Eiskalte Abschiebung – Protest gegen Chartera

Sand im Getriebe 09.02.2012 05:11 Themen: Antirassismus Soziale Kämpfe
Sammelabschiebungen in den Kosovo am Di 7.2.2012 ++ vom Flughafen Düsseldorf ++ organisiert von FRONTEX ++ ausgeführt von Air Berlin ++ mit Zwischenstopp in Wien ++ Es reicht!!

Die Resonanz war groß, Pressevertreter_innen und Aktivist_innen kamen zum Flughafen um die Wut über die kaum noch mit Worten zu bezeichnende Abschiebepraxis der BRD sichtbar zu machen. Bei eisiger Kälte wurde am Gate protestiert und kurzzeitig blockiert. Die anschließende lautstarke Demo im Flughafengebäude führte zum Schalter von Air Berlin, als eine der direkten Profiteure von Abschiebungen. Der Flughafen reagiert und stellt die live-Webcam aus, zum Teil kommen offener Rassismus bei Polizei und Flughafenangestellten zum Vorschein. Der Chef der Flughafensicherheit fürchtet um seine Durchsagen und will den Sambas das Trommeln verbieten: Öffentlichkeit bei Abschiebungen? - lieber nicht! Proteste auch in Wien.
Kosovo -17 Grad. Auf Teilen des Balkans wird der Katastrophenzustand ausgerufen. Schon hierzulande wird von Kältewelle und Kältetoten gesprochen, die Situation im Osten ist um einiges härter. Die Abschiebebehörden und ihre ausführenden Organe stört das wenig, eine Sammelabschiebung ist gebucht und soll durchgeführt werden. Den Tod der Menschen billigend in Kauf genommen - rassistischer Normalzustand in Europa.



Proteste und Pressekonferenz am GateDüsseldorf Flughafen, 7 Grad unter Null (aber deutlich milder als im Kosovo), 8 Uhr früh. 40-50 Personen finden sich an dem abgelegenen Gate (F) des Flughafens Düsseldorfs ein.Der Abschiebealarm wurde ausgelöst und zusätzlich zu einer Pressekonferenz geladen. Diesmal direkt vor dem Gebäude des Abschiebegates.
Während ein Vertreter der Flüchltingsintiative STAY! e.V. ein Interview gibt, hängen Aktivist_innen Transparente auf und rufen lautstark Parolen. Das eigentliche Tor zum Abschiebegate wird mit Transparenten und Protestierenden blockiert. Nach kurzer Zeit teilt sich die Gruppe - und auch vor Tor 36 versammeln sich Menschen mit Transparenten und lauten Rufen. Tor 36 wurde in der Vergangenheit als Ausweichtor für die anfahrenden Kleinbusse der Ausländerbehörden genommen. Doch nach ein paar kläglichen Versuchen mussten sie auf ein anderes Gate ausweichen.
Es ist kalt. Dies spiegelt auch die Stimmung wider. Die hiesige Wettersituation macht deutlich, was die Abgeschobenen im Kosovo erwarten wird. Selten zeigt sich die Härte des Abschiebeapparates, des gesellschaftlichen und institutionalisierten Rassismus so deutlich.

Kleinere Blockaden
Kleinere Blockaden z.T. der Kleinbusse der Ausländerbehörden, später auch andere Flughafen-Fahrzeuge wurden versucht. Die Blockaden blieben symbolisch, nur kurze Verzögerungen, natürlich können nicht alle Gates eines so großen Flughafens blockiert werden. Und doch: Es stört, das reibungslose Abschieben, das Verschleppen von Mitmenschen, Nachbar_innen und Freund_innen bekommt Risse. Statt alles still und heimlich durchführen zu können. muss nun noch mehr Polizei angefordert werden.
Die Staatsmacht muss aus ihren allzu bequemen Autos aussteigen und nun auch frierend in der Kälte stehen.
Nach einiger Zeit werden die Aktivist_innen weg von der Straße, an den Rand auf den Gehweg gedrängt. Hier wäre es uns erlaubt weiter zu demonstrieren. Das Drängen erfolgt bisweilen unsanft. Ein Beamter verliert die Beherrschung, schreit aus vollster Kehle direkt ins Gesicht eine_r Aktivist_in und spuckt dabei, was er später natürlich bestreitet, es aber leider kaum zu übersehen war.

Demo im Terminal – Air Berlin
Kurz vor 10h begeben sich die Leute von Tor 36 zu den anderen Aktivist_innen am Gate, um von dort gemeinsam als Demonstrationszug zum Flughafengebäude, Terminal B, zu gehen. Hier stoßen weitere Demonstrant_innen dazu, so dass sich eine Gruppe von mittlerweile mind. 80 Personen zielstrebig zum Abfertigungsschalter von Air Berlin begibt.
Es steht gerade ein Flug an, die Schalter sind voll besetzt, viele Menschen stehen in der Warteschlange. Flugblätter werden verteilt, die teilweise interessiert und gerne entgegen genommen werden, teilweise abgelehnt werden. Die Polizei stellt sich vor Air Berlin und „bewacht“ die Eingänge. Lautes Rufen und Samba-Trommeln. Es folgen einige Redebeiträge in denen noch einmal genauer auf die Situation eigegangen wird. Es werden Berichte über eine Reise in den Kosovo zu den Abgschobenen verlesen, nocheinmal Bezug genommen auf die nicht wahrgenommene Verantwortung die die BRD im Umgang mit Roma nicht nur allein aufgrund ihrer Geschichte hat. Die Nachkommen der ca. 500.000 im Nationalsozialismus ermordeten Roma werden heute immernoch von Antiziganismus und staatlicher Abschiebepolitik bedroht, ganz zu Schweigen von den lebensbedrohlichen Zuständen für Roma in Osteuropa. Doch auch den abgeschobenen Albaner_innen geht es schlecht im Kosovo. Auch sie wurden morgens um 4h aus ihren Betten gerissen und werden nun in ein anderes Land verfrachtet. Die Polizei, der Flughafen, die Fluggesellschaften, wurden als Handlanger, Ausführende und Profiteure eines staatlichen, aber auch gesellschaftlichen Rassismus benannt.

Air Berlin - dick im schmutzigen Geschäft
Air Berlin als Profiteurin von Abschiebungen. Viele der vergangenen Sammelabschiebungen wurde von Air Berlin ausgeführt. Der Billigflieger mit dem freundlichen Image bietet nicht nur Urlaubsflüge an, sondern stellt seine Flugzeuge auch dem Staat und der sogenannten Grenzschutzagentur FRONTEX zu Verfügung. Air Berlin verdient an diesem Chartergeschäft.

Brutale Abschiebung von Ehepaar aus Niedersachsen
Besonders brutal zeigt sich die Vorgehensweise der Behörden an einem Ehepaar aus Niedersachsen. Das schwer kranke knapp 60 Jahre alte Ehepaar lebt seit 24 Jahren!! in der Bundesrepublik, seit 1988. Trotz Duldung wurde es um 4:30h von einer „halben Armee“ (Zitat des Anwalts) aus dem Schlaf gerissen, Duldung widerrufen und ohne ihre 8 Kinder, die alle ein Aufenthaltsrecht haben abgeschoben. Wie sie im Kosovo ohne ihre Kinder (die für sie sorgen) überleben sollen bleibt unklar!!

Die Demo bewegte sich dann noch weiter durch das Terminal, laut rufend und trommelnd, mit viel Lärm den Unmut äußernd und den sonst so stillen Betrieb am Flughafen störend. Durch die so viel gepriesenen Einkaufsarkaden, in dem es noch einen Redebeitrag zum Selbstmord eines iranischen Flüchtlings (Mohammad Rahsepar) in Würzburg gab (siehe auch). Staatliche Repressionspolitik gegen Migrant_innen tötet! Nicht nur bei bei Abschiebungen.

Zurück bei Air Berlin angekommen versucht die Polizei zu verhindern, dass sich der Demozug direkt zu den Check-in Schaltern bewegt. Hektisch wird abgedrängt. Dabei fiel der selbe Ordnungshüter wie am Gate erneut durch seine Aggressivität auf. Völlig grundlos schlug er eine_n Demoteilnehmer_in. Dies führte zu einem Tumult und Gerangel und einem viel längerem Verweilen bei Air Berlin, als es dies sonst wohl gegeben hätte. Eine Person erhielt einen Platzverweis.

Offener Rassismus
Feixend grinsende Polizist_innen, Air Berlin Verantwortliche die sich offen für Abschiebungen aussprechen und Demonstrationteilnehmer_innen aggressiv angehen, Passant_innen die mit gängigen rassistischen Clichés aufwarten und Flughafen-Sicherheitsmitarbeiter die auf die Aussge, dass Menschen durch Abschiebungen dem Tod ausgeliefert sind, grinsend ins Gesicht sagen „Menschen sterben halt, so ist es nun mal“.Trotz vieler positiver Reaktionen auf unsere Demo war es schwierig dieses zu ignorieren oder auszuhalten. Die Sarrazin-Debatte zeigt Wirkung, Rassismus wird noch stärker zur Normalität als bisher schon.

Nach Verhandlungen mit der Polizei wurde zugesichert keine weiteren Personalien mehr zu kontrollieren, wenn die Demo bald beendet würde. Das wurde sie auch, allerdings mit einem Umweg über die Rolltreppen zu den Besucherterassen. das störte wohl schon wieder, denn diese wurden kurzerhand vom Sicherheitspersonal ausgestellt.

Trotz allem - die Demos am Gate und im Flughafen waren ein Erfolg.
Ein breites Bündnis an Personen und Gruppen hat sich am Protest beteiligt. Alle sind entschlossen wieder zu kommen und sich weiteres gegen Abschiebungen zu überlegen. Am Di, den 14.2. wird es wohl wieder eine Abschiebung nach Serbien geben. Als dies per Megafon durchgesagt wurde, beantwortet hat ein sichtlich genervter Polizist mit den Worten „Oh, nein!“. Dem schließen wir uns an, werden es aber nicht bei einem „Oh nein!“ belassen, sondern uns weiter aktiv diesem rassistischen Normalzustand widersetzen!

Und außerdem - so ganz reibungslos funktioniert das System nicht.
70-75 Personen wurden für diesen Flug gebucht. 16 Personen Personen saßen tatsächlich im Flieger. Einige der Betroffenen hielten sich wohl nicht an die Regel immer zu Hause zu sein oder sich morgens bei der Ausländerbehörde einzufinden. Anderen konnten durch Eilanträge doch noch eine Prüfung oder Verlängerung ihres Aufenthaltes erreichen. Widerstand an jedem Ort!
Doch auch 16 Personen sind zuviel! Keine Abschiebung von niemanden und nirgendwohin! Wer bleiben will soll bleiben!

Wir kommen wieder keine Frage!
Tragt euch in die Alarmliste ein.

Wieder den rassistischen Normalzustand!
Sand ins Getriebe!
No Border No Nation – Abschiebungen stoppen!
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Ergänzungen

Zynismus + Wintererlass

Ergänzung 09.02.2012 - 05:26
Zynismus & Verwirrung um Wintererlass
Besonders deutlich wird der Zynismus der Verantwortlichen am Wintererlaß. Hier wird sortiert nach Guten und Schlechten, nach „abschiebefähig“ und „menschenrechtlich nicht verantwortbar“. Behördliche Kategorien die über Menschenleben bestimmen:
Der diesjährige Wintererlass bedeutet ein bedingtes Abschiebeverbot in den kalten Wintermonaten, gültig für besonders schutzbedürftige Minderheiten, wie sie z.B. Roma, Ashkali, Ägytpter im Kosovo darstellen. Einzelpersonen ohne Familie, konstruierte „Straftäter_innen“, Albaner_innen dürfen jedoch sehr wohl abgeschoben werden. Da nur einige Bundesländer einen Wintererlass unterzeichnet haben, gilt dieser auch nur dort.
NRW hat einen Wintererlass unterschrieben. An den eigenen Wintererlass hält sich NRW und schiebt „nur“ 7 Personen ab, die nicht darunter fallen. Der Rest des Flugzeugs wird dann für Abzuschiebende aus den anderen Bundesländern gebucht.
Zynismus auf allen Ebenen: Keine Abschiebung in diesem Winter, doch der nächste kommt bestimmt? Einteilung und Kategorisierung von Menschen, nach Bundesländern und Abschiebetauglichkeit, nach Verwertbarkeit und Nationalitäten, Kriterien aufstellen und sie dann selbst wieder brechen. All das ist staatlich kapitalistische und rassistische Logik:
Es gibt keine humanen Abschiebungen! Abschiebungen bedeuten staatliche Gewalt, immer, für jede_n und überall! Egal ob in den Kosovo, nach Serbien, nach Nigeria oder sonst wohin– Stoppt alle Abschiebungen!

Vernetzung Abschiebestop Düsseldorf

abschiebestop 09.02.2012 - 06:25
www.abschiebestop.blogsport.de

Alarmliste: siehe Webpage
oder leere Mail, Betreff "alarmliste" an abschiebestop [at] riseup [punkt] net

[at] = @
[dot] = .

Soliaktion am Leipziger Flughafen

... 09.02.2012 - 14:58

Artikel scharf links

Sandmensch 09.02.2012 - 19:27
Deportation Airlines: Sand im Triebwerk von Air Berlin
Demonstration auf dem Düsseldorfer Flughafen gegen Abschiebungen
 http://www.scharf-links.de/47.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=21901&tx_ttnews[backPid]=7&cHash=551e725e04

weiteres Foto

hier geblieben 09.02.2012 - 19:51
noch ein Foto

Nächste Abschiebung über DUS schon am 14.02.

ausgefüllt 09.02.2012 - 20:54
Genau eine Woche nach der Abschiebung in den Kosovo soll über den Düsseldorfer Flughafen eine weitere Abschiebung erfolgen. Zielflughafen ist Belgrad.


 http://abschiebestop.blogsport.de/2012/02/09/18/


Düsseldorf Flughafen Di 14.2.2012
8:00 h Gate „F“ zwischen Feuerwehr und Tor 36
(gegenüber Parkhaus 7) – Solidarität mit den Flüchtlingen
10:00h Terminal B, Abflughalle – lautstarke Demonstration
Die eiskalte Ruhe brechen!