DD: Klares Votum gegen Privatisierung

... 30.01.2012 08:29 Themen: Soziale Kämpfe
Letzten Sonntag entschieden sich in Dresden ca. 1/3 aller Wahlberechtigten in einem Bürgerentscheid gegen die Umwandlung der Dresdner Krankenhäuser im städtischen Eigenbetrieb Friedrichstadt und Neustadt in eine gemeinsame städtische GmbH.
Gegen 18:55 Uhr stand fest, dass das nötige Quorum von 107.900 Ja-Stimmen erreicht wurde. Am (vorläufigen) Ende waren es 134.521 Ja-Stimmen zu 25.176 Nein-Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 37,1 %. Entschieden wurde über die Frage: "Sind Sie dafür, dass die Krankenhäuser Dresden-Friedrichstadt und Dresden-Neustadt Eigenbetriebe der Stadt Dresden bleiben?".

Hintergrund ist, dass die Krankenhäuser im städtischen Eigenbetrieb seit einigen Jahren rote Zahlen schreiben und eine Mehrheit im Stadtrat aus Konservativen (CDU-FDP-Bürgerfraktion) zusammen mit den Grünen deshalb die Krankenhäuser fusionieren und in eine städtische, gemeinnützige GmbH umwandeln wollten. Demgegenüber stand das Bündnis für Krankenhäuser, dass sich aus Angestelltenvertretungen, einer Bürgerinitiative und den Parteien SPD und Die Linke zusammensetzt, unterstützt im Stadtrat von der NPD, die in sozialen Fragen oft mit dem linken Block stimmt. Lokale Anarchisten hatten sich in einem eigenen Aufruf gegen die Privatisierungen gewandt.

Vertreter der Linken initiierten den Bürgerentscheid, der im Vorfeld eher mäßiges Interesse in der Presse fand. Getragen wurde die Mobilisierung daher auch von der Linken und von vielen Bündnisaktivisten an der Basis. Die Privatisierungsbefürworter setzten im Vorfeld eher auf eine geringe Wahlbeteiligung in der Hoffnung, dass das notwendige Quorum von 25 % aller Wahlberechtigten für Ja nicht erreicht wird. Allerdings sorgte die FDP im Vorfeld mit ihren Plakaten für „Jetzt erst recht“-Stimmung bei den Privatisierungsgegnern.

Entscheidend war aber, dass die unmittelbar am nächsten Betroffenen, die Älteren, die am meisten mit dem Gesundheitssystem zu tun haben, wählen gegangen sind. Viele befürchten, dass sich die Qualität der Versorgung verschlechtern könnte, wie es schon bei den bereits privatisierten Elblandkliniken in Meißen eingetreten ist. Dort hat sich zum Beispiel die Zahl der Patienten pro Arzt wesentlich erhöht (siehe DNN Printausgabe 21./22. Januar).

Außerdem stand die Wahl auch unter dem Eindruck weiterer Privatisierungen in Dresden und Umgebung, wie z.B. der Verkauf der städtischen Wohnungsbaugesellschaft durch CDU-FDP und gekaufte (jetzt Ex-)Mitglieder der damaligen PDS an einen amerikanischen Investor Gagfah, der danach die Substanz runter gewirtschaftet und weiter verramscht hat und zwar auf eine Art und Weise, dass jetzt die Stadt Dresden eben gegen diesen Investor Klage eingereicht hat, wegen Verletzung der Sozialcharta. Zusätzlich ermittelt die Staatsanwaltschaft aktuell gegen die regionale Gagfah-Führung wegen Betrugs.

Im Nachgang der Wahl wird in der lokalen Presse und von einigen Bloggern zum Teil auf der geringen Wahlbeteiligung herum geritten, obwohl das Quorum für die Waldschlösschenbrücke damals auch nicht wesentlich höher ausfiel, damals sorgte eine höhere Anzahl von Nein-Stimmen für eine höhere Wahlbeteiligung. Dennoch wurde die Waldschlösschenbrücke selbstverständlich weiter gebaut. In der überregionalen Presse findet das Ergebnis im Gegensatz zum Waldschlösschenentscheid kein Echo.

CDU, Grüne und FDP reden jetzt von linker Demagogie, die Angst vor Privatisierungen geschürt hätte. Den Vogel schießt dabei mal wieder die FDP ab, deren FDP-Abgeordnete Barbara Lässig in der BILD erklärte, dass es gar nicht um Privatisierung ging, während FDP-Stadtrat André Schindler gegenüber der Sächsischen Zeitung erzählt: „Wir als FDP können uns durchaus vorstellen, die Häuser komplett zu verkaufen. Private Krankenhauskonzerne leisten keine schlechtere Arbeit.“

Tatsächlich wäre das trotz Bürgerentscheid theoretisch möglich, allerdings dürften alle anderen im Stadtrat verstanden haben, was die Teilnehmer der Wahl mit ihrem Votum ausdrücken wollten. Nämlich, dass die Gesundheitsversorgung in staatlicher bzw. kommunaler Hand bleiben muss und kein Ort für Profitstreben sein kann.
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Ergänzungen

neuer Ergebnislink der Stadt

cvc 30.01.2012 - 19:24
Unter dem folgenden link findet man die Aufschlüsselung nach Bezirken.
 http://wahlen.dresden.de/2012/BEKH/

Die höchsten Zustimmungs-Ergebnisse wurden in den Plattenbauvierteln erreicht. Ganz vorn liegen die beiden Wahllokale in Gorbitz-Süd mit 92,67 % und 92, 85 %. Aber auch der Szenekiez um die Rudolf-Straße in der Leipziger Vorstadt ist mit 90,89 % gut dabei. Die niedrigsten Werte gibt es in den eher wohlsituierten Vierteln der rechtselbischen Hänge, nur unterboten vom Villenviertel Blasewitz, wo am Schillerplatz mit 70,03 % der niedrigste Zustimmungswert erreicht wurde.

Hmhm

Dresdner 30.01.2012 - 22:39
Das war eine in ihren allen möglichen Konsequenzen für die nächsten Jahre sehr komplizierte Frage, die da an die Dresdner herangetragen wurde, und sie wurde in diesem Sinne in den Dresdner Medien durchaus lebhaft und konträr dargestellt und man hatte alle Möglichkeiten über die verschiedenen Seiten (Stadtrat, Fraktionen...) in diesem Medium sich ein Urteil zu bilden. "Privatisierung" ... sind zu leichte Antworten, es ging um die Gründung einer gGmbH, die zwar durchaus Teile veräußern kann, anderenteils als solche aber eben auch eher Mediziner, Arbeitnehmervertreter... am Tisch hätte als der Bestand konkurrierender städtischer Eigenbetriebe allein unter Kontrolle der Stadt, die noch dazu über deren Einnahmen verfügt und soweit wir wissen sie eben nicht wieder ausreichend in die Krankenhäuser investiert, wie es (theoretisch zumindest) in einer gGmbH möglich sein sollte. Im Grunde ist die Frage über die Zukunft der zwei städtischen Krankenhäuser (die besser zusammengelegt wären) quer durch alle Fraktionen und Interessengruppen populistisch verhacksteakt und auf dem Rücken der Dresdner Bürger ausgetragen und auf die Zukunft verlagert. Ist schon interessant, dass NPD sich auf die Seite der Linken und SPD - getrennte Eigenbetriebe erhalten - stellt, während andererseits sich die Grünen in diesem Falle einmal an die Seite CDU/FDP/Bürgerfraktion - gGmbH gründen - zugegebenermaßen sehr idealistisch stellt. Die Reaktionen in meinem Umfeld waren dementsprechend seltsam: Jahrzehnte konsequente Wahlen- und Abstimmungsnutzer blieben unabhängig von ihrer politischen Einstellung fern, "Ja"-Anhänger entschieden sich für "Nein", "Nein"-Sager gingen zum "Ja"... Ich bin selbst mit sehr widersprüchlichem Wissen und Einstellungen in die Kabine gegangen...

von wegen Unklarheit

Dresdner II 31.01.2012 - 07:02
Natürlich kann man so eine Entscheidung nicht bis in die allerletzte Konsequenz durchdenken. Daher ging es hier auch um eine klare Richtungsentscheidung und die hat es gegeben.

Und da brauchen die postmodernen Beliebigkeitskünstler nicht so tun, als wären alle anderen eigentlich zu blöd für den Entscheid gewesen, nur weil sie selbst offenbar unfähig sind, in großen Zusammenhängen zu denken.

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Ist doch eigentlich klar! — Hinzundkunz

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