Rostock: Gesichtsscanner im Fussballstadion
Nach den Ausschreitungen während des letzten Fußballspiels des FC Hansa Rostock gegen den FC St. Pauli im Ostseestadion, bei denen Pyrotechnik in den Gästeblock geworfen wurde, kam es zu der ritualisierten öffentlichen Debatte in den Lokalmedien über die Sicherheit in Fußballstadien. Neu war dieses Mal jedoch, dass der amtierende Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns die Gelegenheit nutzte um sein neues Vorhaben, die Etablierung von Gesichtserkennungskameras im Ostseestadion, zu präsentieren.
Wann wo, wie viele?
In den Wochen danach ebbte die Debatte allerdings, wie gewohnt, ohne größere Empörung ab. Allein die Piratenpartei protestierte mit einer Pressemitteilung gegen die Einführung dieser neuen Überwachungsmaßnahme. Heute wurde dieses Thema von Spiegel-Online in einer etwas ausführlicheren Darstellung erneut aufgegriffen. Um die Debatte, die bereits jetzt eine bundesweite Relevanz hat, nachvollziehen zu können, bedarf es zudem der Vergegenwärtigung verschiedener Umstände.
In Rostock befindet sich dieses Vorhaben zur Zeit noch im Stadium der Diskussion, angeblich sei bisher lediglich eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben worden. Deren Ergebnis, sofern es nicht bereits vorliegt, müsste zunächst abgewartet werden.
Des Weiteren ist das Innenministerium in Mecklenburg-Vorpommern nicht der erste Akteur, der sich in Deutschland auf dieser Spielwiese bewegt. Vor einigen Jahren wurde, im Rahmen der Exzellenzinitiative, die Universität Karlsruhe mit dem (Nuklear-)Forschungszentrum Karlsruhe zusammengelegt. Heraus kam dabei, in Anlehnung an das amerikanische Massachusetts Institute of Technology (MIT), das Karlsruhe Institut für Technologie – kurz KIT. Dort beschäftigt man sich seit geraumter Zeit mit Überwachungstechnologie. Im vergangenen Jahr wurde dort bereits während einiger Heimspiele des Karlsruhe SC ein Pilotprojekt (“Parallele Gesichtserkennung in Videoströmen”) zum Thema Gesichtserkennung durchgeführt. Allerdings gelang es dort aufgrund heftiger Fanproteste nicht, den Versuch auch erfolgreich zu Ende zu bringen, so dass dieses Thema dort vorerst vom Tisch war.
Zudem ergab es sich, dass der Vorsitz der Innenministerkonferenz in diesem Jahr an das Land Mecklenburg-Vorpommern ging, weshalb es nur begrenzt verwundert, dass der nächste Vorstoß in dieser Richtung auch aus diesem Bundesland kommt. Die politischen Rahmenbedingungen für Innenminister Caffier dürften jetzt also wesentlich besser stehen, als bisher. Etwaige Fürsprecher_innen, wie etwa die Deutsche Polizeigewerkschaft (DpolG), flankieren das Vorhaben bereits und sprachen ihre Unterstützung aus.
Was ist Gesichtserkennung eigentlich?
Gesichtserkennung als Technologie basiert auf der Markierung signifikanter Gesichtsmerkmale zur Erstellung eines eindeutigen Modells, welches sich dann auf weiteren Fotografien derselben Person erneut erkennen lässt. Die dazu verwandten Methoden unterscheiden sich sehr stark und variieren in ihrer Genauigkeit. Die meisten Verfahren haben gemein, dass grundlegende Merkmale wie der Abstand der Augen zur Nase, zu Ober- und Unterlippe aber auch zu vielen anderen Punkten, wie etwa den Ohren, den Augenbrauen etc. erfasst werden. Daraus lässt sich dann eine einmalige Formel erstellen, welche in einer Kartei abgelegt werden und so zur Unterscheidung anderer Gesichter genutzt werden kann. Modernere Konzepte lassen sich inzwischen bereits nicht mehr durch den obligatorischen falschen Bart oder die Sonnenbrille in die Irre führen und berücksichtigen sogar feinere Unterschiede, wie etwa die verschiedenen Hautpartien und die Kopfform. Am Ende entsteht dadurch ein Datensatz, der ähnlich aussagekräftig wie ein Fingerabdruck ist.
Wo wird Gesichtserkennung angewendet?
Die Anwendung dieser Technologie hat bereits wesentlich größere Ausmaße angenommen als bei der etwaigen Videoüberwachung öffentlicher Räume und gehört zu den großen ungelösten Problemen des heutigen Datenschutzes. Die Gesichtserkennungssoftware für die heimische Fotogalerie, die nach wie vor gerne Radkappen und Baumstümpfe als Menschen identifiziert, stellt da eher noch die harmloseren Versuche dar. Die großen sozialen Netzwerke wie Facebook und Google+ verwenden inzwischen automatisierte Gesichtserkennung auf allen hochgeladenen Fotos, sie unterscheiden sich jedoch dabei im Ausmaß, in dem sie ihren Nutzer_innen Zugriff auf die dabei entstehenden Daten lassen. Die Markierungsfunktion für Bilder, egal ob privat oder öffentlich, liefert bei jeder Anwendung weitere Daten für die Verfeinerung der Erkennungsalgorithmen der Anbieter_innen.
Auch Hersteller von Digitalkameras und Smartphones verwenden diese Technik um ihren Käufer_innen neue Features liefern zu können. Die daraus resultierende Fragestellung ist jedoch, ob und wo dieser Entwicklung Grenzen gesetzt werden sollten. Anders als das Fotografieren in analogen Zeiten, ist es durch diese Entwicklung in absehbarer Zeit möglich, durch beliebige Fotoaufnahmen, egal ob zufällig in der Einkaufsmeile oder ganz bewußt auf einer politischen Veranstaltung, eine eindeutige Zuordnung von fotografierten Personen zu treffen. Vergleichbar ist dies mit der Abnahme von Fingerabdrücken, nur dass der oder die Betroffene nichts davon erfährt. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird dadurch massiv verletzt.
Punktuelle Versuche, wie etwa die Erfassung von Gewalttäter_innen bei Fussballspielen können da schnell eine Türöffnerfunktion übernehmen, für eine eventuelle flächendeckende Anwendung der Gesichtserkennung zu einem späteren Zeitpunkt. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wohin die Reise in Zukunft gehen könnte, lieferte vor kurzem dabei die Volksrepublik China. Dort gibt es keine relevanten zivilgesellschaftlichen Akteur_innen, die die Einführung neuer Maßnahmen regulieren oder bremsen könnten. In der zentralchinesischen Stadt Wuhan, in der ca. 8,3 Millionen Menschen leben, ging am 29. Dezember des vergangenen Jahres eines der modernsten urbanen Überwachungssysteme in Betrieb, die es zur Zeit gibt. Insgesamt 250.000 Kameras im gesamten Stadtgebiet wurden gleichzeitig miteinander vernetzt, so dass es nun möglich ist, einzelne Personen zu erkennen, mit einer nationalen – also chinaweiten – Datenbank zu vergleichen, zu identifizieren und daraufhin durch die gesamte City zu verfolgen. Die große Innovation stellt dabei nicht allein die pure Anzahl der eingesetzten Kameras dar, die selbst Londoner Ausmaße übersteigt, sondern die Fähigkeit, nahezu alle Vorgänge zur Identitätsfeststellung durch Computer automatisieren zu lassen. Als Resultat ergibt dies eine intransparente Rundumüberwachung, wie sie vor einigen Jahren noch, nur aus dystopischen Science-Fiction-Romanen bekannt war.
Was können wir dagegen tun?
Dass dies jedoch kein zwangsläufiger Prozess ist, lehrt uns die Geschichte, da jedes Maß an Überwachung nur dann durchgesetzt werden kann, wenn es die Mehrzahl der Überwachten auch über sich ergehen lässt. Möglichkeiten des Protestes gibt es viele und darüber hinaus gibt es auch ebenso viele Möglichkeiten – ja sogar die Pflicht – mit den eigenen Daten, sowie denen der anderen, bewußt und sensibel umzugehen. Das Beispiel der Karlsruher Fußballfans zeigt, dass dabei auch Erfolge möglich sind.
In den Wochen danach ebbte die Debatte allerdings, wie gewohnt, ohne größere Empörung ab. Allein die Piratenpartei protestierte mit einer Pressemitteilung gegen die Einführung dieser neuen Überwachungsmaßnahme. Heute wurde dieses Thema von Spiegel-Online in einer etwas ausführlicheren Darstellung erneut aufgegriffen. Um die Debatte, die bereits jetzt eine bundesweite Relevanz hat, nachvollziehen zu können, bedarf es zudem der Vergegenwärtigung verschiedener Umstände.
In Rostock befindet sich dieses Vorhaben zur Zeit noch im Stadium der Diskussion, angeblich sei bisher lediglich eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben worden. Deren Ergebnis, sofern es nicht bereits vorliegt, müsste zunächst abgewartet werden.
Des Weiteren ist das Innenministerium in Mecklenburg-Vorpommern nicht der erste Akteur, der sich in Deutschland auf dieser Spielwiese bewegt. Vor einigen Jahren wurde, im Rahmen der Exzellenzinitiative, die Universität Karlsruhe mit dem (Nuklear-)Forschungszentrum Karlsruhe zusammengelegt. Heraus kam dabei, in Anlehnung an das amerikanische Massachusetts Institute of Technology (MIT), das Karlsruhe Institut für Technologie – kurz KIT. Dort beschäftigt man sich seit geraumter Zeit mit Überwachungstechnologie. Im vergangenen Jahr wurde dort bereits während einiger Heimspiele des Karlsruhe SC ein Pilotprojekt (“Parallele Gesichtserkennung in Videoströmen”) zum Thema Gesichtserkennung durchgeführt. Allerdings gelang es dort aufgrund heftiger Fanproteste nicht, den Versuch auch erfolgreich zu Ende zu bringen, so dass dieses Thema dort vorerst vom Tisch war.
Zudem ergab es sich, dass der Vorsitz der Innenministerkonferenz in diesem Jahr an das Land Mecklenburg-Vorpommern ging, weshalb es nur begrenzt verwundert, dass der nächste Vorstoß in dieser Richtung auch aus diesem Bundesland kommt. Die politischen Rahmenbedingungen für Innenminister Caffier dürften jetzt also wesentlich besser stehen, als bisher. Etwaige Fürsprecher_innen, wie etwa die Deutsche Polizeigewerkschaft (DpolG), flankieren das Vorhaben bereits und sprachen ihre Unterstützung aus.
Was ist Gesichtserkennung eigentlich?
Gesichtserkennung als Technologie basiert auf der Markierung signifikanter Gesichtsmerkmale zur Erstellung eines eindeutigen Modells, welches sich dann auf weiteren Fotografien derselben Person erneut erkennen lässt. Die dazu verwandten Methoden unterscheiden sich sehr stark und variieren in ihrer Genauigkeit. Die meisten Verfahren haben gemein, dass grundlegende Merkmale wie der Abstand der Augen zur Nase, zu Ober- und Unterlippe aber auch zu vielen anderen Punkten, wie etwa den Ohren, den Augenbrauen etc. erfasst werden. Daraus lässt sich dann eine einmalige Formel erstellen, welche in einer Kartei abgelegt werden und so zur Unterscheidung anderer Gesichter genutzt werden kann. Modernere Konzepte lassen sich inzwischen bereits nicht mehr durch den obligatorischen falschen Bart oder die Sonnenbrille in die Irre führen und berücksichtigen sogar feinere Unterschiede, wie etwa die verschiedenen Hautpartien und die Kopfform. Am Ende entsteht dadurch ein Datensatz, der ähnlich aussagekräftig wie ein Fingerabdruck ist.
Wo wird Gesichtserkennung angewendet?
Die Anwendung dieser Technologie hat bereits wesentlich größere Ausmaße angenommen als bei der etwaigen Videoüberwachung öffentlicher Räume und gehört zu den großen ungelösten Problemen des heutigen Datenschutzes. Die Gesichtserkennungssoftware für die heimische Fotogalerie, die nach wie vor gerne Radkappen und Baumstümpfe als Menschen identifiziert, stellt da eher noch die harmloseren Versuche dar. Die großen sozialen Netzwerke wie Facebook und Google+ verwenden inzwischen automatisierte Gesichtserkennung auf allen hochgeladenen Fotos, sie unterscheiden sich jedoch dabei im Ausmaß, in dem sie ihren Nutzer_innen Zugriff auf die dabei entstehenden Daten lassen. Die Markierungsfunktion für Bilder, egal ob privat oder öffentlich, liefert bei jeder Anwendung weitere Daten für die Verfeinerung der Erkennungsalgorithmen der Anbieter_innen.
Auch Hersteller von Digitalkameras und Smartphones verwenden diese Technik um ihren Käufer_innen neue Features liefern zu können. Die daraus resultierende Fragestellung ist jedoch, ob und wo dieser Entwicklung Grenzen gesetzt werden sollten. Anders als das Fotografieren in analogen Zeiten, ist es durch diese Entwicklung in absehbarer Zeit möglich, durch beliebige Fotoaufnahmen, egal ob zufällig in der Einkaufsmeile oder ganz bewußt auf einer politischen Veranstaltung, eine eindeutige Zuordnung von fotografierten Personen zu treffen. Vergleichbar ist dies mit der Abnahme von Fingerabdrücken, nur dass der oder die Betroffene nichts davon erfährt. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird dadurch massiv verletzt.
Punktuelle Versuche, wie etwa die Erfassung von Gewalttäter_innen bei Fussballspielen können da schnell eine Türöffnerfunktion übernehmen, für eine eventuelle flächendeckende Anwendung der Gesichtserkennung zu einem späteren Zeitpunkt. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wohin die Reise in Zukunft gehen könnte, lieferte vor kurzem dabei die Volksrepublik China. Dort gibt es keine relevanten zivilgesellschaftlichen Akteur_innen, die die Einführung neuer Maßnahmen regulieren oder bremsen könnten. In der zentralchinesischen Stadt Wuhan, in der ca. 8,3 Millionen Menschen leben, ging am 29. Dezember des vergangenen Jahres eines der modernsten urbanen Überwachungssysteme in Betrieb, die es zur Zeit gibt. Insgesamt 250.000 Kameras im gesamten Stadtgebiet wurden gleichzeitig miteinander vernetzt, so dass es nun möglich ist, einzelne Personen zu erkennen, mit einer nationalen – also chinaweiten – Datenbank zu vergleichen, zu identifizieren und daraufhin durch die gesamte City zu verfolgen. Die große Innovation stellt dabei nicht allein die pure Anzahl der eingesetzten Kameras dar, die selbst Londoner Ausmaße übersteigt, sondern die Fähigkeit, nahezu alle Vorgänge zur Identitätsfeststellung durch Computer automatisieren zu lassen. Als Resultat ergibt dies eine intransparente Rundumüberwachung, wie sie vor einigen Jahren noch, nur aus dystopischen Science-Fiction-Romanen bekannt war.
Was können wir dagegen tun?
Dass dies jedoch kein zwangsläufiger Prozess ist, lehrt uns die Geschichte, da jedes Maß an Überwachung nur dann durchgesetzt werden kann, wenn es die Mehrzahl der Überwachten auch über sich ergehen lässt. Möglichkeiten des Protestes gibt es viele und darüber hinaus gibt es auch ebenso viele Möglichkeiten – ja sogar die Pflicht – mit den eigenen Daten, sowie denen der anderen, bewußt und sensibel umzugehen. Das Beispiel der Karlsruher Fußballfans zeigt, dass dabei auch Erfolge möglich sind.
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(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
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Ergänzungen
Verbindung mit dem "digitalen Polizeifunk"
Bei diesem digitalen Polzeifunk geht es nur ganz am Rande um Sprechfunk, sondern vor allem um allgemeine Datenübertragung.
Bei flächendeckene eingerichtetem digitalem Polzeifunk ist damit auch der flächendeckende Einsatz von Gesichtsscannern möglich.
D.h. die Polzei kann an jedem beliebigen Ort offen oder verdeckt solche Gesichtsscanner aufstellen und überwachen welche Personen dort an dem Ort waren.
Selbstverständlich können die sowiso vorhandenen Kameras, welche den Öffentlichen Raum überwachen auch so genutzt werden.
kein facebook!
Facebook wird längerfristig das Fahndungsmitten Nr.1 bei Repressionsorganen weltweit, gefüttert durch naive und unwissende "Nutzer" (die "nutzer sind in Wirklichkeit die Ware, mit der Facebook handelt), die unbeteiligte Dritte reinreiten.
Deshalb: Facebook und Konsorten nicht nutzen, erst recht niemals mit echten Namen.
Interview mit Fananwalt
http://www.11freunde.de/bundesligen/148798/unverhaeltnismaessig_und_voellig_ueberzogen
@ Rudolph
Mir erzählte heute jemand, der eigentlich immer topfit in Datensicherheit war und sich immer auch trotzdem im Gesetzlichen bewegt hat, dass er schockiert war bei irgendeiner Anfrage über google (muss irgendwie über die Seite gehen) dass jahrealte, bei ihm selbst inzwischen gelöschte Adresslisten tw. mit Leuten, mit denen er nie näher zu tun hatte (etwa Betriebsverteiler...), uralte SMS zumindest fragmentarisch usw. usf. mehr oder weniger problemlos abfragbar waren, zumindest für die informationstechnisch Versierten...
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
Wer nichts zu verbergen hat... — Rudolf
@rudolf — unsinn
Rudolf.... — asas
@ Rudolph — nochmal jeder hat was...
IMK in Meck-Pomm — ui