vollem Gange. Wir, die Antifa Cottbus unterstützen den Aufruft von „Cottbus Nazifrei!“ und rufen ebenso wie im vergangenen Jahr gemeinsam zu massenhaften Blockaden auf! Wir werden uns wi(e)dersetzen! Der diesjährige Aufmarsch ist an einem Mittwoch und genau zwischen beiden Aktionstagen in Dresden. Wir zählen auf die Masse der Cottbuser_Innen mit denen der Aufmarsch schon im letzten Jahr zeitweise blockiert werden konnte. Das Mittel des zivilen Ungehorsam muss tiefer in die regionale Protestkultur verankert werden und in diesem Jahr noch mehr Menschen auf die Straßen in Cottbus und Dresden bringen. Sowohl für den 13. als auch für den 18. Februar wird es wieder Busse aus Cottbus nach Dresden geben. ...
Anfänge des Nazigedenkens 2009: Kundgebung am „Turnerdenkmal“ und verbannter Protest

Eine offizielle "Trauerveranstaltung" am Jahrestag der Bombardierung gab es erstmalig am 15. Febraur 2009. Die beiden regionalen Abgeordneten der NPD Ronny Zasowk und Frank Hübner baten um eine "zentrale Gedenkstunde für die Opfer des alliierten Verbrechens" im Stadthaus. Diese wurde ihnen durch die restlichen Stadtabgeordneten nicht gestattet. Daraufhin meldeten die Neonazis eine Kundgebung unter freiem Himmel an. Kurz nach dem Großaufmarsch in Dresden mobilisierte der Landesverband der NPD Lausitz zu einer Kundgebung am Turnerdenkmal. Der von den Neonazis gewählte Ort war jedoch thematisch dem eigentlichen Thema nicht entsprechend. Das Turnerdenkmal ist den gefallenen Turnern und Sportlern im Ersten Weltkrieg gewidmet. Knapp 60 Neonazis aus Cottbus und der näheren Umgebung nahmen an der Veranstaltung, die fernab der öffentlichen Wahrnehmung lag, teil. Antifaschistischer Protest wurde durch hohe Polizeipräsenz und den Einsatz zahlreicher Zivilbeamter unmöglich gemacht. Polizisten sprachen allen Protestierenden weiträumige Platzverweise aus und „begleiteten“ diese durch die gesamte Stadt. Hier wurde seitens der Polizei recht schnell deutlich, dass Protest gegen faschistisches Gedenken keinesfalls erwünscht ist. Zuletzt wurde den Neonazis gar gestattet, ein "Trauergesteck" an den Gedenkplatten für die Opfer des Bombenangriffs auf dem Cottbuser Südfriedhof abzulegen, welches jedoch entfernt wurde. Seitens bürgerlicher Akteur_Innen bekam die NPD-Kundgebung sowie das schikanierende Verhalten der Polizei keinerlei Aufmerksamkeit.

Von „Gedenkkundgebung“ zum Naziaufmarsch 2010: Antifa-Kundgebung und Pressesperre

Ein Jahr später entwickelte sich der Jahrestag der Bombardierung Cottbus` von einer stationären Kundgebung zum Aufmarsch durch die Südstadt. 2010 mobilisierten die Neonazis bereits öffentlich für ihren Aufmarsch. Vertreten wurden sie hierbei erneut durch den Kreisverband der NPD Lausitz. Nach längerer interner Mobilisierung, meldeten die Neonazis ihren Aufmarsch erst ca. 2 Wochen vor dem 15.02. an, um die Vorbereitungszeit der Gegenveranstaltungen stark zu verkürzen. Nicht mehr als 200 Neonazis folgten dem Aufruf der NPD. Wir als Antifa Cottbus organisierten an der Aufmarschroute eine Gegenkundgebung. Unserer Mobilisierung folgten etwa 350 Menschen aus unterschiedlichen politischen Spektren. Kurz nach der offiziellen Auflösung unserer Kundgebung wurde versucht die Route des Naziaufmarschs zu blockieren, was jedoch aufgrund der massiven Polizeipräsenz und der recht kurzen Mobilisierungszeit unsererseits nicht zufriedenstellend funktionierte. Im weiteren Verlauf des Abends kam es zu Materialblockaden auf der Aufmarschroute und einigen Konfrontationen mit Neonazis. Im Laufe der Nacht kam es dann von seitens der Neonazis zu einem versuchten Angriff auf ein linkes Hausprojekt, welcher abgewehrt werden konnte.

Das Verhindern des Aufmarsches war durch die massive Polizeipräsenz und Willkür schwierig. Ein weiterer Faktor, der eine breite Gegen-Mobilisierung einschränkte, war eine Pressesprerre der Polizei über sämtliche politischen Ereignisse rund um den Tag der Bombardierung. Das Thema „Naziaufmarsch“ wurde somit bewusst ignoriert und der breiten Öffentlichkeit vorenthalten. Ebenso haben sich weite Teile der bürgerlichen Initiativen dem schon des Öfteren praktizierten "Wegschau-Konzept" angeschlossen und den Neonazis den öffentlichen Raum für ihre Propaganda überlassen. Geplant war auch die notwendige linke Gegenveranstaltung unter den Tisch zu kehren. Dieses Vorgehen wurde unsererseits und von Einzelpersonen stark kritisiert. Trauriger Höhepunkt dieser ereignisreichen Wochen war ein Brandanschlag auf einen Asia-Markt im nahe gelegenen Drebkau, bei dem ein „politischer Hintergrund“ wie so oft ausgeschlossen wurde.

2011: Erster Versuch Cottbus Nazifrei! – Kriminalisierung und bürgerlicher Protest

Auch im Jahr 2011 hielten Neonazis an ihrem Opfermythos fest und versuchten an den mäßigen „Erfolg“ des Vorjahres anzuknüpfen. Hierzu meldeten sie auf der Route des Vorjahres erneut einen Aufmarsch an. Um diesen zu verhindern hat sich das Bündnis „Cottbus Nazifrei!“ gegründet. Dies ist ein vielfältiger Zusammenschluss aus linken/ antikapitalistischen Gruppen, Partei-Jugendverbänden, Gewerkschaften und Studenten, die alle die gemeinsame Intention haben, neonazistische Strukturen und Aufmärsche der rechten Szene in Cottbus nicht zu dulden. „Cottbus Nazifrei!“ setzte sich zum Ziel den Aufmarsch durch zivilen Ungehorsam in Form von friedlichen Massenblockaden zu verhindern. Das Konzept hat sich unserer Ansicht nach praktisch bewährt, da so vielfältiger mobilisiert werden konnte. Das Bündnis hatte innerhalb kurzer Zeit eine beachtliche Liste an Unterstützer_Innen. Dadurch wurden die Infoveranstaltungen gut besucht und viele beteiligten sich am Blockadetraining.

Obwohl das Bündnis von vielen Organisationen getragen wurde, war es von Anfang mit Kriminalisierungs- und Extremismusvorwürfen konfrontiert. In der hiesigen Lokalzeitung verbreitete der Direktor des Cottbuser Amtsgerichts strafrechtliche Horrormärchen. Er erweckte den Eindruck, legitime Sitzblockaden seien grundsätzlich eine Straftat und würden grundsätzlich strafrechtlich-sanktioniert. Es wurde zu keinem Zeitpunkt erwähnt, dass die Rechtsfrage von Blockaden innerhalb der „deutschen Justiz“ umstritten ist und das jede Blockade juristisch einzeln und ganz spezifisch bewertet wird. Es ist anzunehmen, dass diese zweifelhaften Äußerungen kurz vor dem 15. Februar die Mobilisierungen der Gegenaktivitäten schwächen sollten. Das Bündnis ließ sich jedoch nicht einschüchtern und hielt am Blockadekonzept weiterhin fest.

Die unmittelbaren Auswirkungen der Kriminalisierung von zivilgesellschaftlichem Engagement erfuhr ein Team Plakatierer_Innen am eigenen Leib. Sie wurden von Polizist_Innen in Gewahrsam genommen und wurden über Nacht auf der Polizeistation festgehalten. Ihnen wurde "Aufruf zu Straftaten" durch die Formulierung "Naziaufmarsch blockieren" vorgeworfen. Nur durch die massive Intervention sowohl vor dem Knast als auch auf juristischem Wege konnte eine rechtswidrige DNA-Entnahme verhindert werden. Die Tatvorwürfe erwiesen sich später als haltlos. Mittlerweile wurden alle Anzeigen fallen gelassen.

Dieser Kriminilisierungstrend bot auch dem Vorsitzenden der NPD-Lausitz Ronny Zasowk eine Möglichkeit gegen „Cottbus Nazifrei!“ rechtlich vorzugehen. Mit dem gleichen Vorwurf „Aufruf zu Straftaten“ stellte dieser Anzeigen gegen alle Unterstützer_Innen und Organisatoren von „Cottbus Nazifrei!“. Jedoch wurden alle Verfahren in kommenden Monaten von der Staatsanfwaltschaft fallen gelassen.

Cottbus Nazifei! blockiert – Polizei prügelt für Neonazis den Weg frei

Am Dienstag, den 15.02.2011, nahmen etwas mehr als 200 Neonazis am Aufmarsch teil. Schon von Anfang an hatten sie massive Probleme. Cottbuser Neonazis fiel es schwer zum Startpunkt ihrer Demo zu kommen, da der Hauptbahnhof von vielen Menschen umzingelt worden war. An der Veranstaltung des „Cottbuser Aufbruch“, einem bürgerlichen Aktionsbündnis, nahmen 1000 Menschen, darunter auch ein „Finger“ von „Cottbus Nazifrei!“, teil. Zu den Kundgebungen und Blockadefingern von „Cottbus Nazifrei!“ kamen mehrere hundert Menschen zusammen.

An diesem Abend kam es zu mehreren Blockadeversuchen. Die ersten, kleineren Blockaden gab es vor der Lutherkirche, direkt neben der bürgerlichen Gedenkveranstaltung. Diese wurde aufgrund der fehlenden Menschenmassen relativ schnell geräumt. Nach den ersten kurzen Blockadeversuchen orientierten sich die Blockierer_Innen neu. Sie ließen sich nicht aufhalten, suchten Schleichwege und Lücken und überwanden die Polizeiabsperrungen. Als sich wieder eine größere Masse zusammenfand, kam es zu einer zweiten, längeren und größeren Blockade. Mehrere hundert Menschen setzten sich mit Transparenten auf die Straßenroute und blockierten den Naziaufmarsch für etwa eine Stunde. Immer mehr Menschen schlossen sich spontan an. Die Neonazis mussten ohne Programm an ihrem Kundgebungsort fernab der öffentlichen Wahrnehmung stehen bleiben und warten. Ein Stimmungsverlust der Neonazis war deutlich zu spüren, so gingen einige Cottbuser Neonazis bereits frühzeitig nach Hause. Die einstündige Blockade wurde nach drei Aufforderungen von der Polizei geräumt. Beamt_Innen lösten die Blockade unsanft auf und machten den Neonazis somit den Weg frei. Leider gelang es einem weiteren "Finger", welcher für mehrere Stunden von der Polizei eingekesselt wurde, nicht zur größeren Blockade zu kommen.

Bügerlicher Protest und fragliche Gedenkkultur

Erfreulicher Weise blieben im Jahr 2011 auch die bürgerlichen Proteste nicht aus. An der Lutherkirche, unmittelbar in Sicht und Hörweite des Startpunktes des Naziaufmarsches, veranstaltete der "Cottbus Aufbruch" eine Gedenk- und Mahnveranstaltung. Unter dem Motto "Cottbus – Kein Ort für Nazis" sollte den Cottbuser_Innen ein angemessener Rahmen für „ihr“ Gedenken geben werden. Wir sehen diese Veranstaltung als erfolgreichen Interventionsversuch. Bürgerliche Initiativen haben sich offen gegen den Naziaufmarsch positioniert, erstmalig „Gegenveranstaltungen“ organisiert und das Problem öffentlich thematisiert. Wir sehen es jedoch als notwendig an, die praktizierte Gedenkkultur sachlich zu kritisieren.

Leider fand von Seiten der Stadt bisher keine, den historischen Tatsachen angemessene, inhaltliche Auseinandersetzung zu dieser Thematik statt. Die Rolle der Stadt Cottbus in Zeiten des Nationalsozialismus und den Hintergründen zur Bombardierung, wurden einzeln von linken Gruppen beleuchtet. Im offiziellen Gedenken dominiert die persönliche Betroffenheit durch den alliierten Angriff. Demnach steht die Trauer um eigene „Opfer“ und die Zerstörung von baulicher Substanz im Mittelpunkt. Dabei rückt die Frage der historischen Kriegsschuld in den Hintergrund. Bei einem derart geführten offiziellen Diskurs bieten sich den Neonazis zwangsläufig inhaltliche Anknüpfungspunkte für Geschichtsverdrehung und die konstruierte eigene „Opferrolle“. Dabei wird ein wichtiger Aspekt vergessen: Der nationalsozialistische Angriffskrieg ging von deutschem Boden aus und brachte Not, Elend und Massenvernichtung über weite Teile der Welt. Dieser Krieg kam zwangsläufig an seinen Ursprungsort zurück und musste notwendiger Weise in deutschen Städten beendet werden.

Naziaufmarsch am 15.02.2012? Gemeinsam blockieren!

In diesem Jahr gibt es vom Bündnis „Cottbus Nazifrei!“ mehrere Veranstaltungen. Neben der Hauptkundgebung am Staatstheather / Schillerpark um 17:30 Uhr, wurde auf dem Bahnhofsvorplatz eine Kundgebung angemeldet. Auf dieser sollen eine den historischen Tatsachen angemessene, inhaltliche Auseinandersetzung stattfinden.
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Ergänzungen

Bild der 7. SitzBlockade

Stefan 16.02.2012 - 01:39
Cottbus Nazifrei!

die letzte und 7. Sitzblockade in Folge mit über 30 Menschen
die grösste zählte über 250 Menschen

die NaziDemo kam nur Stück für Stück voran,
immer wieder mussten sie stehen beleiben,
unter buh!-Rufen warten,
umringt von vielen DemonstrantInnen und der Polizei,
fast 5 Stunden haben sie gebraucht

Danke an Alle die mitgemacht haben
ihr wart klasse!